Düsseldorf. NRW treibt von kriminellen Testzentren-Betreibern 74 Millionen Euro ein. Aber der Schaden für den Staat dürfte viel größer sein.
Die Pandemie ist vorbei, Covid-19 hat einen großen Teil seines Schreckens verloren, aber die Aufarbeitung der Corona-Zeit beginnt gerade erst. Dazu gehört auch die Suche nach Gaunern, die sich als Krisengewinnler mit üblen Methoden bereichert haben. In NRW ist es den Behörden offenbar zuletzt gelungen, viel Geld von Steuerbetrügern, die Corona-Testzentren betrieben haben, zurückzuholen.
Falscher Doktor rechnete Tests ab, die nie durchgeführt wurden
Der Fall erregte damals weit über NRW hinaus Aufsehen: Ein Mann, der zwischen März 2021 und Mai 2023 Corona-Testzentren in Köln, Euskirchen, im Rhein-Kreis Neuss sowie im Rhein-Erft-Kreis betrieb, rechnete massenhaft Corona-Tests ab, die es nie gab. Mit einem falschen Doktortitel konnte der Betrüger, der gar keinen Hochschulabschluss hatte, als angeblicher Mediziner sogar besonders teure Leistungen abrechnen. Der Staatskasse soll der Mann, der zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, einen Schaden in Höhe von mindestens 5,8 Millionen Euro verursacht haben.
Ein Richter warf ihm bei der Urteilsbegründung vor die „pandemische Notlage“ ausgenutzt und seine eigenen Interessen über die der Gesellschaft gestellt zu haben. Damit war dieser Beschuldigte allerdings nicht allein. Manche Testzentren wurden zu Goldgruben für Steuerbetrüger.
Sicherheitskonferenz Ruhr entdeckt deutliche Hinweise auf Steuerbetrug
Die „Sicherheitskonferenz (Siko) Ruhr“, die 2020 im Rahmen der „Ruhrkonferenz“ gegründet worden war, um den Kampf gegen Clan-Kriminalität zu intensivieren, hat die Steuerfahndung in Bochum und Essen mit Daten zu Corona-Testzentren versorgt, bei denen es deutliche Hinweise auf Steuerbetrug gab.
Laut NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) hat es sich gelohnt, an dieser Stelle genau hinzusehen: Unterm Strich sei es gelungen, 74 Millionen Euro nicht gezahlte Steuern einzutreiben. „74 Millionen Euro, die die Täter an den Fiskus abgeben müssen, tun ihnen weh. Unser Rechtsstaat hat hier gezeigt, wie durchsetzungsstark er ist“, sagte Optendrenk dieser Redaktion.
Die Sicherheitskonferenz (Siko) Ruhr
Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte zusammen mit Vertretern der Ruhrgebietsstädte und der Bundespolizei im Juni 2020 einen Vertrag zur „Sicherheitskooperation Ruhr zur Bekämpfung der Clankriminalität“ („SiKo Ruhr“) unterzeichnet. In diesem „deutschlandweit einmaligen Projekt“ würden die Schreibtische zusammengeschoben, „um kriminellen Clans in der Metropolregion Ruhr das Wasser abzugraben und neue Ansätze zu finden“, so Reul.
Die behördenübergreifende Dienststelle hat ihren Sitz bisher in Essen. Sie besteht aus Vertretern von Landespolizei, Revierstädten, Zoll und Bundespolizei.
Das Projekt ist ein Teil der so genannten Ruhr-Konferenz der Landesregierung.
Einige Spuren führten dabei offenbar auch ins Clan-Milieu. Es sei „durchaus typisch“ für kriminelle Gruppierungen, eine schwierige Zeit wie die Corona-Pandemie zu nutzen, um neue Geschäftsfelder für sich zu erschließen. Das schließe die kriminellen Clans im Ruhrgebiet mit ein, so Optendrenk.
Sechsstellige Summen eingenommen, und der Staat wusste nichts vom Testzentrum
In manchen Fällen hätten Unternehmer Corona-Testzentren gegründet und damit sechsstellige Summen in kürzester Zeit erwirtschaftet, ohne dass deren Betrieb der Finanzverwaltung gegenüber überhaupt angegeben worden sei. Die Steuerfahnder im Ruhrgebiet richteten daraufhin ein „Sammelauskunftsersuchen“ zu den Testzentren-Betreibern an die Gesundheitsämter und überprüfte die Daten anschließend systematisch.
Wie groß der Schaden tatsächlich ist, den betrügerische Testzentren-Betreiber angerichtet haben, ist erst in Ansätzen sichtbar. Das Deutsche Steuerzahlerinstitut, das zum Bund der Steuerzahler gehört, schätzt, dass den Teststellenbetreibern in Deutschland bis zu zwei Milliarden Euro zu Unrecht erstattet worden seien.
Deutsches Steuerzahlerinstitut vermutet Schäden in Milliardenhöhe
„Testzentren schossen wie Pilze aus dem Boden. Das unkomplizierte Abrechnungsverfahren hat sich jedoch als höchst betrugsanfällig erwiesen“, erklärte das Institut im Sommer und kritisierte den Bund: Das Bundesfinanzministerium schiebe einen Teil seiner Verantwortung für die Ermittlungen an die Bundesländer ab.
„Statt Verantwortung abzuschieben, sollte das Gesundheitsministerium dafür sorgen, dass das Robert-Koch-Institut (RKI) alle verfügbaren Abrechnungsdaten einschließlich der Metadaten erhält. Dann könnte das RKI Plausibilitätsprüfungen vornehmen und den Strafverfolgungsbehörden der Länder belastbare Betrugsindizien liefern“, schlagen die Fachleute des Steuerzahlerinstitutes vor.
Neues Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität
Laut Marcus Optendrenk dürfte der Kampf gegen die Clankriminalität in Finanzangelegenheiten in NRW bald weiter forciert werden. Die „Siko Ruhr“ werde in Kürze am neuen Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) angesiedelt, das Anfang 2025 an den Start gehen soll. Davon würden später Finanzbehörden in ganz NRW profitieren können, nicht nur die im Ruhrgebiet.