Dormagen. Sie geben alles für Harris und kämpfen aufopferungsvoll gegen Trump: So angespannt ist die Stimmung im „Ortsverein“ der Demokraten.

Am Ende eines intensiven Wahlkampfes stecken sie tief im Wechselbad der Gefühle: Zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Kampfeslust und Schwäche, zwischen Stolz und Demut, und manchmal überwältigt sie all das im Minutentakt: Aileen Dinin aus Essen, Nicole Groß aus Dormagen, Pegi Jones aus Krefeld und Kelsey Pace aus Düsseldorf sind US-Bürgerinnen aus NRW, und sie arbeiten hart an ihrem amerikanischen Traum: Dass Kamala Harris am Dienstag triumphieren und Donald Trump anschließend geschlagen die politische Bühne verlassen möge.

In Gedanken bei den „Silent-Harris-Wählerinnen“, die ihre Männer fürchten müssen

Die vier Damen engagieren sich im „Chapter Düsseldorf-Ruhr Region“ der „Democrates Abroad“, also in einem von drei „Ortsvereinen“ der Demokratischen Partei in NRW. Aileen Dinin ist die Vorsitzende, Nicole Groß die Sprecherin des Chapters, Pegi Jones spricht für die Demokraten in ganz Deutschland, und Kelsey Pace ist Schriftführerin. Vier Frauen sitzen in der Runde, aber kein Mann. Ganz zufällig sei das nicht, erzählen sie: Frauen trommelten lauter als Männer für Kamala Harris. Die Frage Harris oder Trump spalte viele Familien aus den USA, sagen sie. Nicole Groß ist sich nicht sicher, ob sie in diesem Winter ihre Familie in Kalifornien besuchen soll. Sie befürchtet einen politischen Streit vorm Weihnachtsbaum. Die vier Wahlkämpferinnen sagen, es gebe in den USA viele „Silent-Harris-Wählerinnen“, die heimlich demokratisch wählten, weil ihre Männer davon nichts wissen dürften.

Zwischen Optimismus und Zweifeln: Die Hoffnung stirbt zuletzt

Auf die Frage, wie sie sich kurz vor der Wahl fühlen, geben die vier Damen vier Antworten: „Ich bin jeden Tag etwas optimistischer“, sagt Aileen aus Texas. „Ich bin sicher, dass Kamala gewinnt. Wir Demokraten haben so viel Energie in die Kampagne gesteckt“, meint Pegi aus Colorado. „Ich bin kampfeslustig, energisch, motiviert“, versichert Nicole aus Kalifornien, schränkt aber ein: „Ich mache seit der verlorenen Wahl 2016 keine Prognosen mehr.“ Kelsey aus Michigan ist „nicht so optimistisch“. Der Blick auf die Wahl-Umfragen macht die Schriftführerin vorsichtig.  

Die „Democrats Abroad“ in NRW

Das „Chapter Düsseldorf-Ruhr Region“ der Demokraten zählt rund 600 Mitglieder zwischen Dormagen, Recklinghausen, Paderborn und der niederländischen Grenze. In NRW gibt es zwei weitere „Chapter“ der Demokratischen Partei: Köln/Bonn und Münster/Osnabrück/Bielefeld. Die Chapter gehören zu den Democrats Abroad, das ist die offizielle Vertretung der Demokratischen Partei für US-Amerikaner, die außerhalb der USA leben. In Deutschland haben die Demokraten etwa 15.000 Mitglieder.

In NRW leben laut dem Statistischen Landesamt IT.NRW rund 26.000 wahlberechtigte US-Bürger, darunter etwa 12.000 „Doppelstaatler“ mit zwei Pässen. Es wird nicht nachgehalten, wem sie ihre Stimme geben. Die Wahlbeteiligung der US-Amerikaner liegt in Deutschland erfahrungsgemäß bei etwa 25 Prozent.

