Essen. Die Regierung will Geld für Soziales kürzen oder Töpfe ganz streichen. Warum die AWO das nicht nur für Beratungsstellen „verheerend“ findet.

Im Haushalt für das kommende Jahr plant das Land NRW massive Kürzungen vor allem im sozialen Bereich. Opposition und Freie Wohlfahrtsverbände werfen der schwarz-grünen Regierung „sozialen Kahlschlag“ vor. Unter dem Motto „NRW, bleib‘ sozial“ demonstrieren am heutigen Mittwoch (13. November, 12 Uhr) Träger, Beschäftigte und Betroffene bei einer Großkundgebung auf den Düsseldorfer Rheinwiesen. Warum sie kämpfen wollen, erzählt Nicola Völckel, Leiterin des Lore-Agnes-Hauses der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Essen, hier.

„Wir kümmern uns im Lore-Agnes-Haus um Schwangerschaftskonfliktberatung, aber auch um sexuelle Bildung von Jugendlichen. Bei der AWO im Bezirk Niederrhein stehe ich zudem für Frauenhäuser, Frauen- und Erziehungsberatungsstellen. Da wird vor allem an den unsichtbaren Stellen gespart; die Pläne der Landesregierung sind verheerend!

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Zwei der anstehenden Kürzungen, die uns betreffen, können wir klar beziffern. Und beides ist dramatisch!

Ein Topf, den es für die Schwangerschaftskonfliktberatung geflüchteter Frauen seit Jahren zusätzlich gab, fällt komplett weg. Das waren 700.000 Euro in ganz NRW, von denen wir vor allem Verhütungsmittel finanziert haben. Die müssten die Frauen sonst selbst bezahlen. Aufklärung und selbstbestimmte Familienplanung sind wichtig, zudem waren solche Erstkontakte ein Türöffner, um überhaupt mit den Frauen ins Gespräch zu kommen.

Nicola Völckel AWO
Nicola Völckel, Arbeiterwohlfahrt, zu Sozialkürzungen in NRW © AWO Berzirksverband Niederrhein e.V. | HO

Kein Reden mehr über Sex, Schwangerschaft, Übergriffe

Zudem werden uns vom Land 35 Prozent der Mittel für sexuelle Bildung von Jugendlichen gestrichen. Diese Regelförderung gibt es, weil in den Anfangszeiten von Aids erkannt worden ist, dass Prävention nur möglich ist, wenn man über Sex redet und Worte dafür hat. Wir schicken sogenannte „Youth-Worker“ und -innen in Schulen oder Jugendzentren, haben sowieso viel zu wenig davon für zu viele Einrichtungen. Schon jetzt kommt nicht einmal jede Schulkasse auch nur einmal zum Zug. Die Kürzung um mehr als ein Drittel bedeutet ganz klar: weniger Workshops, kein Reden über Sex, Schwangerschaft, Krankheiten, Übergriffe.

Das Land hat ohnehin schon nur einen Anteil finanziert, das können die Kommunen nicht ausgleichen. Die Mittel sind schon unfassbar lange nicht mehr erhöht worden, ganze Strukturen stehen Spitz auf Knopf. Und jetzt kürzen sie auch noch! Ich stehe fassungslos davor.

Es wird sich vielleicht noch etwas bewegen, aber es wird einen Verteilungskampf geben. Es ist ja völlig egal, wo der erste Stein fällt; das kann nicht überall gut ausgehen. Wichtige Angebote werden wegbrechen, das ist klar. Es werden Frauenhäuser schließen, denn ich betreibe mit schwindenden Mitteln bei den Kostensteigerungen kein Frauenhaus! Es werden Beratungsstellen schließen, es gibt keine Youthwork-Beratung mehr. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!“

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