Hamburg/Essen. Der Hamburger Untersuchungsausschuss zur Rolle von Olaf Scholz bei Cum-ex streitet um Laptops aus NRW – dabei wird es bisweilen laut.
Der Untersuchungsausschuss zur Cum-ex-Affäre von Olaf Scholz in Hamburg streitet weiter um zwei Laptops aus NRW. Die Koalition aus SPD und Grünen in Hamburg will den Oppositionsabgeordneten den Einblick in die heiklen Daten verweigern, die CDU droht mit Klage – und eine Stellungnahme des SPD-Ausschussvorsitzenden wirft neue Fragen auf, ob der Einfluss der SPD in dem Ausschuss nicht zu groß ist.
Ausgelöst hatte die Debatte ein Bericht der WAZ und des Magazins „Stern“ vor drei Wochen: Der von der SPD benannte Chefermittler des Ausschusses hatte die beiden Laptops mit mehr als 700.000 brisanten Mails ohne Rücksprache mit der Opposition aus dem eigens gesicherten Aktenbereich des Ausschusses entfernt und in sein Büro eingeschlossen. Die Opposition schäumte.
Laptops mit heiklen Cum-ex-Daten
Auf den beiden Laptops aus NRW sind jeweils mehr als 700.000 Mails gespeichert, unter anderem aus den elektronischen Postfächern von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), zahlreichen hochrangigen Hamburger Beamten und der langjährigen Büroleiterin von Olaf Scholz. Die Postfächer hatte die Staatsanwaltschaft Köln beschlagnahmt im Rahmen der Ermittlungen gegen eine Hamburger Finanzbeamtin und zwei ehemalige hochrangige SPD-Politiker aus der Stadt. Anfang Oktober waren sie von NRW nach Hamburg geschickt worden, damit der dortige Parlamentarische Untersuchungsausschuss sie auswerten kann.
Nun geht der Streit in die nächste Runde: Am heutigen Freitag will der Ausschuss in einer Sondersitzung über den „Umgang mit Laptops und Asservaten“ debattieren. Die rot-grüne Mehrheit im Ausschuss möchte verhindern, dass Ausschussmitglieder Einblick in die Mails bekommen. Stattdessen soll der SPD-Chefaufklärer drei Mitarbeiter benennen, die aus dem Konvolut von E-Mails jene herausfiltern und vorsortieren sollen, die sich dann auch die Abgeordneten anschauen dürfen.
Dagegen gibt es aus der Opposition Widerstand: Die Abgeordneten bestehen darauf, selbst in die Rechner schauen zu können. „Es ist unsere verfassungsgemäße Aufgabe, die Sichtung auch selbst vorzunehmen“, sagte CDU-Obmann Richard Seelmaecker der WAZ und dem Stern. „Wenn uns das von der rot-grünen Mehrheit verwehrt wird, werde ich klagen.“ Auch der Linken-Obmann Norbert Hackbusch erklärte, er könne sich vorstellen, einer solchen Klage beizutreten.
Verhalten der SPD im Cum-ex-Ausschuss rückt in den Fokus
Wenige Tage bevor der Ausschuss in der kommenden Woche einen Zwischenbericht vorlegen will, wird die Stimmung also zunehmend hitzig – zwischen den Abgeordneten, aber auch im Arbeitsstab, der den Parlamentariern zuarbeitet.
Mit der Debatte um die Laptops rückt das Verhalten der SPD im Ausschuss in den Fokus. Obwohl in die Affäre zahlreiche aktive und ehemalige Hamburger SPD-Politiker verwickelt sind, stellt die SPD aufgrund der Regeln für Untersuchungsausschüsse in Hamburg sowohl den Ausschussvorsitzenden als auch den Leiter und den Stellvertreter des Arbeitsstabs, der für die Abgeordneten viele Ermittlungsaufgaben übernimmt oder vorbereitet.
Die Cum-ex-Affäre
Warum verzichtete das Finanzamt in Hamburg 2016 zunächst darauf, eine Millionen-Beute aus mutmaßlichen Cum-ex-Geschäften von der Hamburger Privatbank M.M. Warburg zurückzufordern? Mit dieser Frage beschäftigen sich seit mehreren Jahren sowohl die Staatsanwaltschaft Köln als auch ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft.
In Hamburg steht die Rolle des heutigen Bundeskanzlers und damaligen Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) im Fokus, der sich mehrfach mit den Bankiers traf und über das Verfahren sprach, kurz bevor das Finanzverwaltung die umstrittene Entscheidung traf.
Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen zwei ehemalige hochrangige SPD-Politiker, die sich für die Bank politisch einsetzten: den ehemaligen Zweiten Bürgermeister Alfons Pawelczyk und den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Pawelczyk kassierte für seine Lobbyarbeit knapp 60.000 Euro von der Bank. Kahrs organisierte Spenden in Höhe von 45.500 Euro aus dem Umfeld der Bank.
Der Vorsitzende des Ausschusses, der Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Mathias Petersen, hat nun in einer Stellungnahme eingeräumt, den von der SPD berufenen Leiter des Arbeitsstabs ohne Rücksprache mit den Oppositionsvertretern angewiesen zu haben, die beiden Geräte aus dem eigentlich für heikle Akten vorgesehenen Aktenraum zu entfernen. Der Parteifreund habe die Laptops anschließend knapp drei Wochen in einem Schrank in seinem Büro gelagert, erklärte Petersen.
