Berlin. Mit ihrem Lachen punktet Kamala Harris im Wahlkampf gegen „Horrorclown“ Trump – ein Rezept, das auch deutsche Politiker kennen sollten.
Humor ist in der deutschen Politik ein seltenes Gut. Dabei ist Lachen etwas grundlegend Positives, und auch Experten raten zu mehr Unterhaltung und Lockerheit – zu mehr Volksnähe: „Politiker können sich den Bürgern auch mit Humor nähern, deutsche Politiker sind aber selten humorvoll“, erklärt der Humorforscher Rainer Stollmann. Doch woran liegt das?
„Humor in der politischen Kommunikation ist ein zweischneidiges Schwert“, erklärt Lukas Daubner von der Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne. „Funktioniert er, erlangt man mit geringem Aufwand große Aufmerksamkeit und viel Zuneigung. Wenn er aber nicht funktioniert, wirkt das schnell zu gewollt und steif und das verbreitet sich dann ebenfalls schnell“, erklärt Daubner den Zwiespalt. Auch das vielfache Medientraining, das Politiker heutzutage durchlaufen, hat laut Daubner einen Einfluss.
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Oft gehe dadurch die Leichtigkeit verloren: „Davon profitieren dann Naturtalente wie Donald Trump oder Martin Sonneborn, die das Timing draufhaben und auch mal einen situativen Witz machen können.“ Tatsächlich ist der Wahlkampf des republikanischen Ex-Präsidenten stark von Humor geprägt. „Trump ist ein Horrorclown, dem es aber gelungen ist, mit seiner Frechheit den Demokraten die Show zu stehlen“, sagt Stollmann. Der 78-Jährige bricht Konventionen, macht sich über andere lustig und ist hämisch, ohne selbst darüber zu lachen. „Trump hat was von Karneval ohne Lachen“, sagt der Humorforscher.
Witzig oder nicht? Humor von Trump und Harris unterscheidet sich total
Für Daubner trägt diese Art des Humors, der auch bei der AfD oft genutzt wird, zur Polarisierung bei. „Der derbe Humor von Donald Trump peitscht zwar die eigenen Leute an, sorgt aber auch dafür, dass die Wähler der Gegenseite gar nicht erreicht werden“, erklärt er. Anders bei Trumps Gegenkandidatin: „Kamala Harris setzt mit ihrem leichten Witz und ihrer Fröhlichkeit einen Gegenpunkt dazu, der eher geeignet ist, auch Menschen außerhalb des eigenen Lagers anzusprechen.“
Für Humorforscher Stollmann war die Nominierung von Harris daher die richtige Entscheidung: „Mit der Aufstellung von Kamala Harris und Tim Walz haben die Demokraten die Hoheit darüber, wer das Lachen besitzt, zurückgewonnen. Wenn der Humor zurückkehrt, kommt auch der Trotz und das Kämpferische zurück.“ Tatsächlich setzt Harris insbesondere in den sozialen Medien auf einen humorvollen Umgang mit ihrem Konkurrenten. Und die Umfragewerte spiegeln den Erfolg dieser Strategie.
Tiktok & Co.: Markus Söder hat mit Humor Erfolg, Olaf Scholz eher nicht
Ist Humor also der Schlüssel, mit dem Politiker auf TikTok und Co. erfolgreich werden können? „Politik steht grundsätzlich vor dem Problem, an die Bürger durchzudringen. Heutzutage sieht man deshalb durchaus im Bundestag Reden, die im Dialekt oder als Rap vorgetragen werden, um auf Social Media Aufmerksamkeit zu erregen“, berichtet Daubner. Demgegenüber stehen allerdings auch zunehmender Hass und Hetze im Netz.
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Stollmann sieht eine Spaltung der sozialen Medien. „Es gibt dort eine Hasskultur der AfD, die organisiert vorgeht, aber auch eine sehr unschuldige Lachkultur“, sagt er. „Diese ist aber nicht so organisiert und entwickelt und deswegen keine vergleichbare politische Kraft“, erklärt Stollmann. Immerhin: Markus Söder punktete zuletzt auf Instagram und TikTok mit seinen komischen Auftritten. Und der Bundeskanzler? „Olaf Scholz versucht es gelegentlich, es gelingt ihm aber nicht wirklich“, sagt der Experte.
Dabei bewiesen schon deutsche Politikgrößen wie Angela Merkel, Gerhard Schröder oder Konrad Adenauer gelegentlich Humor. „Die Versuche, die es da bisher gab, sind aber auch im Vergleich mit Ländern wie England oder den USA eher kümmerlich“, meint Stollmann, der darin eine vertane Chance sieht. „Beim Umgang mit der AfD sollten sich Politiker mehr an Satiremagazinen oder Comedians orientieren. Ist Höcke, der Goebbels-Verschnitt, nicht genauso ‚seltsam‘ wie Trump?“
Humor-Experte: „Humor kann helfen, Inhalte besser rüberzubringen“
Auch Daubner wünscht sich in Deutschland mehr Politikerinnen und Politiker, die es schaffen, komplexe Zusammenhänge auf humorige Art auf den Punkt zu bringen. Damit könne es auch gelingen, Nichtwähler oder Menschen, die sich wenig für Politik interessieren, anzusprechen. Immerhin: Mit dem politischen Aschermittwoch gibt es einen Tag, an dem der Humor auch für Politiker zum guten Ton gehört. Laut Daubner „ein gutes Instrument, um die Bindung zur Basis zu stärken.“
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Bei der Satirepartei Die PARTEI um den Europaabgeordneten Martin Sonneborn gehört Humor dagegen zum täglichen Programm. Für Stollmann ein faszinierendes Phänomen: „Martin Sonneborn hat es gegen alle Widerstände der offiziellen Politik mit Humor bis ins Europäische Parlament geschafft. Dort fungiert er hauptsächlich als Hofnarr, der aber gleichzeitig richtige Politik macht“, beschreibt der Humorforscher die Arbeit des früheren Chefredakteurs des Satiremagazins „Titanic“.
Sonneborn zog 2014 erstmals als Vertreter für die PARTEI ins Europaparlament ein. Von dort aus berichtete er satirisch über Missstände, setzte sich immer wieder auch für ernsthafte Themen ein. Für ein Bundestagsmandat hat es bisher allerdings nicht gereicht. Humor allein ist schließlich auch keine Lösung, erklärt Daubner. Die Inhalte seien natürlich weiterhin sehr wichtig, erklärt er. „Aber Humor kann dabei helfen, sie besser rüberzubringen.“