Berlin. Vor 80 Jahren startete die größte Landungsoperation der Kriegsgeschichte. Die Gedenkfeier ist eine neue Zäsur – denn einer wird fehlen.
Es war die erfolgreichste Landungs-Operation der Militärgeschichte und der Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg: Am 6. Juni 1944 landeten mehr als 150.000 alliierte Soldaten an der französischen Nordküste, um die gigantische „Operation Overlord“ gegen Nazi-Deutschland zu starten – die zur Hälfte von den USA gestellte Streitmacht, an der sich ein Dutzend Staaten beteiligte, eröffneten am D-Day eine zweite Front gegen die deutsche Wehrmacht und entlastete so die Rote Armee im Osten.
337 Tage später war der Krieg in Europa zu Ende. Für viele Soldaten der ersten Angriffswelle, die vom Trommelfeuer der deutschen Abwehr niedergemäht wurden, war es die Hölle: „Das Meer war stellenweise rot vom Blut unserer Soldaten“, erinnert sich der US-Veteran Hector Duff. In den ersten 24 Stunden wurden über 12.000 alliierte Soldaten getötet oder verwundet, auf deutscher Seite schwanken die Schätzungen zwischen 4000 und 9000 gefallenen und verwundeten Soldaten.
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80 Jahre nach dem D-Day gedenken am Donnerstag am berühmten Omaha Beach bei Saint Laurent sur Mer die höchsten Repräsentanten von 25 Staaten dieser Zäsur im Weltkrieg. Sie werden zusammen mit rund 200 Veteranen nicht nur an Mut und Opferbereitschaft der alliierten Soldaten erinnern – sondern auch ein Signal westlicher Wehrhaftigkeit an Russland aussenden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, als besonderer Gast dabei, zieht eine klare Linie von 1944 zu 2024: Die Landung in der Normandie finde ihren Widerhall „im gerechten Kampf, den das ukrainische Volk heute führt“.
D-Day: Nur einer fehlt beim Gedenken – Russlands Präsident Putin
Neben Selenskyj empfängt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Nachmittag zur Zeremonie unter anderem US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz, Prinz William und Premier Rishi Sunak für das Vereinigte Königreich und Kanadas Regierungschef Justin Trudeau. Schon am Mittwoch feierten die Alliierten mit Veteranen in getrennten Gedenkveranstaltungen an ihren damaligen Strandabschnitten, mit dabei ist dort trotz Krebserkrankung der britische König Charles.
80 Jahre D-Day – die Chronologie zum „längsten Tag“
Nur einer fehlt, der bei früheren Jubiläen gern gekommen war: Wladimir Putin. Den russischen Präsidenten hatte die französische Regierung unter Hinweis auf den russischen Ukraine-Überfall ausdrücklich nicht eingeladen. Dennoch konnten Macrons Diplomaten einen Eklat nur mit Mühe verhindern: Der Kreml sollte nach den Pariser Plänen ursprünglich zumindest einen Vertreter entsenden können, „um Engagement und Opfer der sowjetischen Völker und ihren Beitrag zum Sieg von 1945 zu würdigen“.
Diese Geste sorgte in westlichen Regierungen aber für Verärgerung und für Misstrauen, welche diplomatischen Brücken nach Moskau sich Macron damit wohl bauen wollte. Nach wochenlangem Ringen hinter den Kulissen zog der Elysee-Palast die Einladung an Moskau vor wenigen Tagen vollständig zurück, „weil die Bedingungen nicht erfüllt sind“.
Der Westen ist auch jetzt vereint – gegen das Russland von Putin
So ist das Jubiläumsgedenken erstmals seit drei Jahrzehnten wieder eine rein westliche Zeremonie. Mit einem neuen, scharfen Ton: Der Westen ist auch jetzt vereint – nicht mehr gegen Nazi-Deutschland, sondern in der Unterstützung der Ukraine gegen Putins Russland und in der Abwehr einer russischen Bedrohung Europas. In der Normandie demonstrieren die USA und die europäischen Staaten ihre Entschlossenheit, die Freiheit Europas zu verteidigen, diesmal gegen Putins imperialistische Ansprüche.
