Berlin. Die Spitze der Jugendorganisation tritt aus der Partei aus. Vergiftetes Lob für die „Klassenkämpfer“ kommt von einem Querulanten.
Sie verstanden es stetig, die eigene Parteispitze vor sich herzutreiben. Und so schien der eine oder andere Beschluss der Grünen an der Nachwuchsorganisation zu scheitern. Nun versetzt die Grüne Jugend die eigene Partei erneut in Aufruhr. Der zehnköpfige Vorstand um Svenja Appuhn und Katharina Stolla will nicht erneut kandidieren und zudem geschlossen die Partei verlassen.
Das geht aus einem internen Brief an die Partei- und Fraktionsführung hervor. Der Austritt sei allerdings keine Reaktion auf den Rückzug des Parteivorstandes um Omid Nouripour und Ricarda Lang, erklärte Stolla gegenüber unserer Redaktion. Die Entscheidung, auch die Partei zu verlassen, sei bereits „in den letzten Wochen“ getroffen worden, zitiert der „Spiegel“ aus einem Brief der Grünen Jugend an die noch amtierende Parteispitze.
Auch interessant
Grüne Jugend verlässt Partei: Zweiter Paukeschlag nach Lang und Nouripour
„Wir haben in den letzten Jahren immer wieder erlebt, dass die Grünen nicht dazu bereit sind, sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen“, schreibt die ehemalige Spitze der Jugendorganisation in einem Statement. Man habe sich deshalb für den Schritt entschieden, die Grünen und die Jugendorganisation zu verlassen.
Der Vorstand werde seine Amtsgeschäfte bis zum Bundeskongress der Grünen Jugend vom 18. bis 20. Oktober in Leipzig gewissenhaft zu Ende führen, die Wahl des neuen Bundesvorstands ermöglichen und danach auch aus der Grünen Jugend austreten. „Wir werden uns danach aufmachen, einen neuen, dezidiert linken Jugendverband zu gründen“, so die zehn Vorstandsmitglieder in dem Brief.
Unter dem Slogan „Zeit für was Neues“ werben die jungen Aussteigerinnen und Aussteiger, zu denen auch die frühere Bundesvorsitzende der Grünen Jugend, Sarah Lee Heinrich, gehört, für ihr neues Projekt. In ihrer Austrittserklärung heißt es: „Wir wollen dazu beitragen, dass es bald eine starke linke Partei in Deutschland geben kann.“
Am Mittwochmorgen hatte der Bundesvorstand um die beiden Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour bekanntgegeben, von ihren Posten zurücktreten zu wollen. Die beiden bleiben allerdings noch bis zum Parteitag im November in ihrer Funktion tätig. Lang und Nouripour ziehen damit Konsequenzen aus den drei verlorenen Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.
Ex-Grünen-Politiker begrüßt den Schritt
Lob für die Entscheidung kommt ausgerechnet von einem Politiker, der den Grünen ebenfalls den Rücken gekehrt hat – wenn auch aus gegensätzlichen Motiven: „Wer Politik gegen die Wirtschaft und mit Marx‘ Theorien machen will, ist bei einer grünen Partei einfach völlig falsch aufgehoben“, so Boris Palmer auf Facebook. Der Tübinger Oberbürgermeister war immer wieder mit den Grünen aneinandergeraten, unter anderem weil er öffentlich das „N-Wort“ ausgesprochen hatte.
Eigentlich hätte er sich nicht mehr zu Belangen der Partei äußern wollen, so der Oberbürgermeister. Die Grünen hätten allerdings im letzten Jahr „eine feindliche Übernahme“ erlebt. Die Klimafrage sei dringend und „duldet keinen Aufschub für den Klassenkampf“, so Palmer. „Deswegen ist es gut, wenn jugendliche Klassenkämpfer ein eigenes Projekt aufmachen und das grüne Projekt von ideologischem Ballast befreien.“ Der Oberbürgermeister unterstellt dem ehemaligen Jugendvorstand jugendlichen Leichtsinn: „Es sind kluge Leute, in 20 Jahren werden die meisten ihre Irrtümer erkennen.“
Grüne Jugend geht: Kommt Palmer zurück?
Fast zeitgleich mit dem Abgang der Grünen Jugend-Spitze mehren sich die Spekulationen, ob sich der umstrittene OB wieder seiner Partei zuwendet. Er möchte mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann über eine mögliche Rückkehr reden. Am Vortag hatte der baden-württembergische Ministerpräsident gesagt, dass er er sich dessen Rückkehr wünsche. „Es wäre schön, wenn er wieder zurückkehrt“, sagte der Grünen-Politiker bei der Aufzeichnung des Podcasts „Alles gesagt?“ der Wochenzeitung „Die Zeit“. Auf Nachfrage sagte Palmer der Deutschen Presse-Agentur: „Bevor ich dazu etwas öffentlich sage, möchte ich mit Kretschmann in Ruhe sprechen.“
Dabei ist der Ex-Grüne nicht der einzige, der den Parteiaustritt der Jugendorganisation begrüßt. Auch amtierende Grünen-Politiker melden sich zu Wort: Die Spitze des Parteinachwuchses sei „nicht realitätstauglich“, sagte Renate Künast im RBB-Inforadio. „Da wundere ich mich nicht drüber und da weine ich jetzt auch nicht“, so die Bundestagsabgeordnete.