Bochum. Wie tickt die Frontfrau des BSW? Psychologe Ulrich Sollmann hat vor der Gründung des BSW-Landesverbandes ihre Körpersprache analysiert.
An diesem Samstag gründet das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einen Landesverband in Nordrhein-Westfalen. Die neue Partei, die in Sachsen und Thüringen sowie bei der Europawahl erfolgreich war, will nun auch im Westen Deutschlands mitmischen. Ulrich Sollmann aus Bochum, Sozialpsychologe und Experte für Körpersprache, hat sich die Auftritte der Politikerin Wagenknecht genau angeschaut und analysiert sie im Gespräch mit Matthias Korfmann.
Herr Sollmann, was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an der Körpersprache von Sahra Wagenknecht?
Ulrich Sollmann: Sie steht und geht stets aufrecht beziehungsweise bewegt sich, als hätte sie eine unbewegliche Wirbelsäule. Ihre Mimik ist ernst, leicht lächelnd, aber beinah auch unbeweglich. Sie wirkt anziehend, wenn auch leicht zurückgenommen und dezent. Wagenknecht kleidet sich betont weiblich, ihr Stil ist konservativ. Wagenknecht will die Wahrnehmung auf sich ziehen. Ungewöhnlich wirkt ihr Frisur. Weckt sie doch direkt Erinnerungen an die Frisur von Rosa Luxemburg.
Wird Wagenknecht angesprochen, beginnt sie unmittelbar direkt und konkret, kurz und knapp zu reden. Ohne Zögern spulen sich ihre Worte ab, so, als wären sie bereits vorbereitet und hätten nur auf das „Losungswort“ des Gegenübers gewartet, um abgespult zu werden. Sie überlegt für einen Moment, schaut ihrem gegenüber direkt in die Augen, um der Aufmerksamkeit ihres Gegenübers sicher zu sein. Dabei spricht sie und antwortet auf eine Art, dass eigentlich keine Gegenrede erlaubt ist.
Auf welche typischen Verhaltensmuster lässt diese Körpersprache schließen?
Ulrich Sollmann: Wagenknecht ist sich ihrer Sache stets sicher. Ihre Überzeugung ist unerschütterlich. Ebenso unerschütterlich ist sie davon überzeugt, dass es keine andere Meinung neben ihr geben kann, geben darf. Wird diese abweichende Meinung geäußert, scheint es, als würde Wagenknecht nicht nur keinen Widerspruch dulden, sondern auch dem Gegenüber subtil das Gefühl geben, er müsse eigentlich ein schlechtes Gewissen haben, es gewagt zu haben mit einer Gegenrede aufzuwarten.
Ist ihr Auftritt authentisch oder ist das eine Rolle, die sie erlernt hat?
Ulrich Sollmann: Wagenknechts Überzeugung ist es, so zu sein, wie sie ist. Die anderen haben auch so zu sein wie sie. Widerspruch kann und darf es nicht geben. Diese Überzeugung spiegelt ihr Inneres. Sie ist sich stets treu und konsequent in allem, was sie tut: Wie sie redet, wie sie auftritt, wie sie sich kleidet und was sie anpackt. Sie hat alles unter Kontrolle. Sie ist die verkörperte Kontrolle. Wagenknecht spielt keine Rollen im üblichen Sinn. Rolle und Persönlichkeit sind kaum zu unterscheiden. Daher wirkt sie wie eine politische Kunstfigur, wie eine Figur aus einer anderen Welt.
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Warum wirkt diese Art des öffentlichen Auftritts auf bestimmte Wählerinnen und Wähler?
Ulrich Sollmann: Es heißt, viele Menschen wünschten sich heutzutage klare und konkrete politische Antworten. Sie erwarten von Politikern Führungsstärke. Für sie sind schnelle und einfache Lösungen attraktiver als komplizierte Analysen. Den Auftritt eines Politikers bewerten diese Menschen höher als die politischen Inhalte. Populisten oder extremistische Politiker spielen auf dieser kommunikativen Klaviatur.
Sahra Wagenknecht spielt meisterhaft auf dieser Klaviatur. Ihre auffällige Erscheinung, ihre politische Nüchternheit, ihre Unnahbarkeit wirken anziehend auf ein bestimmtes Publikum. Wagenknecht beherrscht zudem die Verführung durch kapitalistische Verkaufstaktiken. Sie führt sich auf, als sei sie selbst die Partei, die ihren Namen trägt. Wo Wagenknecht draufsteht, muss auch Wagenknecht drin sein. Sie kontrolliert das BSW auf eine Art, wie man Produkte vermarktet. „Limited Edition“ heißt es dann. Oder „Verkauf nur für zwei Tage“. Übertragen auf das BSW heißt das: Wagenknecht kontrolliert die Aufnahme neuer Mitglieder, um Unruhe vorzubeugen.
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Dieses Vorgehen steigert den Aufmerksamkeitswert um ein Vielfaches. Will doch jeder gleich von Anfang an mit dabei sein. Wenn man schon nicht Mitglied des BSW werden kann, will man doch durch das Kreuzchen am auf dem Wahlzettel zumindest virtuell mit dabei sein. Die Ergebnisse aktueller Wahlen und Umfragen bestätigen dies, und viele in der Gesellschaft wundern sich darüber.