Berlin. Viele Hochschulen bieten kein Semesterticket mehr an. Verkehrsunternehmen drohen „Einnahmeausfälle von bis zu 100 Millionen Euro“.
Mit dem Deutschlandticket kann der öffentliche Nahverkehr seit Mai bundesweit für nur 49 Euro genutzt werden. Für viele ist das eine Erleichterung – nur eine Gruppe profitiert kaum von dem Angebot: Studierende. Denn die kamen in vielen Regionen bisher mit den jeweiligen über Solidarmodelle finanzierten Semestertickets günstiger weg.
Das Deutschlandticket hat dieses Konzept nun aber ins Wanken gebracht, weil in Frage steht, ob der geringere Preisunterschied zwischen Semester- und Deutschlandticket die Solidarmodelle noch rechtfertigt. In Nordrhein-Westfalen und Berlin etwa haben daher bereits einige Universitäten ihre Semesterticket-Verträge mit den regionalen Verkehrsbetrieben gekündigt. Für die betroffenen Studierenden bleibt damit nur noch das teurere Deutschlandticket.
Bundesweite Lösung ist nicht in Sichtweite
Seit dem Start des Deutschlandtickets wird daher über eine bundesweite, ermäßigte Lösung für Studierende diskutiert – in Sichtweite ist diese allerdings noch nicht. Zwischenzeitlich wurde in vielen Verkehrsregionen eine Upgrade-Möglichkeit eingeführt, mit der Studentinnen und Studenten ein bereits bestehendes Semesterticket zu einem Deutschlandticket hochstufen konnten und dafür nur den Differenzbetrag zahlen mussten.
Nach Angaben der Bundesregierung ist das allerdings nur ein „Übergangsangebot“, das „schnellstmöglich durch eine dauerhafte und bundesweit einheitliche Integration des Semestertickets in das Deutschlandticket“ abgelöst werden soll. Von den Studierendenschaften wird diese dringend gefordert – zumal Studentinnen und Studenten mit der Übergangsregelung keinerlei finanzielle Vorteile gegenüber Nicht-Studierenden haben.
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Deutscher Städtetag kritisiert fehlende Einigung
Eine Lösungsmöglichkeit wäre ein bundesweites solidarisches Semesterticket auf Basis des Deutschlandtickets für 29,40 Euro, also 60 Prozent der regulären Kosten. Ein solches Ticket war in der vergangenen Woche auch Thema der Sonderkonferenz der Verkehrsministerinnen und -minister. Die Länder forderten die Zustimmung des Bundes – ein Beschluss blieb bisher allerdings aus. Der Bund habe zwar signalisiert, dass das Modell für das Semesterticket „gut und zielführend“ sei, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) als aktueller Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz (VMK). „Was nur fehlt, ist ein Go.“
Kritik an der fehlenden Einigung von Bund und Ländern gibt es unter anderem vom Deutschen Städtetag. „Gerade junge Menschen brauchen attraktive ÖPNV-Angebote“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dieser Redaktion. Er forderte die Bundesregierung daher dazu auf, die Studierendentickets endlich in das Deutschlandticket zu integrieren. Dass immer mehr Hochschulen kein Semesterticket mehr anbieten würden, sei eine schlechte Nachricht für die Studierenden, führte Dedy aus: „Denn ein Semesterticket ist per Solidarmodell von und für alle Studierenden finanziert – und oft günstiger als 49 Euro.“
Das Deutschlandticket hingegen sei aktuell für viele Studierende nicht attraktiv genug. Und auch für die Verkehrsunternehmen in vielen Hochschulstädten habe die Hängepartie erhebliche Nachteile. „Wenn die Semesterticket-Verträge wegbrechen, werden sich nicht alle Studierenden stattdessen individuell ein Deutschlandticket holen“, sagte Dedy voraus. „Das könnte bei den Verkehrsunternehmen bundesweit für Einnahmeausfälle von bis zu 100 Millionen Euro sorgen.“
Studierendenwerke: „Botschaften der Politik an die Studierenden derzeit desaströs“
Auch die Studierendenwerke bemängeln die aktuelle Situation: „Seit dem ersten Mai gibt es das bundesweit gültige Deutschlandticket, aber für die fast drei Millionen Studierenden in Deutschland konnte noch immer keine bundesweite, ermäßigte Lösung gefunden werden“, sagte der Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl, dieser Redaktion. Im gerade begonnenen Wintersemester hätten viele Studierende nur noch die Wahl zwischen keinem Semesterticket oder dem kostenintensiveren Deutschlandticket.
„Für sie verteuert sich also die Mobilität – und das ausgerechnet in Zeiten von Inflation und steigenden Energie- und Lebensmittel-Preisen“, so Anbuhl. Er appellierte daher an Bund und Länder, schnell eine Lösung zu finden: „Die Botschaften der Politik an die Studierenden sind derzeit desaströs: Stillstand und Nullrunden beim BAföG, beim KfW-Studienkredit geht der Zinssatz durch die Decke – und ein rabattiertes Deutschlandticket für Studierende liegt selbst ein halbes Jahr seit dessen Start in weiter Ferne.“
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Unterdessen sind einige Bundesländer bereits eigene Wege gegangen. So hat etwa Bayern seit dem Wintersemester ein ermäßigtes Deutschlandticket für Studierende und Auszubildende eingeführt, für nur 29 Euro pro Monat.