Berlin. Trump verstößt gegen die Auflagen, eine Strafe folgt auf die nächste. Verrückt oder Teil eines Plans? Ein Experte sieht ein Muster.
Herr van de Laar, Trump ist vom Richter erneut harsch ermahnt worden, eine weitere Geldstrafe wurde verhängt. Legt er es drauf an, wegen Verletzung der Auflagen ins Gefängnis zu kommen?
Julius van de Laar: „Der republikanische Präsidentschaftskandidat legt es darauf an, im Gefängnis eingesperrt zu werden“ – die Aussage, die ich hier tätige, klingt komplett absurd. Aber ja, ein Stück weit tut er das. Während Trump Tag ein und Tag aus vor Gericht erscheinen muss, verliert er den Kampf um die Aufmerksamkeit. Eine Nacht im Gefängnis würde das radikal ändern. Aber mehr noch: Er könnte sich als Märtyrer inszenieren. Damit wäre die Geschichte perfekt – Trump zieht als David gegen Goliath, also den vermeintlich übermächtigen Staat, ins Gefecht und steht für uns alle auf. Das ist seine Geschichte. Klar ist auch: Für den Secret Service brächte das erhebliche logistische Schwierigkeiten mit sich. Und ob Trump die Realität im Gefängnis so gut gefallen würde, steht auf einem anderen Blatt.
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Richter Juan Merchan würde ihm also fast einen Gefallen tun, wenn er ihn dazu verdonnerte?
Es würde zumindest auf Trumps Narrativ von der vermeintlichen Hexenjagd, als die er den Prozess darstellt, einzahlen. Merchan sagt, es wäre das Letzte, was er tun möchte. Aber: Letztlich habe das Gericht hier seine Arbeit zu erledigen. Trump würde es helfen, seine Erzählung auf die Spitze zu treiben: Er will veranschaulichen, dass er aktiv davon abgehalten werde zu kandidieren. Jeden Tag wird er gefragt, ob er das Ergebnis der Wahl im November anerkennen wird, egal ob Sieg oder Niederlage. Jedes Mal weicht er aus und sagt, wir werden gewinnen. Und wenn wir nicht gewinnen, war die Wahl manipuliert. Also setzt er schon ein halbes Jahr vor der Wahl das Narrativ auf, es könne im Falle einer Niederlage nur mit unrechten Mitteln zugehen, durch eine Einmischung des Weißen Hauses, des Richters und durch Betrug. Das gleiche Muster haben wir bereits 2020 gesehen.
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Er hat rhetorisch noch eins draufgesetzt und die Strafverfahren als Teil einer Kampagne Bidens bezeichnet. Wörtlich sprach er von einer „Gestapo-Regierung“. Sieht man daran, wie sehr er unter Druck steht?
Er steht immens unter Druck. Schließlich verliert er während des Prozesses unfassbar viel Zeit. Joe Biden kann indessen ganz Amerika bereisen und seine Agenda vorantreiben. Am Wochenende war Trump in Mar-a-Lago, um sich mit republikanischen Spenderinnen und Spendern zu treffen. Machen wir uns das klar: Aktuell ist Trump beim Spendensammeln weit hinten. Bidens Kampagne hat inzwischen mehr als eine Milliarde Dollar eingenommen, Trump nur 770 Millionen. Er weiß, er muss jetzt mehr machen, um die Leute an sich zu binden. Dazu schwört er seine Anhänger und potentielle Spender auf den gemeinsamen Gegner ein – denn jeder Wahlkampf folgt dem Prinzip „Keine Mobilisierung ohne Polarisierung“. Darauf sind Aussagen wie dieser Gestapo-Vergleich angelegt.
Wie läuft die Kampagne aktuell für Joe Biden?
Das größte und medial spektakulärste Event der letzten Wochen war das White House Correspondents’ Dinner — quasi die Oscars für Journalistinnen und Journalisten. Dort hat man gesehen: Er gelingt ihm immer besser, mit seinem größten Defizit — nämlich seinem hohen Alter — umzugehen. Er hat eine Reihe von Witzen gemacht und sich auch selbst auf die Schippe genommen. Die Punchline, die hängen bleibt: „Ich bin ein erwachsener Mann und kandidiere jeden Tag gegen einen Sechsjährigen.“ Da skizziert er Trump als das bockige Kind, das sich im Supermarkt auf den Boden wirft. Biden kann sich nicht verjüngen, doch diese Art von Humor ist das Beste, was er machen kann.