Der Ablauf zeigt, wie stark der Einfluss der SPD im Ausschuss ist: Nach monatelangem Streit mit der Justiz in NRW konnten die Mitarbeiter der Abgeordneten erstmals am Freitag, den 13. Oktober, die Mails auf den Laptops anschauen. SPD-Obmann Milan Pein beschwerte sich noch an diesem Tag bei seinem Parteifreund Petersen, in den Postfächern befänden sich Mails ohne Bezug zum Untersuchungsauftrag. Es handele sich um vertrauliche politische Korrespondenz, es seien persönliche Daten betroffen. Die Einsichtnahme sei rechtswidrig, möglicherweise sogar strafbar.
Petersen räumt nun ein, noch am Abend des 13. Oktober den Arbeitsstableiter Steffen Jänicke, ebenfalls SPD-Mitglied, angewiesen zu haben, die Laptops an sich zu nehmen. Erst drei Tage später habe er die Obleute der Parteien über die Datenschutzbedenken informiert. Gemeinsam mit der Opposition sei dann beschlossen worden, Mitarbeitern und Abgeordneten vorerst keinen Zugang mehr zu den Laptops zu gewähren. Zunächst sollte ein Gutachten von Jänicke und zwei weiteren Mitarbeitern des Arbeitsstabs erstellt werden, wie die Daten genutzt werden können.
Mitarbeiter wunderten sich über Verbleib der Laptops
Petersen und Jänicke informierten die Abgeordneten und die Arbeitsstabmitarbeiter allerdings nicht darüber, dass die Laptops nun nicht mehr im Tresor lagerten. Erst später bemerkten Mitarbeiter des Arbeitsstabs und Abgeordnete, dass die Geräte nicht mehr an ihrem Platz waren. Auch auf Nachfragen erhielten die Abgeordneten und die Mitarbeiter keine Informationen dazu. So hatte sich etwa CDU-Obmann Richard Seelmaecker beim Arbeitsstableiter Jänicke erkundigt, wo die Laptops konkret seien, allerdings nur die vage Information erhalten, sie befänden sich an einem sicheren Ort.
Darüber empörten sich vor drei Wochen die Oppositionspolitiker in der WAZ: „Die Laptops wurden ohne Rücksprache aus dem Safe entfernt. Wir wissen nicht, ob sie zwischenzeitlich manipuliert oder ausgelesen wurden“, erklärte Seelmaecker. „Wir sind höchst verwundert über diesen Umgang mit den sensiblen Daten“, sagte Linken-Obmann Hackbusch.
Noch am Tag der Veröffentlichung keilte Ausschusschef Mathias Petersen öffentlich zurück: Er sprach gegenüber der Nachrichtenagentur dpa von „völligem Blödsinn“ und einem „Sturm im Wasserglas“. In einer Sitzung der Obleute am gleichen Tag wurde es laut, nach übereinstimmenden Berichten von Teilnehmern brüllte SPD-Obmann Pein die Oppositionsabgeordneten an. Er reagierte auf eine Anfrage nicht.
SPD-Mann Petersen räumt in seiner Stellungnahme nun ein, die Obleute erst nach der Berichterstattung über den Verbleib der Laptops unterrichtet zu haben. Er betont allerdings, dass der abschließbare Schrank im Büro des Arbeitsstableiters ausreichend sicher sei, um die Laptops unterzubringen. Auch gegenüber dem Justizministerium in NRW hatte der Ausschuss erklärt, der Laptop sei in einem als „Verwahrgelass“ definierten Raum untergebracht. Daran gibt es allerdings Zweifel selbst unter den Mitarbeitern des Arbeitsstabs.
Cum-ex-Debatte im Bundestag: „Palermo an der Alster“
Unterdessen erreicht die Debatte um die Laptops auch die Bundespolitik: In der vergangenen Woche debattierte der Bundestag in einer Aktuellen Stunde über die Vorgänge. Scharfe Worte gab es vor allem aus der Union.
„Palermo liegt tatsächlich an der Alster“, polemisierte die CDU-Abgeordnete Mechthilde Wittmann: Und zur Häufung von SPD-Männern in Schlüsselpositionen des Ausschusses sagte sie: „Da ist nicht der Bock, sondern da sind gleich viele Böcke zum Gärtner gemacht worden.“
Kritik gab es auch aus Reihen der Ampel. Die Beteiligten in Hamburg hätten „sich selbst und der Politik einen Bärendienst erwiesen“, als sie die Laptops eigenmächtig an sich nahmen, sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP, Markus Herbrand. Selbst wenn alles rechtlich und verwaltungstechnisch korrekt verlaufen sein sollte, bleibe ein „verheerender Eindruck“. Es stehe außer Frage, dass „nur durch eine objektive Prüfung von außen versucht werden kann, verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen.“
Die CDU fühlt sich durch die Vorgänge darin bestätigt, die Cum-ex-Affäre von Olaf Scholz auch im Bundestag mit einem Untersuchungsausschuss zu beleuchten. „Die Vorgänge um das Verschwinden der Laptops zeigen, dass der SPD alle Mittel recht sind, um die Aufklärung zu behindern“, sagte der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer der WAZ und dem Stern.
Die Union hatte im April einen Untersuchungsausschuss beantragt, aber die Ampel hat die Umsetzung bislang verhindert. Die Union hat deswegen Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.