Berlin. Die Bundesregierung prüft, ob Asylverfahren in Drittstaaten ausgelagert werden können. Ungarns Premier erklärt, was er davon hält.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat die Pläne von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gelobt, die Auslagerung von Asylverfahren in Länder außerhalb der EU zu prüfen. Er begrüße die Position von Scholz, hier einen Ausweg zu finden, sagte Orban unserer Redaktion. Ungarn habe mit den sogenannten „äußeren Hotspots“ bereits Zentren außerhalb des Landes geschaffen, in denen Asylanträge geprüft würden. „Wenn Migranten nach Ungarn kommen wollen, müssen sie sich zuerst an eine ungarische Botschaft wenden, zum Beispiel in der serbischen Hauptstadt Belgrad.“ Dort würden alle Papiere geprüft. „Nur, wenn die ungarischen Behörden grünes Licht geben, können Migranten einreisen. Sonst nicht“.
Auf die Frage, ob Kanzler Scholz nun auf der Spur von Orban sei, sagte der ungarische Premier: „Für mich ist es nicht beschämend, auf der Spur von Scholz zu sein. Ich fürchte eher, dass er es ist, dem das ungelegen kommt.“ In Ungarn waren im vorigen Jahr nach Angaben des Europäischen Statistikamtes Eurostat nur 30 Erstanträge auf Asyl gestellt worden – in Deutschland waren es knapp 330.000. Orban sagte dazu: „Wir nehmen Asylbewerber auf, wenn sie den Regeln in Ungarn folgen. Unsere Vorschriften sind in der EU einzigartig.“
Viktor Orban: Das sind seine Pläne für die EU-Ratspräsidentschaft
Scholz hatte nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag zugesagt, die Bundesregierung werde die Prüfung von Asylverfahren in Ländern außerhalb der Europäischen Union fortsetzen und dazu bis Dezember konkrete Ergebnisse vorlegen. Scholz sagte: „Es ist fest vereinbart, dass wir den Prozess fortführen und in diesen Fragen auch weiter berichten werden.“
Der ungarische Ministerpräsident betonte, ein Schwerpunkt der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2024 sei es, das Migrationsproblem zu lösen. Er habe bereits 2015 gewarnt, dass andere EU-Staaten mit der Öffnung der Grenzen für illegale Migration ein „enormes Risiko“ eingingen. „Neun Jahre danach sollte sich herausstellen, dass ich mit meinen Warnungen Recht behielt.“ Orban begründete seine ablehnende Haltung mit Eindrücken, die er 2015 gewonnen habe.
Damals hätten Zehntausende Migranten die ungarische Grenze überquert: „Wir konnten sie erst im Herzen von Budapest, im Hauptbahnhof, stoppen. Ich ging höchstpersönlich dorthin, um mir ein Bild zu machen“, erklärte Orban. „Mir wurde schnell klar: Das Gesellschaftskonzept, das ich bei den Flüchtlingen wahrgenommen habe, ist zu riskant für die ungarischen Bürger.“
Viktor Orbans schwieriges Verhältnis zur Migrationspolitik der EU
Orban weiter: „Es war offensichtlich, dass sie die Idee der Gleichberechtigung der Frauen nicht unterstützen würden. Hinzu kamen die verbreitete Schwulenfeindlichkeit und der Hang zum Antisemitismus. Die Migranten standen für Dinge, die ich als Gefahr für die Ungarn ausgemacht habe.“ Das deutsche Migrationskonzept gehe nach seinem Verständnis dagegen davon aus, dass etwas Gutes herauskomme, wenn man das kulturelle Muster von Migranten mit den traditionellen wertebasierten Gemeinschaften in Europa mische. „ „Ich sage nicht, dass es völlig unmöglich ist“, sagte Orban. Aber das Risiko sei zu hoch.
Er habe deshalb 2015 erklärt, er wolle abwarten, wie die deutsche oder französische Gesellschaft in 10 oder 20 Jahren aussehe. „Sollte sich das als positiv herausstellen, können auch die Ungarn darüber nachdenken.“ Allerdings war Ungarn erst in der vergangenen Woche vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu einer Strafe von 200 Millionen Euro verurteilt worden und zu einem Zwangsgeld von einer Million für jeden weiteren Tag, den das Land sich weigert, eine EuGH-Entscheidung von 2020 über die Rechte von Asylsuchenden umzusetzen. Ungarn umgehe bewusst die gemeinsame europäische Asylpolitik, diese stelle „eine ganz neue und außergewöhnlich schwere Verletzung des Unionsrechts“ dar, so die Richter.