Berlin. USA warnen vor Spionage durch manipulierte Technik in chinesischen E-Autos. Die Sorge ist berechtigt. Deutschland muss jetzt handeln.
Der Fahrer des Jeeps ist gerade mit mehr als 100 Stundenkilometern in der Innenstadt der amerikanischen Metropole St. Louis unterwegs, als die Angreifer das Kommando über sein Auto übernehmen. Erst bläst die Klimaanlage, dann springt das Radio an, dann die Scheibenwischer. Hacker sind in das digitale Rechenzentrum des Wagens eingedrungen. Dafür mussten sie nicht einmal mit im Auto sitzen – alles lief ferngesteuert, vom Computerbildschirm zu Hause.
Der Fall sorgte schon vor Jahren für Schlagzeilen: Die Elektronik eines Autos wurde von Hackern gekapert. In dem Fall soll der Fahrer vorher gewusst haben, was passiert. Doch macht der Fall deutlich, wie verwundbar Technologien unseres Alltags sind.
Autos sind immer digitaler geworden – das birgt Gefahren
Kameras, Fahrassistenten und Entertainment-Programme sind heute fast Standards in Neuwagen. Doch auch Bremsen, Motor und Antriebssysteme hängen an digitalen Steuerungssystemen. Mehrere Speicherkarten stecken in modernen Autos, Dutzende Chips verbaut – Gigabyte sind heute mindestens so wichtig wie Pferdestärken. „Smart car“ ist das Schlagwort.
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Doch was uns den Alltag am Steuer erleichtern soll, birgt Gefahren. Mit Kameras lässt sich spionieren, mit Daten aus der Bordtechnik lassen sich Bewegungsprofile erstellen. Und mittels „Zero Day Exploits“ (Schwachstellen in Soft- oder Hardware) manipulierte Fahrzeuge können zu Waffen werden.
Es gibt auch ein starkes ökonomisches Interesse hinter dem Bann
Das Risiko steigt, wenn die Bauteile schwer zu kontrollieren sind. Der chinesische Staatskapitalismus erobert mit günstigen Produkten und bestechender Technik den europäischen und amerikanischen Markt, das gilt nicht nur für die Automobilbranche. Die Sicherheitsbehörden aber blicken mit Sorge auf die Importe. Denn China ist bekannt für offensive Spionage – auch mittels moderner Technik.
Die US-Regierung ergreift nun einen gewaltigen Schritt. Kraftfahrzeuge mit eingebauter chinesischer oder russischer IT-Technik will die USA vom Markt ausschließen. Die US-Behörden sprechen von einer „ernsthaften Gefahr für die nationale Sicherheit“.
Nun hat die USA auch ein ökonomisches Interesse, die chinesische Konkurrenz vom Markt fernzuhalten. Und doch ist die Vorsicht angebracht. IT-Technik ist längst zur Waffe in Zeiten hybrider Kriegsführung geworden – nicht nur durch China, sondern auch durch Russland. Und auch die Amerikaner wissen aus eigener Erfahrung, wie weit Sabotage und Spionage auch zum Instrument von „Technologiekriegen“ werden. Jüngst hat Israel Tausende Pager, also kleine Funkmeldeempfänger, manipuliert und zeitgleich zur Detonation gebracht. Je technisierter unser Leben zwischen Arbeit, Alltag und Autobahn ist, desto größer wird die Angriffsfläche, die moderne Gesellschaften ihren Feinden bieten.
Bei der verbauten Technik herrscht Wildwuchs
Deutschland hat die Gefahr des Cyberkrieges lange verschlafen. Viele Hackerattacken mussten passieren, bis die Sicherheitsbehörden vernünftig auf diese Angriffsszenarien reagieren konnten. Bundesämter wie der Verfassungsschutz können über die Gefahren aufklären – doch umsetzen müssen sie die Unternehmen und Branchen selbst. Die Automobilwirtschaft hat sich ein aufwendiges Zertifizierungssystem auferlegt, das hilft und minimiert Risiken. Zugleich herrscht noch immer Wildwuchs bei der verbauten Technik. Hier müssen die Konzerne nachbessern.
Kriege führen Staaten noch immer mit Armeen und Panzern. Russlands Angriffskrieg in der Ukraine stellt das unter Beweis. Und doch geht der Front auf dem Schlachtfeld oft ein digitaler Feldzug voraus – mit Spionage und Sabotage etwa der kritischen Infrastruktur wie Kraftwerke oder Kasernen.
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