Düsseldorf. Die schwarz-grünen Kürzungspläne provozieren die größte landespolische Protestbewegung seit zwei Jahrzehnten. Lenkt die Regierung ein?
Bei der größten Protestkundgebung gegen eine nordrhein-westfälische Landesregierung der vergangenen zwei Jahrzehnte hat NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) die schwarz-grünen Kürzungspläne in der Wohlfahrtspflege verteidigt.
„Wir sparen nicht bei den Ärmsten der Armen, und die Wohlfahrtspflege kriegt nach wie vor in Nordrhein-Westfalen die größte Einzelzuweisung überhaupt in diesem Landeshaushalt“, sagte Laumann am Mittwoch bei einer Demonstration in den Düsseldorfer Rheinwiesen.
Sozialkürzungen im NRW-Etat: Kleine Summen, große Wirkung
Die Freie Wohlfahrtspflege hatte Hilfsorganisationen, Kindertagesstätten und Beratungsstellen aus ganz NRW zum Protest aufgerufen, um gegen den schwarz-grünen Landeshaushaltsentwurf 2025 mobil zu machen. Dieser sieht Kürzungen von 83 Millionen Euro allein im sozialen Bereich vor, was bei vielen Beratungs- und Hilfsangeboten eine Halbierung der bisherigen Fördersumme ausmacht.
Die nach Polizeiangaben 32.000 Demo-Teilnehmer übertrafen alle Erwartungen. Seit der umstrittenen Einführung der Studiengebühren durch die damalige schwarz-gelbe Landesregierung vor knapp 20 Jahren hat kein landespolitisches Thema mehr solche Massenproteste hervorgerufen. Obwohl Minister Laumann bei Gewerkschaften und Sozialverbänden einen guten Ruf genießt, musste er sich erstmals auspfeifen lassen.
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DGB-Landeschefin Anja Weber nannte die Kürzungspläne eine „Kampfansage dieser Landesregierung“. 83 Millionen Euro sind zwar ein kleiner Sparbeitrag gemessen am Rekordvolumen des kommenden Landeshaushalts von über 105 Milliarden Euro. Die Streichung schlägt aber offenbar auf einzelne Hilfsangebote voll durch. So soll allein die Familienberatung und -bildung knapp zehn Millionen Euro verlieren, was eine Halbierung bedeutet. Die Mittel für die berufliche Integration von Behinderten soll um mehr als 5 Millionen Euro gekürzt werden, was 60 Prozent weniger bedeutet. Die Unterstützung von Paaren mit Kinderwunsch soll komplett wegfallen.
Sind Selbstbewirtschaftungsmittel ein Sparstrumpf in NRW?
„Wenn jetzt diese Kürzungen durchkommen, dann geht uns die soziale Infrastruktur kaputt“, warnte Weber. Bislang lassen CDU und Grüne jedoch kein Einlenken erkennen. „Wir werden in diesem Land die Standards nur halten, wenn wir wieder Wirtschaftswachstum bekommen“, sagte Laumann und verwies auf wegbrechende Steuereinnahmen. Man gebe mehr Geld aus für Schule, Kitas und sozialen Wohnungsbau. Die Landesregierung setzte sehr wohl Prioritäten, „um den Bereich des sozialen Miteinanders auch hochzuhalten“, so der Minister.
SPD-Oppositionsführer Jochen Ott sprach dagegen davon, dass das soziale NRW „gerade geschreddert“ werde. Er verwies darauf, dass in vielen Ministerien sogenannte Selbstbewirtschaftungsmittel in Milliardenhöhe schlummerten und ansatzlos große Summen für das „Sicherheitspaket“ der Landesregierung bewegt wurden. „Wer gestern 400 Millionen zusätzlich für innere Sicherheit ausgeben kann, der hat auch 100 Millionen für soziale Sicherheit in diesem Land“, so Ott.
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte dieser Deutung von Selbstbewirtschaftungsmitteln bereits im Vorfeld widersprochen. Dabei handele es sich um feste Finanzzusagen, die vom Haushaltsgesetzgeber bereits konkreten Ressortausgaben zugeordnet seien. Einziger Unterschied zu anderen Etatposten sei die Nutzbarkeit über das jeweilige Haushaltsjahr hinaus. Anders als von der Opposition suggeriert stehe aber nirgendwo „ein Sack Geld“, den man der Freien Wohlfahrtpflege zur Verfügung stellen könne.