Düsseldorf. Das Innenministerium hält es für möglich, dass Islamisten in NRW Anschläge verüben. Das Land warnt auch vor russischem Staatsterror.
Nach dem Anschlag auf eine Konzerthalle in Moskau mit mindestens 137 Todesopfern wächst in Deutschland die Sorge vor möglichen islamistischen Terrorakten.
Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) hält Islamisten für den Anschlag auf die Crocus City Hall verantwortlich. „Nach allem, was bisher bekannt ist, ist davon auszugehen, dass die Terrorgruppe ,Islamischer Staat Provinz Khorasan‘ (ISPK) den mörderischen Terroranschlag in der Nähe von Moskau zu verantworten hat“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Von dieser Gruppe gehe derzeit auch in Deutschland die größte islamistische Bedrohung aus.
NRW-Innenministerium: „Abstrakt hohes Gefährdungspotenzial“
Schon vor dem Anschlag in Moskau hat das NRW-Innenministerium das Gefährdungs- und Bedrohungspotential des ISPK in Deutschland, als „abstrakt hoch“ eingestuft. Nach aktueller Einschätzung des Landeskriminalamtes in Abstimmung mit dem Bundeskriminalamt gelte dies weiter, erklärte das NRW-Innenministerium am Sonntag auf Nachfrage.
In einem Brief, der dieser Redaktion vorliegt, warnte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die Innenminister von Bund und Ländern schon Ende Februar vor islamistischen Terroristen aus Zentralasien mit ISPK-Bezug, die insbesondere in NRW agierten. Auch die Anschlagshinweise zum Jahreswechsel auf den Kölner Dom hätten in diesem Zusammenhang gestanden.
„Vermehrt islamistisch-terroristische Personen aus dem zentralasiatischen Raum“
Wörtlich heißt es in dem Brief: „In den letzten Jahren konnten die deutschen Sicherheitsbehörden - mit einem örtlichen Schwerpunkt in NRW - in mehreren Ermittlungskomplexen und Gefahrensachverhalten feststellen, dass vermehrt islamistisch-terroristische Personen aus dem zentralasiatischen Raum (zum Beispiel Tadschikistan, Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan) mit aktuellem Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland agieren und diese Personen über Bezüge bzw. Verbindungen zum ISPK verfügen - zuletzt im Kontext der Anschlagshinweise u. a. am Kölner Dom um Silvester 2023/2024.“
Herbert Reul dringt auf eine intensivere Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Kampf gegen islamistische Terroristen. Die Gefahren müssten auch im Zusammenhang mit der Fußball-EM im Sommer betrachtet werden.
Putin sieht eine „ukrainische Spur“ hinter dem Anschlag. Er hat aber keine Beweise dafür
Die Terrormiliz Islamischer Staat hatte die Tat in Moskau bereits in der Nacht zu Samstag für sich reklamiert. US-Behörden hatten Russland vor einer erhöhten Terrorgefahr durch Islamisten gewarnt. Der russische Präsident Wladimir Putin sieht aber eine „ukrainische Spur“ hinter dem Anschlag - ohne Beweise dafür anzuführen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies die Versuche Putins, mit unbelegten Schuldzuweisungen der Ukraine eine Mitverantwortung für den Anschlag zuzuschieben, zurück. „Nach dem, was gestern in Moskau passiert ist, versuchen Putin und die anderen Bastarde natürlich nur, jemand anderem die Schuld in die Schuhe zu schieben“, sagte Selenskyj.
Die vier Hauptverdächtigen des Terroranschlags sollen in der Region Brjansk im Süden des Landes festgenommen und zum Verhör nach Moskau gebracht worden sein.
NRW warnt vor Gefahren für Putin-Kritiker in Deutschland: Russland begehe Staatsterror
Nach der Wiederwahl Putins und angesichts der Wirren nach dem Anschlag in Moskau treibt russischsprachige Oppositionelle in NRW die Angst um, dass russische Geheimdienste sie verstärkt ins Visier nehmen könnten. „Wir haben noch ein bisschen Zeit, bevor es wirklich gefährlich wird. Allerdings nehmen die Geheimdienste manchmal auch Menschen ins Visier, die nicht so bekannt sind, einfach, weil Moskau Angst und Schrecken verbreiten will“, sagte Yuri Nikitin, Vorsitzender des Vereins Freies Russland NRW, dieser Redaktion.
NRW-Innenminister Reul warnte gegenüber dem Landtags-Ausschuss für Europa und Internationales vor Risiken für russische Oppositionelle, Menschenrechtsverteidiger, Deserteure und Kriegsdienstverweigerer in Deutschland. Sie seien einer „erheblichen abstrakten Gefährdung“ ausgesetzt, erklärt Reul in einem Bericht. Die Hemmschwelle für russischen Staatsterrorismus sinke immer mehr. (mit dpa)