Berlin. Donald Trumps Anti-Klima-Kurs fordert die Welt heraus. Entwicklungsministerin Svenja Schulze von der SPD warnt vor Resignation.
Neue Hoffnung für das Klima? In Baku (Aserbaidschan) beginnt am Montag die 29. Klimakonferenz der Vereinten Nationen. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagt im Interview mit unserer Redaktion, woher das Geld für die Klimarettung kommen soll – und was die Rückkehr von Donald Trump auf die Weltbühne bedeutet.
Neue Unwetter haben Europa erschüttert, in Spanien sind mehrere hundert Menschen getötet worden. Ist die Klimakatastrophe schon da?
Svenja Schulze: Wir erleben genau das, wovor uns die Klimaforscher seit Jahrzehnten gewarnt haben: Temperaturen steigen, Meere werden wärmer, Starkregen und Dürren heftiger. Die Bilder aus Spanien sind ganz aktuell. Aber auch vor einem Jahr gab es eine heftige Flut in Libyen und seitdem die Waldbrände in Kanada, Hitzetote in Indien und Dürren im südlichen Afrika und Brasilien, um nur einige Beispiele zu nennen.
Welche Weltregionen trifft der Klimawandel am härtesten?
Schulze: Der Klimawandel trifft uns alle. Aber nicht alle Gesellschaften haben die gleichen Mittel, damit umzugehen. Wir in Deutschland haben das Geld und die Strukturen, uns anzupassen und zum Beispiel Deiche zu verlegen. Andere schaffen das ohne Unterstützung nicht. Wo Wasser eh schon knapp ist, werden Verteilungskonflikte zunehmen. Und wo die Temperaturen eh schon 50 Grad erreichen, werden Landstriche irgendwann unbewohnbar, etwa im Sahel südlich der Sahara.
Ist das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, noch realistisch?
Schulze: Ja. Aber Klimawissenschaftler gehen davon aus, dass diese Grenze möglicherweise kurzfristig überschritten wird und langfristig nur gehalten werden kann, wenn die Menschheit damit anfängt, CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entnehmen. So etwas kann gelingen, etwa mit Mooren und Wäldern. Aber entscheidend ist, jetzt nicht zu resignieren, sondern dranzubleiben. Denn jedes Zehntelgrad Erwärmung, das wir vermeiden, zählt, weil es die Dürren, Fluten und Hitzewellen der Zukunft abmildert.
Was muss bei der Weltklimakonferenz – die ausgerechnet im Ölstaat Aserbaidschan stattfindet – herauskommen?
Schulze: Sichtbare Fortschritte in allen Ländern. Das heißt: anspruchsvollere Klimapolitiken, Investitionen in Windkraft, Sonnenenergie und die Anpassung an den Klimawandel und zugleich weniger Kohle, Öl und Gas. Abgesehen vom Pariser Klimaabkommen 2015 geschehen auf diesen Gipfeln selten diplomatische Wunder. Aber die Konferenzen haben ihren Wert: Ohne sie würde die Welt heute Richtung 4, 5 oder 6 Grad Erhitzung taumeln. Jetzt leben wir in einer Welt, die auf 2,5 bis drei Grad Erwärmung zusteuert. Das ist immer noch viel zu viel. Aber es zeigt, dass Fortschritt möglich ist.
Was kostet es, die Klimakatastrophe aufzuhalten?
Schulze: Das sind auf den ersten Blick große Summen. Allein Schwellen- und Entwicklungsländer werden ihre Klima-Investitionen vervierfachen müssen – wobei das meiste Geld aus diesen Ländern selber kommt. Aber es wäre ein Vielfaches teurer, nicht zu investieren und stattdessen für die Klimaschäden zu zahlen. Dazu kommt das menschliche Leid: In Spanien sind mehr als 200 Menschen in den Fluten umgekommen und im Ahrtal damals 135. Mit relativ kleinen Investitionen heute kann man große Schäden in Zukunft minimieren oder sogar ganz vermeiden. Das Entwicklungsministerium bringt zum Beispiel Frühwarnsysteme voran: Da bekommen Landwirtinnen eine Flut-Warnung und ein paar Dollar aufs Handy geschickt und können damit ihr Vieh in Sicherheit bringen oder neues Saatgut kaufen. Das vermeidet enorme Folgekosten, weil sie nicht aufgeben müssen und ihre Kinder weiter in die Schule gehen können.
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Woher kommt das Geld?
Schulze: Ein bedeutender Teil wird weiter aus den klassischen Industrieländern kommen. Aber auch Länder wie China oder die Golfstaaten, die nicht zu den traditionellen Gebern gehören, haben inzwischen die nötige Wirtschaftskraft und müssen sich ebenfalls beteiligen. Je reicher ein Land ist und je mehr es mit seinen Emissionen zum Klimawandel beigetragen hat, desto mehr muss es auch andere unterstützen. Die Zuschüsse sollten vor allem an die ärmsten Länder gehen und in Anpassung an den Klimawandel investiert werden. Kredite sind das Mittel der Wahl für Länder, deren Wirtschaft stärker ist, und für Projekte, die sich gut rechnen, etwa Wind- und Solarparks. Hierfür die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, ist dann wiederum Aufgabe aller Länder, auch der Entwicklungsländer.
