Düsseldorf.. Banker, die Steuern gestohlen haben, stellen schon Sekt kalt: Die Ampel macht ihnen ein Geschenk. Nur der Bundesrat könnte es stoppen.
Der Bundesrat beschäftigt sich am Freitag mit dem „Bürokratieentlastungsgesetz, Teil vier“. Hört sich sperrig an, aber für Bankerinnen und Banker, die mit fiesen Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäften Steuern geraubt haben, könnte dieses Gesetz zur großen Bescherung werden. Geht es durch die Länderkammer, dürfen sie Dokumente, die sie belasten könnten, bald noch früher als bisher aus ihren Daten löschen oder in den Schredder stecken.
Belege könnten schon nach acht statt nach zehn Jahren vernichtet werden
Es heißt, viele Abgeordnete von SPD und Grünen hätten gar nicht recht begriffen, was für ein faules Ei in dem Gesetz liegt, das Ende September im Bundestag verabschiedet und vom FDP-geführten Bundesfinanzministerium geschrieben wurde. Denn es geht dort nicht nur um das Ende der Meldezettel in Hotels für deutsche Staatsbürger oder um digitale Arbeitsverträge, sondern um eine Art vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für unehrliche Finanzinstitute, das jeden ehrlichen Steuerzahler entsetzen dürfte: Statt, wie bisher, nach zehn Jahren, sollen Unternehmen Buchungsbelege und Quittungen schon nach acht Jahren vernichten dürfen.
Brisant ist das, weil es auch für Banken und andere Geldinstitute gelten soll. Die Folge: Staatsanwaltschaften, die jetzt schon viel Mühe damit haben, Cum-Ex- und Cum-Cum-Steuerdelikte zu ermitteln, hätten künftig wohl noch mehr Probleme als bisher mit der Beweissicherung. In letzter Minute haben SPD und Grüne einen Aufschub ins Gesetz verhandelt: Für Finanzinstitute soll die neue Regel erst in einem Jahr greifen. Aber aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.
Anne Brorhilker: „Entlastet werden nur die, die etwas zu verbergen haben“
Anne Brorhilker, die einst in der Staatsanwaltschaft Köln Deutschlands zu bekanntester Cum-Ex-Ermittlerin wurde und inzwischen an der Spitze des gemeinnützigen Vereins „Finanzwende“ steht, ist entsetzt und hofft darauf, dass der Bundesrat am Freitag die Notbremse zieht und das Gesetz mindestens in den Vermittlungsausschuss schickt. „Die geplante Verkürzung der Aufbewahrungsfristen wird der Öffentlichkeit als Bürokratieabbau und Kosteneinsparung verkauft. Schaut man genau hin, sieht man, dass das Gesetz die Unternehmen nur marginal belastet, aber massiv die Aufklärungsarbeit der Behörden bei Steuerdelikten erschwert“, sagte Brorhilker dieser Redaktion. „Wirklich entlastet würden mit diesem Bürokratieentlastungsgesetz nur die, die etwas zu verbergen haben, nicht die ehrlichen Unternehmen.“
NRW protestiert ebenfalls gegen die „Entlastungs“-Pläne der Ampel
Gerade die Ermittlung von Cum-Cum-Delikten (siehe Infokasten) würde noch schwieriger werden, warnt die frühere Oberstaatsanwältin. „Denn diese Ermittlungen stehen noch am Anfang. Es wurden bisher nur 200 Millionen Euro zurückgeholt, der geschätzte Gesamtschaden liegt aber bei 28,5 Milliarden Euro.“ Sollten die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen tatsächlich heruntergesetzt werden, werde es dem Staat nicht gelingen, einen nennenswerten Teil des ihm durch Betrug entzogenen Geldes zurückzuholen. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, die finanziell nicht auf Rosen gebettet seien, schnitten sich ins eigene Fleisch, sollte das Gesetz auch den Bundesrat passieren. Schließlich gehe es auch um ihr Steuergeld, erklärt die Juristin.
