Washington. Auch in den USA findet Angela Merkel mit ihren Memoiren ihr Publikum und mit Ex-Präsident Barack Obama einen starken Werbebotschafter.

Das war Angela Merkels Amerika-Tournee: ein Abend in der US-Hauptstadt Washington D.C. und 90 Minuten mit ihrem guten Freund Barack Obama in einer rappelvollen Halle vor sechstausend Zuschauern. Natürlich war es das offenkundige Ziel des lockeren Gesprächs, das der charismatische Gastgeber mit der Altkanzlerin führte, für ihre Memoiren „Freiheit“ zu werben. Letztlich ging es aber um wesentlich mehr. Um ihren Werdegang und nicht zuletzt die Zukunft der amerikanischen Demokratie. 

Auf der Bühne der Konzerthalle „Anthem“ in Washingtons boomenden Stadtviertel „Navy Yard“ unterhielten die Altkanzlerin und der frühere US-Präsident das Publikum mit einem lockeren und zwanglosen Gedankenaustausch. Sie erinnerten sich an ihre zahlreichen Begegnungen auf der Weltbühne. Auch an das Heranwachsen ihrer persönlichen Beziehung. Die hatte 16 Jahre zuvor eher frostig begonnen, weil Obama als frisch gebackener demokratischer Präsidentschaftskandidat nicht vor dem Brandenburger Tor reden durfte.

Former German Chancellor Angela Merkel Discusses Her Memoir With Former Pres. Obama
Präsident Barack Obama bot Altkanzlerin Angela Merkel eine Bühne, um ihr Buch vorzustellen. © Getty Images via AFP | Kevin Dietsch

Sie scherzten und lachten. Die gegenseitige Sympathie und persönliche Chemie zwischen zwei historischen Figuren – Obama als erster afroamerikanischer Präsident und Merkel als erste Kanzlerin – war echt. Und natürlich gedachten sie auch der guten, alten Zeiten, in denen der Fortbestand des US-Rechtsstaats außer Zweifel stand. Folglich kam zumindest Obama nicht umhin – ohne ihn beim Namen zu nennen – auch über Donald Trump zu sprechen.

Obama liefert die Stichworte

Eines dürfte sicher sein: Von den Interviews, Lesungen und Fernsehauftritten, die Altkanzlerin Angela Merkel seit dem Erscheinen ihrer Memoiren gegeben hat, dürfte der freundschaftliche Austausch mit „My Dear Barack“ der angenehmste gewesen sein. Als die beiden Weltpolitiker die Bühne betraten, begegnete ihnen ein Blitzlichtgewitter von iPhone Kameras. Dann folgten tosender Applaus und eine Ovation, die üblicherweise den Rockstars vorbehalten sind, die an den meisten Abenden auf der Bühne der populären Konzerthalle herumtoben.   

Former German Chancellor Angela Merkel Discusses Her Memoir With Former Pres. Obama
Das Merkel-Buch „Freedom“ soll sich auch in den USA verkaufen. © Getty Images via AFP | Kevin Dietsch

Der Gastgeber kam schnell zur Sache. Zunächst hatte der Ex-Präsident ein paar Erklärungen zum praktischen Ablauf parat. „Obwohl Angelas Englisch wirklich gut ist, wird sie auf Deutsch sprechen, weil sie ein sehr präziser Mensch ist und nicht missverstanden werden will“. Verstehen sollte das zahlende Publikum, warum es die Simultandolmetscherin nur über Kopfhörer wahrnehmen kann.

Obama preist Merkel

In der Rolle des „Interviewer“ befragte Obama dann die Kanzlerin zu ihrer Kindheit in der DDR und dem Karrierebeginn als Wissenschaftlerin. Auch, wie sie den Fall der Mauer erlebte und ihren späteren Einstieg in die bundesdeutsche Politik. Wie es ihr denn gelungen sei, ungeachtet der hohen Hürden als junge Frau, die in einer Diktatur aufgewachsen war, sich in Helmut Kohls Kabinett hochzudienen. Und schließlich, wie sie es schaffte, in einem von „älteren Männern beherrschten System“ den politischen Gipfel zu erklimmen. Lauter Steilvorlagen also, die Merkel dankend entgegennahm.  

So oder so war der 44. US-Präsident sichtlich bemüht, den hohen Gast aus Berlin weitgehend zu schonen. Obama betonte, dass er schon immer Merkels analytische und wissenschaftliche Betrachtungsweise komplexer, politischer Sachverhalte bewundert habe. Die Kanzlerin erwiderte das Lob. Auch wenn Obama kein Physiker sei, „schätze ich trotzdem seine klare und sachliche Analyse“. Dann stellte er ein paar Fragen, die Merkel ins Grübeln brachten. Etwa, ob sie zunächst eine Karriere als Physikerin einschlug, „um Dir Deine eigene Freiheit zu schaffen, da wissenschaftliche Fakten über politischen und ideologischen Differenzen stehen“. Eine Frage, die sie prinzipiell bejahte.

Auch amüsierten sich die Freunde über gelegentliche Differenzen. So erzählte Obama, dass er im Sommer 2008 nach seiner Nominierung als demokratischer Präsidentschaftskandidat in den Nahen Osten und dann Europa reiste. Entschärfen wollte er damit Kritik an seiner mangelnden außenpolitischen Erfahrung. „Ich glaube, dass Angela mich damals nicht richtig ernst genommen hat und lediglich meinte, dass ich gute Reden halte“, sagte der Gastgeber und lachte.

Indirekt geht Obama auch auf Trump ein

Gemerkt habe er das, als er vor 250.000 Menschen nicht vor dem Brandenburger Tor auftreten durfte. „Moment Mal!“, funkte die Altkanzlerin dazwischen. „Jetzt muss ich meine eigene Version dieser Geschichte erzählen!“ Sie betonte, dass das Brandenburger Tor einzigartige Bedeutung in der deutschen Geschichte habe und Obama damals lediglich ein Kandidat, aber kein gewählter Regierungschef war. „Hätte ich das zugelassen, dann hätten Kandidaten aus Russland, Vietnam und anderen Ländern auch bei mir angeklopft und dasselbe verlangt!“ Später, als Präsident, das betonte die Altkanzlerin, habe er Barack ja schließlich vor dem Brandenburger Tor geredet.

Zwar fiel einen knappen Monat nach den US-Wahlen der Name Donald Trump nicht ein einziges Mal. Dennoch versuchte Obama, mehrmals die Kurve zu seinem Nachfolger zu kriegen. Er wies darauf hin, wie tief gespalten die USA heute sind. Anhand von ethnischen, sozialen und wirtschaftlichen Trennlinien. „Diese eignen sich natürlich dazu, politisch ausgenutzt zu werden“, spielte er auf den Populismus der Marke Trump an. Wenn man hingegen sieht, wie Deutschland, das durch eine physische Mauer buchstäblich geteilt wurde, die Wiedervereinigung gemeistert hat, dann besteht auch für die USA noch Hoffnung. Deutschland also als Vorbild für die USA. Seine gute Freundin Angela verstand sehr wohl, was Obama meinte. Von einem Austausch über Trump wollte sie aber zumindest an diesem gemütlichen Abend in Washington nichts wissen.

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