Rom. Das gab es noch nie: Dem Vatikan droht eine Sammelklage wegen Verstößen gegen Arbeitnehmerrechte. Vom Vatikan gab es vorerst keine Reaktion.
Arbeiten im kleinsten Staat der Welt, das ist nicht immer ein Privileg. So sehen es zumindest 49 Vatikan-Mitarbeiter, die jetzt dem Heiligen Stuhl mit einer Sammelklage wegen Verstoß ihrer Rechte als Arbeitnehmer drohen. Lange Arbeitszeiten, unterbezahlte Überstunden, kein Respekt für die Sicherheit und keine Stützungsmaßnahmen in Krisenzeiten, wie in der Corona-Pandemie.
Das Leben als Vatikan-Angestellter ist kein Spaß, behaupten die 49 Angestellten der Vatikanischen Museen, die jetzt wegen „unzumutbarer Arbeitsbedingungen“ gegen den Heiligen Stuhl vorgehen wollen. Die Beschäftigten – unter ihnen Museumswächter, ein Restaurator und ein Angestellter der Buchhandlung – wandten sich in einem Brandbrief an die Staatsverwaltung (Governatorat) des kleinen Kirchenstaates und forderten bessere Arbeitsbedingungen. Die Angestellten bemängeln eine aus ihrer Sicht schlechte Bezahlung, sowie einen unzureichenden Gesundheitsschutz.
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Die Angestellten, allesamt Römer, gaben unter anderem an, dass „täglich zwischen 25.000 und 30.000 Menschen durch die Vatikanischen Museen gehen, obwohl die maximale Besucherzahl bei 24.000 pro Tag liegt.“ Sie beklagen, dass die Räume in den Vatikanischen Museen keine Klimaanlage hätten, und beschweren sich wegen einer unzulänglichen Zahl an Gendarmen, was Probleme für die Aufseher schaffe, die manchmal von belästigenden Besuchern angegriffen werden.
Die Mitarbeiter kritisieren, dass seit einem Dekret des Papstes von 2015 Überstunden schlechter bezahlt würden, als die normale Arbeitszeit. Die zwangsweise nicht geleisteten Arbeitsstunden während der Corona-Pandemie seien nicht bezahlt worden und im Vatikan gebe es keine Stützungsmaßnahmen in Krisenzeiten. Die Verärgerung ist groß: „Der Papst spricht von Rechten und Schutz der Arbeitnehmer, doch wir werden als bloße Ware betrachtet“, beklagen die Mitarbeiter.
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Mit ihrem Protest meinen sie es ernst. So haben sie bereits die im Vatikan berüchtigte Anwältin Laura Sgrò engagiert, um ihre Anliegen durchzusetzen. In ihrem Schreiben an den spanischen Kardinal Fernando Vérgez Alzaga, Präsident des Governatorats und damit praktisch Regierungschef des Vatikanstaats, beklagt die kämpferische Anwältin, dass die Arbeitsbedingungen „die Würde und die Gesundheit eines jeden Beschäftigten verletzten“.
Arbeitsbedingungen „verletzen Würde und Gesundheit der Beschäftigten“
„Die Arbeitnehmer haben sich erst zu dieser Aktion entschlossen, nachdem alle ihre Forderungen und Bitten über Jahre hinweg einfach unbeantwortet geblieben sind. Jetzt warten wir auf die Reaktion des Vatikans. Nicht auszuschließen ist, dass sich weitere Vatikan-Mitarbeiter unserer Initiative anschließen“, berichtet Anwältin Sgró gegenüber unserer Redaktion. Sie ist im Vatikan berüchtigt, da sie bereits einige Klagen gegen den Heiligen Stuhl erhoben hat. Sgró ist mit vatikanischen Themen bestens vertraut und hatte sich zuletzt im Fall der vor 40 Jahren verschwundenen Vatikan-Bürgerin, oder im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den Ex-Jesuiten Marko Rupnik wegen sexuellen Missbrauchs befasst.
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Eine solche Sammelklage wäre eine Premiere in dem von Papst Franziskus seit zehn Jahren regierten Vatikan. Von der Leitung der Vatikanischen Museen gab es vorerst keine Reaktion auf die Beschwerden. Die Beschäftigten sahen jedoch nach eigenen Angaben keinen anderen Weg mehr, als an die Öffentlichkeit zu gehen, behauptet die Anwältin. Sie sollen bereits in der Vergangenheit wiederholt versucht haben, eine Einigung mit dem Heiligen Stuhl zu erzielen – ohne Erfolg.
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In den Vatikanmuseen arbeiten rund 700 Menschen. Fast alle sind italienische Staatsbürger. Mit täglichen Besucherzahlen zwischen 20.000 und 30.000 Menschen und einem regulären Eintrittspreis von 20 Euro nehmen die Museen jährlich rund 100 Millionen Euro ein und sind damit die wichtigste Einnahmequelle des Vatikanstaats.
Die Vatikanischen Museen, die neben dem Pariser Louvre und dem Britischen Museum in London zu den meistbesuchten Museen der Welt gehören, verfügen über eine Kunstsammlung von unschätzbarem Wert, darunter die berühmte Sixtinische Kapelle von Michelangelo. Nach der Pandemie sind die Besucherzahlen wieder stark gestiegen. Der Menschenandrang in den engen Museumssälen ist enorm. „Vor allem in den heißen Sommermonaten ist es dort wegen des Gedränges und der Hitze unerträglich. Oft bin ich wegen der Anstrengung fast zusammengebrochen“, berichtet Anna W., eine deutsche Reisebegleiterin, die die Arbeitsverhältnisse in den Vatikanischen Museen gut kennt und anonym bleiben will.
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Von etwa 4.800 Beschäftigten im Vatikan arbeiten mehr als die Hälfte für den Heiligen Stuhl, also in den Behörden, Medien oder Botschaften der Weltkirchen-Verwaltung. Die anderen sind Angestellte des 44 Hektar großen Vatikanstaats: Gärtner, Verkäufer im Supermarkt oder bei der Post, Museumswärter und Reinigungskräfte. Eine Vollzeit-Arbeitswoche im Vatikan hat 36 Stunden.
Alle zwei Jahre gibt es eine Dienstalterszulage sowie einen Inflationsausgleich – wenn der Papst diese nicht wie 2021 aufgrund der Covid-Pandemie einfriert. Der Abzug für Alters- und Krankenversicherung liegt bei etwa zehn Prozent vom Bruttogehalt. Eine Einkommenssteuer wird nicht erhoben. Im Vatikan gibt es weder Gewerkschaften noch ein Arbeitsgericht. Arbeitgeber ist – in Vertretung des Papstes – der Präfekt der vatikanischen Stadtregierung.