Washington. Trumps Anhänger wollen Harris‘ Kandidatur für ungültig erklären lassen. Ihr Vorstoß stützt sich auf ein 200 Jahre altes Gerichtsurteil.
Vor dem Hintergrund der zuletzt erfolgten Aufholjagd von Kamala Harris greifen verzweifelte Republikaner jetzt tief in die Trickkiste. Sie wollen die Gegnerin des republikanischen Spitzenkandidaten Donald Trump von einem Gericht disqualifizieren lassen. Eine prominente politische Organisation behauptet, dass die Vizepräsidentin sich nicht um das höchste Amt im Lande bewerben dürfe. Der Grund dafür: Zum Zeitpunkt ihrer Geburt im Jahre 1964 waren ihre Eltern – die aus Indien und Jamaika stammen – keine amerikanischen Staatsbürger.
Seit dem Ausstieg des amtierenden Präsidenten Joe Biden aus dem Rennen ums Weiße Haus und der Krönung von Harris als neue demokratische Spitzenkandidatin ist Trump ins Wanken geraten. Während er sich noch vor sechs Wochen siegessicher gab, ist der Unternehmer in Umfragen deutlich abgerutscht. Laut einer jüngsten Umfrage der „New York Times“ liegen die beiden Kontrahenten nahezu gleichauf. Trump kommt demnach auf 48 Prozent, Harris auf 47 Prozent. In wichtigen Swing States hat demnach allerdings Harris leicht die Nase vorn.
In der Defensive beweist Trump deshalb einiges an Einfallsreichtum. Bei mehreren Wahlkampfveranstaltungen hat er behauptet, dass ihre Kandidatur „undemokratisch“ und sogar „illegal“ sei. Das Argument dahinter: Die Vizepräsidentin habe nicht an den demokratischen Vorwahlen teilgenommen und daher keine einzige Delegiertenstimme bekommen. Dass ihr die Delegierten, die im Frühjahr als Ergebnis der Vorwahlen verpflichtet waren, für Biden zu stimmen, fielen ihr nun einfach in den Schoß.
Republikanischer Verband sieht einen Präzedenzfall in der Kolonialzeit
Nach Trumps Lesart verstößt dies gegen das Gesetz. Allerdings liegt er falsch. Denn Gesetze oder selbst parteiinterne Regeln für den Umgang mit einem Präzedenzfall wie in diesem Jahr gibt es nicht. Nun hat der Verband National Federation of Republican Assemblies NFRA nachgelegt und leistet Trump Schützenhilfe. Dabei stützt sich die erzkonservative Organisation auf ein Urteil des US-Verfassungsgerichts, das fast 170 Jahre alt ist.
Im Jahr 1846, also 15 Jahre vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs, hatte der Sklave Dred Scott im Südstaat Missouri eine Klage eingereicht, um seine Freiheit zu erlangen. Zuvor hatte er in dem nördlich gelegenen Staat, Wisconsin, wo Sklaverei bereits verboten war, als freier Mann gelebt. Es stehe keinem anderen Staat zu, ihm diese Freiheit wieder zu entziehen, argumentierte Scott. Der Richter entschied aber, dass er nicht dieselben Rechte wie ein US-Bürger genieße und wies seine Klage ab.
Der Grund: Obwohl Scott auf US-Staatsgebiet geboren wurde, genieße er als Sohn von Ausländern und zudem als Sklave nicht den Schutz der Gerichte. Scott legte Berufung ein, und der Fall ging schließlich bis zum Obersten Gerichtshof, der aber erst elf Jahre später, also im Jahr 1857, die Argumente des Gerichts in Missouri bestätigte und Scott seine Freiheit verweigerte. Rechtsexperten halten den Gerichtsentscheid für den mit Abstand schlechtesten in der Geschichte des Supreme Court.
„Das ist klarer Ausdruck der Verzweiflung seitens der Republikaner“
Die NFRA, deren prominenstestes Mitglied der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan war, versucht nun, einen großen Bogen aus der Ära der Sklaverei zur gegenwärtigen Politik zu schlagen. Denn in ihrem Geburtsjahr 1964 hatte der Vater von Harris nur die jamaikanische Staatsbürgerschaft und ihre Mutter nur die indische. Das disqualifiziert sie von einer Präsidentschaftskandidatur, schreibt die Organisation in einem Dokument, das als Grundlage für anstehende Gerichtsprozesse dienen könnte.
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„Wir sind der festen Überzeugung, dass die ‚Faux Demokratin‘ Kamala Harris aus verfassungsrechtlichen Gründen niemals das Präsidialamt ausüben darf und nicht einmal die Möglichkeit haben sollte, als Kandidatin anzutreten“, sagte NFRA-Präsident Alex Johnson. Die Vizepräsidentin selbst hat zu Versuchen, sie als Kandidatin aus dem Rennen schmeißen zu lassen, bislang keine Stellungnahme abgegeben. Ein Berater ihrer Präsidentschaftskampagne zeigte sich aber gelassen.
„Das ist ein klarer Ausdruck der Verzweiflung seitens der Republikaner“, sagte der Stratege, der nicht namentlich zitiert werden wollte. „ Wir haben aber sehr gute Anwälte, und die versichern uns, dass es nichts zu befürchten gibt.“ Unterdessen scheint Verbandspräsident Johnson entgangen zu sein, dass die Argumente seiner Organisation keineswegs wasserdicht sind.
Laut NFRA-Logik hätten mehrere Ex-US-Präsidenten nicht regieren dürfen
Wäre es nur Personen gestattet, sich um das höchste Amt im Lande zu bewerben, deren Eltern US-Bürger waren, hätten mehrere Präsidenten gar nicht ins Amt gewählt werden dürfen. Dazu zählen der erste Präsident George Washington, auch Thomas Jefferson, John Adams und James Madison, von denen einige zugleich unter den Gründervätern der Nation waren. Deren Eltern waren zum Zeitpunkt ihrer Geburt – also während der Kolonialzeit – Bürger des Königreichs von Großbritannien.
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Die Bemühungen der NFRA, die sich wegen ihrer Kreuzzüge gegen dunkelhäutige Politiker schon seit Jahren dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt sieht, zielen aber keineswegs nur auf die demokratische Präsidentschaftskandidatin ab. So hatte die Organisation auch versucht, die Teilnahme der beiden Kandidaten Nikki Haley und Vivek Ramaswamy an den republikanischen Vorwahlen zu blockieren. Beide sind indischer Abstammung.
Haley und Ramaswamy standen aber auf den Stimmzetteln der Vorwahlstaaten. Sie warfen erst das Handtuch, als Trumps Vorsprung in der Partei uneinholbar war und er als Kandidat faktisch feststand.