Berlin. Die FDP will das Verbot der Eizellspende kippen. Der Medizinethiker Jochen Taupitz unterstützt das Vorhaben. Im Interview erklärt er, warum

Das Embryonenschutzgesetz ist nicht mehr zeitgemäß: Diese Auffassung vertritt der Medizinethiker und Jurist Jochen Taupitz. Der Professor der Uni Mannheim ist Mitglied der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. Im Interview erklärt er, warum die Kommission der Bundesregierung die Legalisierung empfiehlt.

Die Samenspende ist erlaubt, die Eizellspende nicht. Warum dieser Unterschied?

Jochen Taupitz: Das liegt an dem uralten Embryonenschutzgesetz von 1990. Vor 34 Jahren hat der damalige Gesetzgeber befürchtet, dass Kinder, die eine genetische und eine gebärende Mutter haben, Identitätsfindungsprobleme bekommen können. Zwei Väter – das gab es immer schon. Bei Müttern war das 1990 noch relativ neu. Aber Erfahrungen des Auslands zeigen seit Langem: Kinder nach einer Eizellspende wachsen genauso auf und haben ebenso wenig psychische Probleme wie nach einer Samenspende. Ob Probleme auftreten, hängt von den Familienverhältnissen ab und ob Kinder frühzeitig erfahren, dass sie nach einer Eizellspende geboren wurde. Befürchtungen hinsichtlich einer sogenannten gespaltenen Mutterschaft haben sich in Luft aufgelöst. Ähnliches gilt für medizinische Bedenken: 1990 waren die gesundheitlichen Risiken für die Spenderin größer. Sie muss schließlich hormonell stimuliert werden. Aber die Verfahren sind nach heutigen Stimulationsprotokollen inzwischen viel schonender.  

Jochen Taupitz ist Medizinethiker und Jurist. Der Professor ist Mitglied der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.
Jochen Taupitz ist Medizinethiker und Jurist. Der Professor ist Mitglied der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. © Jochen Taupitz

Andere Länder sind viel liberaler hinsichtlich der Reproduktionsmedizin. Woran liegt es, dass Deutschland einen so strengen Rahmen setzt?

In vielen Ländern wurden Gesetze in den vergangenen Jahren reformiert und liberalisiert, während in Deutschland nach wie vor das alte Embryonenschutzgesetz in Kraft ist. Deutschland ist bei neuen Entwicklungen auch sehr vorsichtig, diesen Geist atmet das ganze Embryonenschutzgesetz. Es ist durchgängig ein Verbotsgesetz. Grundlage ist das Strafrecht. Das war damals die einzige Möglichkeit, damit es auf Bundesebene gelten konnte. Ein weiterer Grund für die Vorsicht ist die historische Vergangenheit mit schweren Menschenrechtsverletzungen und der Instrumentalisierung von Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus.

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Können Sie die Vorsicht nachvollziehen?

Das Embryonenschutzgesetz ist jedenfalls heute nicht mehr zeitgemäß. Außerdem widerspricht es dem Gleichheitsgrundsatz: Die Samenspende ist erlaubt, während die Eizellspende verboten ist. Als Jurist ist mir zudem das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen wichtig. In Deutschland wird massiv in das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung der Frauen eingegriffen – und zwar sowohl der Eizellspenderinnen als auch der Empfängerinnen. Die Eizellspende ist im Grunde eine Organspende, und so sollte sie auch behandelt werden.

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Haben Sie Verständnis dafür, dass Paare ins Ausland gehen?

Dafür habe ich großes Verständnis. Es ist aus Sicht eines Juristen völlig legitim, dass Paare die rechtlichen Möglichkeiten im Ausland ausnutzen. Ich bewerte die rechtlichen Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten sogar positiv, denn so können wir von den Erfahrungen anderer Länder viel lernen. Wenn wir überall ein einheitliches Recht hätten, würden wir uns in diesen Fragen nicht weiterentwickeln.  Allerdings machen sich Ärztinnen und Ärzte, die einem Paar in Deutschland konkret raten, die Kinderwunschbehandlung samt Eizellspende in Brüssel oder Bilbao vorzunehmen, unter Umständen strafbar. Man kann ihnen nur wünschen, dass sie nicht belangt werden.