Düsseldorf. Die Vorstellung, man könne Clan-Straftäter einfach ins Ausland abschieben, ist nach Einschätzung einer Polizeigewerkschaft naiv.

Ist es möglich, Angehörige krimineller Großfamilien ins Ausland abzuschieben oder die Einreise solcher Personen durch mehr Grenzkontrollen zu erschweren? Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) ist da skeptisch. „Der Vorschlag der AfD, Angehörige von Großfamilien einzeln oder im Verbund mit Angehörigen abschieben zu wollen, wird aktuell scheitern“, schreibt DPolG-Bundespolizei-Vize Manuel Ostermann in einer „Clan“-Stellungnahme für den Innenausschuss des Landtags.

„Viele Familienmitglieder haben seit langem die deutsche Staatsbürgerschaft“

„Einerseits besitzen zahlreiche Familienmitglieder seit langem die deutsche Staatsbürgerschaft und können gar nicht abgeschoben werden. Andererseits dauern Abschiebungsverfahren selbst dort, wo sie möglich sind, sehr lange, sind kompliziert, kostspielig und können leicht umlaufen werden“, gibt Ostermann zu bedenken.

Vor mehreren Jahren sei versucht worden, das Oberhaupt einer Großfamilie, Ibrahim Miri, in den Libanon abzuschieben.  „Bei Miri gelang es durch eine Einzelaktion der Bundespolizei, in Beirut Ersatzpapiere zu beschaffen und ihn in seine Heimat zu verbringen. Etwa fünfzehn Wochen dauerte es, bis er sich wieder in seiner Wohnung und in den Kreisen der Familie in Deutschland befand. Er war kurzerhand wieder eingereist und stellte einen Antrag auf Asyl.“

Gewerkschafter sieht beim „Ausweisungsinteresse“ des Staates noch Luft nach oben

Es sei zwar eine zweite Abschiebung erfolgt, die sei aber vor Gericht später für rechtswidrig erklärt worden. Ostermann schreibt in der Stellungnahme weiter: „Die Problematik im Bereich der Abschiebungen begründet sich vor allem auf bürokratische Hemmnisse, fehlerhafte Zuständigkeitsstrukturen insbesondere bei der Passersatzpapierbeschaffung, mangelhafte gesetzliche Regelungen und fehlende Abschiebehaftplätze. Insbesondere das Ausweisungsinteresse des Staates, muss gesetzlich nachgeschärft und dann auch angewandt werden.“ 

Ein weiterer Vorschlag – Grenzkontrollen auch durch NRW-Polizisten – laufe komplett ins Leere. Rechtlich unmöglich und personell gar nicht zu leisten, so die Gewerkschaft.

Sachverständigenanhörung

Der Innenausschuss des NRW-Landtags wird sich am 31. Oktober in einer Sachverständigenanhörung mit der Clankriminalität in NRW beschäftigen. Bisher liegen Stellungnahmen vor von Mahmoud Jaraba von der Universität Erlangen-Nürnberg, vom Clanforscher Ralph Ghadban, von Oliver Huth (Bund deutscher Kriminalbeamter) sowie von Manuel Ostermann, Vize-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (Bundespolizei).

„Die Großfamilien sind abgeschottet, kriminogen, aber nicht per se böse“

Der DPolG-Bundespolizei-Vize beschreibt ausführlich das soziale Milieu der Großfamilien, nennt es „hochgradig abgeschottet, hochgradig komplex und hochgradig kriminogen, aber nicht per se ,böse‘“. In diesen zum Teil undurchdringlichen Strukturen, die sich im Bereich syrischer Migranten analog entwickelten, sei die Erkenntnisgewinnung, Aufarbeitung und Auswertung durch grundsätzliche Dokumentation ein unerlässlicher Baustein.

Im Bereich der offen ausgetragenen Konflikte zwischen Clans im öffentlichen Raum müsse grundsätzlich festgehalten werden: „Innere soziale Strukturen in Großfamilien sind strikt hierarchisch, von einer intuitiv verstandenen inneren Werteskala geprägt und nach Befehl und Gehorsam ausgerichtet. Kollektivnutzen geht über Individualität. Platz für persönliche Selbstverwirklichung, die in der deutschen Gesellschaft als zentraler individueller Wert verstanden wird, ist innerhalb dieser Struktur lediglich für eine geringe Minderheit von Personen vorhanden.“

„Hohe Affinität zu Gewalt und Prahlerei“ unter den Männern

Die überwiegende Mehrheit der Clan-Mitglieder habe sich in ihr Rollenverständnis zu fügen. Das gelte insbesondere für Frauen. „Innerhalb der Männergesellschaft herrscht eine hohe Affinität zu Gewalt, Statusdenken und prahlerischem Verhalten. Eine zentrale Rolle im Wertekanon dieser sozialen Struktur sind die persönliche und die kollektive Ehre. Diese zu schützen und zu mehren ist ungeschriebene Verpflichtung jedes einzelnen Familienmitglieds“, so Ostermann. Jede subjektive Ehrverletzung, beispielsweise auch durch polizeiliches Handeln, fordere in diesem Milieu eine unverzügliche Gegenreaktion heraus, um nicht als persönlich oder kollektiv schwach angesehen zu werden. 

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