Berlin. Die Kanzlerin a.D. stellt ihr Buch „Freiheit“ in Berlin vor. In ihrer Kanzlerschaft ist vieles umstritten – aber sie ist mit sich im Reinen

„Für mich soll’s rote Rosen regnen“ – das Lied von Hildegard Knef hatte sich Angela Merkel 2021 zum Zapfenstreich gewünscht. Seit ihr Buch „Freiheit“ auf dem Markt ist, regnet es zwar keine Rosen, aber zumindest noch mal ordentlich Aufmerksamkeit. Am Erscheinungstag sitzt sie auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin – es ist ein Abend mit einer Frau, die mit sich im Reinen ist. Mit ihrer Russlandpolitik, mit ihrer Flüchtlingspolitik.

Moderatorin Anne Will will gleich zu Anfang wissen, für wen sie das Buch eigentlich geschrieben hat? Merkel sitzt sehr aufrecht in ihrem Sessel, sie lächelt, sie ahnt, worauf Will hinaus will. Es ist kein Reißer, sondern ein typisches Merkel-Ding, dieses 736-Seiten-Buch. „Meine Hoffnung ist, dass es auch die verstehen, die sich nicht jeden Tag mit Politik beschäftigen.“ Pause. Für Historiker sei es hoffentlich „okay“, und für alle anderen vielleicht ja was „zum Schmökern“.

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Merkel: Über diesen Satz hat sie sich geärgert

Merkel hat das Buch mit ihrer ehemaligen Büroleiterin Beate Baumann geschrieben. Sie sitzt an diesem Abend nicht auf der Bühne, sondern dahinter. Es passt zu ihrem Verhältnis: „Wir“, beginnt Merkel einen ihrer typischen spröden Merkelsätze, „haben eine Arbeitsteilung, bei der ich die Person des Öffentlichen bin, und sie hat eine andere Aufgabe. Aber geschrieben haben wir es gemeinsam.“ Baumann gehörte in den vergangenen drei Jahrzehnten zu dem, was Merkel Schutzräume nennt. Kreise, in denen man offen und ungeschützt reden kann. „Wenn ich das nicht gehabt hätte, wäre es sehr schwer gewesen.“

Angela Merkel Presents Her Memoirs
Angela Merkel im Gespräch mit Moderatorin Anne Will. © Getty Images | Pool

Vorsichtig sein, und trotzdem die eigene Unbekümmertheit erhalten: Das ist Merkels Rezept fürs Überleben in der DDR, aber auch später, etwa in den Krisenzeiten ihrer Kanzlerschaft. Den Mauerfall erlebt sie in einem Alter, „wo noch viel vor mir lag. Das war wirkliches Lebensglück.“

Sie, die Ostdeutschen, blieben für viele Westdeutsche aber immer eine „Blackbox“. Sie ärgert sich bis heute, dass sie mal als „angelernte Bundesbürgerin“ bezeichnet wurde und als Mensch mit einer „Ballast-Biografie“. Und auch darüber, dass viele Spitzenmänner in der CDU sie einst als Übergangsvorsitzende, als Trümmerfrau behandeln wollten – nach der Spendenaffäre, dem Absturz von Helmut Kohl. Sie blieb bekanntlich – und wurde viermal Kanzlerin.

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„Friedrich Merz hat ihn und deshalb gönne ich es ihm“

Was war das größere Hindernis auf dem Weg ins Kanzleramt? Ostdeutsch zu sein oder eine Frau? „Eine Frau“, sagt Merkel. Ganz klar. Aber: Jammern ist nicht ihre Sache. „Parteien sind Machtmaschinen“, sagt sie. „Man braucht“, ergänzt sie später, da geht es schon um ihren Nachfolger an der Parteispitze, „einen unbedingten Willen zur Macht. Friedrich Merz hat ihn und deshalb gönne ich es ihm.“

Wirft sie sich den Aufstieg der AfD vor? Klar, die Partei sei durch die vielen Flüchtlinge stärker geworden, aber bis heute bleibt sie dabei: Für sie wäre noch dramatischer gewesen, die Menschen im September 2015 an der Grenze zurückzuweisen. Auch sonst bleibt sie erstaunlich gelassen – und bügelt Vorwürfe schnoddrig ab: „Dass ich das Land in einem Tip-Top-Zustand hinterlassen habe – das kann ich nicht sagen.“ Es habe eben vieles nicht in ihrer Hand gelegen. Aber, sie zuckt die Achseln: „Wenn’s hilft, dann kann man jetzt sagen: Merkel war’s.“ Es sei schon befreiend, das ist dann einer ihrer letzten Sätze an diesem Abend, nicht mehr im Amt zu sein. 

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