Berlin. KI verspricht Innovation, braucht dafür aber enorm viel Strom. Google, Amazon und Microsoft wollen jetzt eine alte Technologie nutzen.
Zuerst war es Microsoft. Dann folgte Google, dann Amazon. Große Technologiekonzerne verkündeten in den vergangenen Wochen einer nach dem anderen ihre Pläne, in eine vergleichsweise alte Technologie zu investieren: Atomkraft. Microsoft will dafür ein altes Atomkraftwerk in Pennsylvania wieder in Betrieb nehmen. Amazon und Google setzen auf neue Reaktoren. Und alle drei hoffen, so einen Teil ihrer CO₂-Bilanz zu retten.
Es ist die Antwort der Tech-Konzerne auf ein Problem, das sie selbst mit geschaffen haben: Mit dem rasanten Aufstieg von Anwendungen, die auf Künstliche Intelligenz setzen, ist auch der Stromverbrauch deutlich angestiegen.
KI ist auf dem Weg, viele Branchen und Lebensbereiche fundamental zu verändern: In der Medizin und Pharmazie wird sie eingesetzt, um schneller Krankheiten zu erkennen und neue Medikamente zu entwickeln, in der Produktion kann sie Prozesse effizienter machen, in der Kriminalistik hoffen Ermittler auf schnellere Identifikation von Verdächtigen aus Bilddaten. Und im Alltag lassen sich Nutzerinnen und Nutzer von ChatGPT und Co. E-Mails entwerfen, unterhalten und oder das Internet durchsuchen.
Künstliche Intelligenz bringt Klimaziele der Techkonzerne in Gefahr
Doch verglichen mit anderen Prozessen brauchen derartige Verfahren deutlich mehr Rechenleistung – und damit auch viel mehr Energie.
Bei Google etwa schlägt sich das bereits jetzt in der Klimabilanz nieder: Von 2022 auf 2023 stiegen die Emissionen des Konzerns um 13 Prozent. Von 2019 zu 2023 waren es sogar 48 Prozent. Und weil Rechenzentren auch gekühlt werden müssen, stieg auch der Wasserverbrauch, um 14 Prozent von 2022 auf 2023. Ähnlich sieht es bei Microsoft aus, wo die Emissionen des Konzern 2023 fast 30 Prozent höher lagen als noch 2020.
Eine Entwicklung, die sich fortsetzen wird, glaubt man beim Umweltbundesamt: Geht die Umweltbehörde für die kommenden fünf Jahre noch von einem „moderaten“ Anstieg von wenigen Prozentpunkten aus, könnte es innerhalb der kommenden Dekade schon deutlich mehr sein, „insbesondere, wenn KI in großem Maßstab in verschiedenen Sektoren wie Gesundheitswesen, Automobilindustrie und Fertigung eingesetzt wird“. Einige Schätzungen, sagt das UBA auf Anfrage, würden darauf hindeuten, dass der Verbrauch in diesem Zeitraum um mehr als 20 Prozent steigen könnte.
Der Energiehunger der KI-Anwendungen steht den Tech-Giganten dabei auch bei der Erreichung ihrer eigenen Klimaneutralitätsziele im Weg. Microsoft hat sich zum Ziel gesetzt, 2030 nicht nur bilanziell keine CO₂-Emissionen mehr zu verursachen, sondern sogar „carbon negative“ zu sein, also unterm Strich mehr Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen, als die Firma durch ihre Dienste produziert. Eine Anfrage, wie das mit dem zunehmenden Einsatz von KI zusammenpasst, ließ der Konzern unbeantwortet.
Google und Amazon setzen auf neue Atomkraftwerke – Small Modular Reactors
Google strebt Klimaneutralität bis zum Ende des Jahrzehnts an – ein „sehr ehrgeiziges Ziel“, wie die Firma selbst sagt. Um dieses Ziel trotz steigendem Energieverbrauch zu erreichen, investiert Google in vielen Ländern gezielt in erneuerbaren Strom. Und künftig eben auch in Atomstrom.
Bis der tatsächlich in Datenzentren fließt, dürfte es allerdings noch dauern. Sowohl Amazon als auch Google setzen auf kleine modulare Reaktoren (Small Modular Reactors, SMR). Amazon hat unter anderem eine Vereinbarung getroffen mit Energy Northvest, einem Konsortium, das an Reaktoren arbeitet, die einmal 80 Megawatt Strom liefern sollen. Zum Vergleich: Die Kernkraftwerke, die zuletzt in Deutschland liefen, hatten eine Leistung von 1400 Megawatt.
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Durch das Investment sichert sich der Konzern den Zugriff auf den produzierten Strom der ersten vier dieser Reaktoren. Planmäßig sollen diese Anfang der 2030er in Betrieb gehen. Google hat eine Vereinbarung mit dem Start-up Kairos, das den ersten Reaktor bis 2030 ans Netz bringen will. Bis 2035 sollen weitere folgen. Microsoft dagegen will Strom kaufen aus dem Atomkraftwerk Three Mile Island. Das war 2019 vom Netz gegangen, soll aber für Microsoft wieder anlaufen.
Bislang konzentrieren sich die Pläne der Tech-Giganten auf die USA. Von Reaktoren außerhalb Amerikas, die für KI in den Dienst genommen werden sollen, ist nichts bekannt.
Was der Energiehunger der Technik für Deutschland bedeutet, ist offen
Was der enorme Energiebedarf von KI für Deutschland bedeutet, lässt sich bislang nur schwer in Zahlen fassen. Prognosen der Bundesregierung über den Stromverbrauch von KI gibt es nicht. Schon jetzt, beklagt das Umweltbundesamt, gebe es wenig Transparenz zum Stromverbrauch von Rechenzentren in Deutschland, aber auch weltweit. Die Umweltbehörde verweist auf Daten der Internationalen Energie-Agentur IEA. Die geht davon aus, dass sich der Energieverbrauch von Rechenzentren in der EU zwischen 2022 und 2026 um 50 Prozent steigern wird.
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„Ein steigender Energie- und Wasserverbrauch der Rechenzentren könnte erhebliche Belastungen für die Umwelt mit sich bringen“, heißt es nüchtern formuliert vom UBA.
Ausschließlich als schädlich will man Künstliche Intelligenz dort allerdings nicht verstanden wissen. Denn die Technologie biete für Umwelt und Klima auch Chancen. Vorhersagemodelle, zum Beispiel für Wetter und Wetterextreme, könne KI besser machen – auch im Hinblick darauf, wie viel Rechenkapazität diese brauchen. „Der Einsatz von KI könnte daher partiell auch zu einer effizienteren und nachhaltigeren Handhabung von Umweltressourcen führen“, sagt das UBA. Das Problem ihres enormen Energiehungers könnte KI damit zumindest ein kleines Stück weit selbst lösen.