Scholz und Macron haben bereits avisiert, dass es am Rande des Gedenkens neue Ankündigungen zur militärischen und finanziellen Unterstützung der Ukraine geben wird; Macron will eine Entsendung französischer Militärausbilder in die Ukraine konkretisieren. Selenskyj wird ein gefragter Gesprächspartner sein, auch Biden will mit ihm beraten, was die US-Regierung zur Unterstützung der Ukraine noch tun könne, wie sein Sicherheitsberater ankündigte. So markieren die Feiern zum D-Day die Zeitenwende in Europa, wie in einem Brennglas wird im Rückblick das Wechselbad von Hoffnung und Enttäuschung im Nachkriegseuropa sichtbar.
Als internationalen Gedenkgipfel inszeniert Frankreich die Jubiläen überhaupt erst seit 1984, seitdem ist die Anwesenheit des amtierenden US-Präsidenten Pflicht. Dann wurde 2004 erstmals der russische Präsident eingeladen – und als Premiere ebenso auch der Regiuerungschef der besiegten Deutschen. Der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sprach von einer „unglaublichen historischen Geste“ und meinte, erst mit der Einladung an einen deutschen Kanzler sei „wirklich das Ende der Nachkriegszeit gekommen“. Seitdem ist die Teilnahme der Deutschen obligatorisch.
D-Day-Gedenktag 2014 mündete in Vermittlungsversuch zu Ukraine
Putin war zum 70. D-Day-Jubiläum 2014 noch einmal dabei – obwohl er nur drei Monate zuvor seinen Soldaten befohlen hatte, völkerrechtswidrig die Krim zu okkupieren. Am Rande der Feiern unternahmen damals Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande eine Vermittlungsoffensive, um Putin und den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zusammenzubringen und gemeinsam die heikle Lage in der Ukraine zu befrieden: Das Normandie-Format war geboren – Unterhändler der Vierer-Gruppe bereiteten das Minsker Abkommen für einen Waffenstillstand in der Ostukraine vor.
Das Abkommen ist bekanntlich gescheitert. Und die USA, die 1944 kamen, um unter großen Opfern Europa von Nazi-Deutschland zu befreien, sind wieder präsent in Europa wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Acht Jahrzehnte nach dem D-Day muss Amerika erneut eingreifen, um dem Kontinent zu helfen, einen Aggressor abzuwehren. Die europäischen Teilnehmer der Feierlichkeiten werden deshalb wohl die transatlantischen Beziehungen in großen Dankesworten würdigen.
Der bange Blick der europäischen Regierungschefs gilt den US-Präsidentschaftswahlen im November, auch wenn Joe Biden in Frankreich versichern wird, dass auf die USA als westliche Führungsmacht Verlass ist: Vor seinem Abflug erklärte Biden in Washington, die Nato sei heute „deutlich stärker“ als zum Zeitpunkt seines Amtsantritts. „Und ich war derjenige, der es möglich gemacht hat: Ich habe es nicht nur erneut zum stärksten Bündnis in der Geschichte der Welt gemacht, sondern es auch noch ausbauen können“, sagte er.
Am Freitag wird Biden am Pointe du Hoc, auf dem Plateau einer 30 Meter hohen Steilküste in der Normandie, eine Rede halten. Genau dort eroberten 225 US-Elitesoldaten in den Morgenstunden des D-Day mit Seilen und Leitern eine der stärksten Befestigungsanlagen der Wehrmacht, die Einnahme der strategisch wichtigen Stellung war für die gesamte Operation Overlord von strategisch großer Bedeutung. Die Wehrmacht leistete erbitterten Widerstand, 135 US-Soldaten wurden bei dem gewagten Angriff verwundet oder getötet. Bidens Botschaft hat das Weiße Haus schon vorab skizziert: Mut und Entschlossenheit sind auch heute gefragt, Amerika und Europa müssen zusammenstehen zur Verteidigung von Freiheit und Demokratie.
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