Cum-Cum-Geschäfte
Cum-Ex-Geschäfte sind Aktiendeals, bei denen der Staat um Milliarden betrogen wurde, indem einmal gezahlte Kapitalertragsteuern mehrfach zurückerstattet wurden. Ziel der Cum-Cum-Geschäfte dagegen ist die Rückerstattung der Kapitalertragssteuer speziell für ausländische Aktienbesitzer. Sie übertragen ihre Aktien vorübergehend an eine deutsche Bank, die sich die Kapitalertragsteuer auf Dividenden erstatten lassen darf. Die Steuererstattung kommt anschließend den ausländischen Aktienbesitzern zugute. Laut „Finanzwende“ beläuft sich bei Cum-Ex-Geschäften der Steuerraub nach aktuellen Schätzungen allein in Deutschland auf mindestens 10 Milliarden Euro, der von Cum-Cum-Geschäften auf mindestens 28 Milliarden Euro.
Der Staat hat schon wichtige Weichen gestellt, um professionellen Steuerdieben das Handwerk zu legen: Die strafrechtliche Verjährungsfrist für Steuerdelikte wurde im Jahr 2020 vor dem Hintergrund der Cum Ex-Ermittlungen von zehn auf 15 Jahre hochgesetzt. Vorher waren Verjährungs- und Aufbewahrungsfristen gleich lang. „2020 hätten eigentlich auch die Aufbewahrungsfristen hochgesetzt werden müssen. Das wurde leider versäumt. Sie nun aber von zehn auf acht Jahre herunterzusetzen, ist regelrecht absurd“, meint Brorhilker.
In ihrem Kampf gegen das umstrittene Gesetz haben Brorhilker und ihre Mitstreiter bei „Finanzwende“ Unterstützung aus NRW. Landesfinanzminister Marcus Optendrenk (CDU) wirft der Ampel in Berlin ebenfalls vor, zum Steuerbetrugshelfer zu werden. Gegenüber der „Rheinischen Post“, sagte er, die geplante Reduzierung der Aufbewahrungsfristen von zehn auf acht Jahre sei „ein schwerwiegender Fehler“. Wichtige Dokumente zur Aufklärung schwerer Steuervergehen dürften nicht vorzeitig vernichtet werden.
Vorschlag: Aufbewahrungsfrist auf 15 Jahre anheben, nicht auf acht Jahre senken
Anne Brorhilker plädiert dafür, in einem ersten Schritt aus dem Aufschub um ein Jahr eine generelle Ausnahmeregelung für Finanzinstitute bei den Aufbewahrungsfristen zu machen. Für sie würde dann die Herabsetzung der Aufbewahrungsfrist von zehn auf acht Jahre dauerhaft nicht gelten. „In einem zweiten Schritt sollte diese Aufbewahrungsfrist auf 15 Jahre angehoben werden, parallel zu der Verjährungsfrist von 15 Jahren für schwere Steuerhinterziehung.“
Die Bundesregierung verspricht eine erhebliche Entlastung durch das Gesetz
Die Bundesregierung begründet das Bürokratieentlastungsgesetz 4 so: „Ziel ist es, Abläufe und Regeln zu vereinfachen und der Wirtschaft, insbesondere Selbstständigen, Unternehmerinnen und Unternehmern, mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben zu schaffen. Mit dem ressortübergreifenden Vorhaben sollen administrative Abläufe in Deutschland vereinfacht und die Wirtschaft in Höhe von rund 944 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden.“
Ein wesentlicher Entlastungsbeitrag sei, dass die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre verkürzt würden. „Damit reduzieren sich die Kosten für das sichere Verwahren, weil beispielsweise keine zusätzlichen Räume für die Lagerung der Unterlagen angemietet werden müssen. Auch Kosten, die die elektronische Speicherung verursachen, werden mit den verkürzten Fristen reduziert. Allein für diesen Punkt rechnet die Bundesregierung mit einer jährlichen Entlastung von rund 626 Millionen Euro.“