Berlin. Tausende Pager explodieren zur selben Zeit. Hinter der Sabotage im Libanon wird Israel vermutet. Die Theorien zum möglichen Racheplan.

Für Mike DiMino ist es „Geheimdienstarbeit vom Feinsten“: die gleichzeitige Explosion von Tausenden Pagern am Dienstag im Libanon. Die Vorbereitung habe wahrscheinlich Monate gedauert, vermutet der frühere CIA-Mann auf X.

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Wer ist der Nutznießer der Attacke auf die Hisbollah? Und wer wäre zu so einem aufwendigen Angriff fähig? Die Antwortet lautet jeweils: Israels Geheimdienst Mossad.

Lesen Sie auch: Im Visier des Mossad: Die lange Liste der gezielten Tötungen

Pager-Explosionen: Rache für einen Mordplan?

Ob sich der Urheber der Attacke jemals dazu bekennen wird? Wohl kaum. Als Motiv wird in Expertenkreisen Vergeltung für einen Mordplan gegen einen ehemaligen hochrangigen israelischen Sicherheitsbeamten vermutet. Auffallend ist, dass dieser Plan kurz zuvor vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet aufgedeckt und veröffentlich worden war.

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Die schätzungsweise 3000 Geräte explodierten alle zur selben Zeit, gegen 15.30 Uhr Ortszeit, vor allem in Hochburgen der Hisbollah. Die Pager empfingen eine Nachricht, die aussah, als käme sie von der Führung der Hisbollah. Eine bittere Realität ist allerdings, dass nicht nur Hisbollah-Kämpfer oder Funktionäre verletzt oder gar getötet wurden.

Der Aktion, bei der Hunderte Menschen verletzt und mindestens neun getötet wurden, fielen auch Zivilisten zum Opfer. Es waren mitunter Menschen darunter, die zum Teil in ganz alltäglichen Situationen wie beim Einkauf schlicht in der Nähe waren, als die Geräte explodierten. Nach Informationen des US-Nachrichtenportals „Axios“ legten die Explosionen aber auch einen wesentlichen Teil des militärischen Kommando- und Kontrollsystems der Hisbollah lahm.

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Die Hisbollah verzichtet auf Handys. Sie nutzt lieber Pager, weil sie eine eigene Funkfrequenz haben, und das Risiko für gering hielt, dass sie blockiert oder abgehört werden. Sie fühlte sich so sicherer. Ein Trugschluss.

Es gibt zwei Theorien über den Ablauf. Nach einer Lesart wurden die Geräte manipuliert, um die jeweilige Lithiumbatterie aus der Ferne kurzzuschließen. Binnen Sekunden könne sie sich extrem erwärmen und so eine Hitze entwickeln, die der Explosion von sieben Gramm TNT entspreche.

Der Cyberexperte Lukas Olejnik, derzeit Gastwissenschaftler am King’s College in London, hält eine chemische Reaktion der Akkus für abwegig: „Die würden nicht explodieren.“ Er kann sich die verheerende Wirkung nur damit erklären, dass die Pager mit einem hochexplosiven Sprengstoff präpariert worden sind.

Pager mit Sprengstoff präpariert

Auch der deutsche Sicherheitsexperte Peter R. Neumann geht davon aus, dass die Pager einen kleinen Sprengsatz enthielten. Das wäre der wesentlich aufwendigere Ansatz und mehr als ein koordinierter Cyberangriff. Es würde voraussetzen, dass der Urheber bereits bei der Produktion der Pager Zugriff auf die Geräte hatte.

Eskalation im Libanon: 2750 Verletzte bei Explosionen

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    Die Gelegenheit dazu bot sich. Denn aus dem Umfeld der Hisbollah erfuhr die Nachrichtenagentur AFP, dass die explodierten Pager erst kürzlich importiert worden waren. Sie waren bei Gold Apollo in Taiwan bestellt worden. Das Unternehmen bestreitet allerdings, etwas mit den Explosionen im Libanon zu tun zu haben. Gold Apollo verweist stattdessen auf ein Partnerunternehmen in Ungarn. Man habe eine „langfristige Partnerschaft“ mit der in Budapest ansässigen BAC Consulting KFT aufgebaut, um seine Marke zu verwenden, erklärte Gold Apollo am Mittwoch. Das in den Medienberichten erwähnte Modell werde „von BAC hergestellt und verkauft“.

    Medienbericht: Rund 3000 Pager bestellt

    Das ungarische Unternehmen schweigt bislang zu den Vorkommnissen. Ihre Budapester Zentrale war für eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht erreichbar. Zudem konnte die noch bis zum Vormittag funktionierende Homepage dieser Firma nicht mehr geöffnet werden. Wie die ungarische Internet-Zeitung „24.hu“ berichtete, existiert diese Firma laut ungarischem Firmenregister seit dem Jahr 2022. Sie befasst sich demnach offiziell mit Beratung. 

    Der „New York Times“ zufolge wurden etwa 3000 Pager bei Gold Apollo bestellt, hauptsächlich das Modell AR924. Offensichtlich wurden sie zuvor „an der Quelle sabotiert“. Die „New York Times“ will in Sicherheitskreisen erfahren haben, dass der israelische Geheimdienst eine Lieferung von rund 1000 Geräten abgefangen habe, um jeweils etwa 30 bis 60 Gramm Sprengstoff neben der Batterie zu implantieren. Außerdem soll dem Bericht zufolge ein Schalter verbaut worden sein, der aus der Ferne ausgelöst werden könne, um den Sprengstoff zu zünden.

    Großes Sicherheitsleck der Miliz

    Der in Brüssel ansässige Militär- und Sicherheitsexperte Elijah Magnier geht davon aus, dass der israelische Geheimdienst „den Produktionsprozess infiltriert“ hat. Mehr noch: Es könnte sich beim Hersteller sogar um ein Unternehmen gehandelt haben, das der israelische Geheimdienst eigens dafür aufgebaut habe.

    Der raffinierte Plan traf die Hisbollah kalt und unerwartet, weit hinter den Frontlinien. In den letzten Monaten hat Israel bei Luftangriffen im Libanon und einmal sogar im Iran bewiesen, dass es über genaue Informationen über den Aufenthaltsort von Hisbollah-Anführern verfügt. Ein von Reuters zitierter Hisbollah-Funktionär sagte, die Pager-Attacke sei „das größte Sicherheitsleck“ in der Miliz seither.

    Die Operation könnte sich rückblickend als noch raffinierter und anspruchsvoller erweisen als der Computervirus Stuxnet, mit dem 2010 das iranische Atomprogramm sabotiert wurde. Die Sorge ist jetzt groß, dass der Angriff im Libanon zu einem Gegenschlag führt und es zu einer militärischen Eskalation kommt. Aus dem bisherigen Schattenkrieg zwischen Israel und der Hisbollah könnte sich endgültig ein offener Krieg entwickeln.

    Lesen Sie dazu: „Niemand kann vorhersagen, wann die Hisbollah reagieren wird“