Die Ampelkoalition ist gerade über den Staatshaushalt zerbrochen. Was bedeutet das für den deutschen Beitrag?
Schulze: Der Bundeskanzler hat zugesagt, ab 2025 pro Jahr sechs Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in internationalen Klimaschutz zu investieren. Das ist und bleibt die Messlatte. Deutschland hat in diesem Bereich übrigens immer verlässlich geliefert und wird dafür international anerkannt. Wir tragen unseren fairen Anteil an der Klimafinanzierung. Das gibt uns die nötige Glaubwürdigkeit, auch von anderen mehr Engagement zu verlangen.
Sie wollen auch reiche Privatpersonen zur Kasse bitten. Was genau schwebt Ihnen vor?
Schulze: Das ist eine brasilianische Initiative, die eine wichtige Gerechtigkeitslücke schließen soll: Denn bislang zahlen ausgerechnet Milliardäre anteilig deutlich weniger Steuern als Durchschnittsbürger. Das ist ungerecht, denn es lässt die außen vor, die leicht einen Beitrag leisten können. Und die Staaten brauchen das Geld, um dringend nötige Investitionen zu stemmen, Armut zu bekämpfen oder den Klimawandel aufzuhalten.
Konkret: Wer soll wie viel zahlen?
Schulze: Die brasilianische Idee ist im Grunde ganz einfach: Alle rund 3000 Milliardäre weltweit müssen jährlich Steuern in Höhe von mindestens zwei Prozent ihres Vermögens bezahlen. Das ist deutlich weniger als ihr durchschnittlicher Vermögenszuwachs. Wer das sowieso schon tut, für den ändert sich nichts. Aber wer das bislang umgehen konnte, der muss dann mehr zum Gemeinwohl beitragen. Eigentlich ist diese Milliardärssteuer also eine längst überfällige Fairnesssteuer. Schätzungen zufolge könnte sie jährlich etwa zusätzliche 250 Milliarden US-Dollar in die Staatskassen spülen.
Wie wollen Sie das durchsetzen? Sehen Sie dafür Mehrheiten?
Schulze: Ich bin zum Glück nicht die einzige, die das fordert. Auch Spanien, Frankreich, Südafrika, Kolumbien sind dafür und auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds zeigt sich offen. Und ich arbeite daran, weitere Verbündete zu gewinnen, gerade im Globalen Süden. Denn von einer Milliardärssteuer profitieren ja nicht nur Länder wie Deutschland, auch afrikanische Staaten könnten so dringend nötige Mehreinnahmen erzielen. Ultrareiche, die noch nicht ihren fairen Anteil am Gemeinwesen leisten, gibt es schließlich auch in vielen Entwicklungsländern.
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Es gibt auch die Idee einer Steuer für Öl- und Gasfirmen, weil sie besondere Schäden verursachen. Unterstützen Sie das?
Schulze: Wenn man sich vor Augen führt, mit welchen Milliardengewinnen sich die Öl- und Gasindustrie in der letzten Energiekrise auf Kosten der Allgemeinheit bereichert hat, wäre ein solcher Beitrag nur fair. Mit dem Geld könnten dann Klimaschäden bezahlt werden, etwa über den neuen Fonds dafür.
Welche Folgen haben die politischen Turbulenzen - Deutschland steuert auf Neuwahlen zu, in den USA kehrt Donald Trump ins Weiße Haus zurück - für den Kampf gegen den Klimawandel?
Schulze: Die US-Wahl hat natürlich Folgen. Beim letzten Mal hat Trumps Anti-Klima-Kurs den Rest der Welt zusammengeschweißt. Das wird uns wieder gelingen. Unsere beste Verbündete dabei ist die Wirtschaft. Trump hat es schon in seiner ersten Amtszeit nicht geschafft, die Kohle zurückzubringen, auch wenn er das im Wahlkampf versprochen hatte. Die erneuerbaren Energien sind inzwischen ein so gutes Geschäft, dass selbst Republikaner in den USA sich das nicht entgehen lassen wollen. Auf der Weltbühne werden andere Großmächte wie China versuchen, das Vakuum zu füllen, das die USA hinterlassen. Auch Deutschland wird als Teil der Europäischen Union eine wichtigere Rolle spielen als Brückenbauer. Eine Lehre aus der US-Wahl ist, dass wir unsere Partnerschaften weiter diversifizieren müssen. Genau daran arbeite ich als Entwicklungsministerin.
Wie handlungsfähig ist die Bundesregierung noch? Kann sie In Baku überhaupt Vereinbarungen treffen?
Schulze: Selbstverständlich. Deutschland hat sich seinen guten Ruf in der internationalen Klimapolitik über Jahrzehnte und in verschiedenen Regierungskoalitionen aufgebaut. Dieses starke Engagement wird bleiben, weil es richtig und weil es im deutschen Interesse ist. Die meisten haben das verstanden, Christian Lindner leider nicht. Aber die Zeit, in der das zum Problem werden konnte, ist ja nun vorbei.