Bei harten „MAGA-Wählern“ ist für die Demokratinnen nichts zu holen, bei anderen schon

Wählen in den USA ist im Vergleich zu Deutschland kompliziert, und die Briefwahl macht die Stimmabgabe nicht eben leichter. Jeder Bundesstaat hat seine eigenen Briefwahl-Regeln. Es gibt verschiedene „Deadlines“ für die Anforderung der Wahl-Unterlagen, unterschiedliche Abstimm-Möglichkeiten (Brief, Fax, Mail), manche Staaten erwarten jedes Jahr eine Rückmeldung der Auslandswähler, andere sehen das lockerer. Pennsylvania verschicke zum Beispiel die Wahlunterlagen per Mail, verlange sie aber per Post zurück. „Unser Job ist, Leute zum Wählen zu motivieren, denn allein das verbessert Kamala Harris‘ Chancen“, erklärt Nicole Groß. Hoffnungen, harte Trump-Anhänger umstimmen zu können, haben die demokratischen Wahlkämpfer in NRW ohnehin nicht. „MAGA-Wähler“ nennen sie diese Unüberzeugbaren, es ist die Kurzform des Trump-Mottos: „Make America Great Again“.

Barrierearmes Wählen? Nicht in den USA

Nicole Groß zeigt einen langen und unübersichtlichen Stimmzettel aus Kalifornien. Das „Handbuch“ dazu ist unfassbare 140 Seiten dick. Es stehen nicht nur die Präsidentschaftskandidaten auf dem Zettel, sondern auch die für das Repräsentantenhaus und diverse andere Parlamente. Pegi Jones, Sprecherin der Auslandsdemokraten in Deutschland, ist unglücklich über diese Hürden. Wer sich mit dem Regelwerk beschäftigt, der merkt schnell: Mal eben nebenbei können US-Amerikaner nicht wählen, weder in der Heimat noch in Europa. „Wir achten darauf, dass US-Amerikaner hier im Ausland wählen können, und wir helfen ihnen, wenn sie dabei Probleme haben“, beschreibt Pegi Jones die wichtigste und gleichzeitig schwierigste Aufgabe des demokratischen „Ortsvereins“ an Rhein und Ruhr.

US-Wahl
Komplizierte Wahl: Ein Original-Stimmzettel aus Kalifornien und dazu das 140 Seiten dicke Handbuch. © privat | Privat

„Swifties“, Marathonläufer, Wiesn-Besucher: Sie suchen Amerikaner, wo sie vermutlich sind

Der demokratische Wahlkampf in NRW funktioniert in Teilen so wie bei SPD oder CDU, zum Beispiel mit Info-Ständen in Fußgängerzonen. Besonders wichtig für die Mobilisierung von Wählerinnen und Wählern ist das „Phone-Banking“, also der Anruf bei Mitgliedern und anderen Wahlberechtigten. Natürlich werben die Demokraten per Social Media für Kamala Harris und Tim Walz. Sie haben auch während des Oktoberfestes Wahlwerbung in der Münchener U-Bahn gemacht, waren bei Taylor Swift in Gelsenkirchen, beim Berlin-Marathon. „Wir suchen Amerikaner dort, wo wahrscheinlich welche sind“, erklärt Nicole Groß.

Auch wenn die „Demorats Abroad“ ein Teil der Demokratischen Partei sind, müssen sie Spenden für ihren Wahlkampf einwerben. Nicole Groß‘ Tochter Rebecca, eine 18-jähige Erstwählerin, hat zum Beispiel Harris/Walz-Armbänder hergestellt, die dem Armschmuck der Taylor-Swift-Fans ähneln. Jeder Euro aus dem Verkauf von Armbändern, T-Shirts und anderen Utensilien fließt in die Wahlkampfkasse.

Wahlen in den USA - Nevada
Wohl einer der stressigsten Jobs in diesen Tagen in den USA: Wahlhelfer sortieren Stimmen im Clark County Election Department bei Los Angeles.. © DPA Images | John Locher

Fürs Feiern oder für Nervenzusammenbrüche ist nach Dienstag immer noch Zeit

Die Wahlbeteiligung unter US-Bürgern in Deutschland soll vor vier Jahren bei rund 25 Prozent gelegen haben. Das sei gut, versichern die vier Damen. In vielen anderen Ländern außerhalb der USA sei die Wahlbeteiligung viel niedriger. Bei der Wahl 2024, bei der es Spitz auf Knopf steht, zähle am Ende jede einzelne Stimme, auch die aus Deutschland und NRW, glauben die Demokraten.

„Wir geben bis zur letzten Minute alles,“, versichern Kelsey, Nicole, Pegi und Aileen. Fürs Feiern oder für Nervenzusammenbrüche sei nach Dienstag immer noch Zeit.

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