Adelaide. Offenbar intensiviert Russland seine verdeckten Attacken in Europa. Nato und Bundesregierung kündigen gemeinsame Reaktion an.
Die Bundesregierung macht eine Einheit des russischen Militärgeheimdienstes GRU für einen Cyber-Angriff auf die SPD Anfang vergangenen Jahres verantwortlich. „Staatliche russische Hacker haben Deutschland im Cyberraum angegriffen“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Freitag während ihres Australien-Besuchs in Adelaide und kündigte Konsequenzen an.
Die SPD hatte im Juni 2023 bekannt gegeben, dass E-Mail-Konten des SPD-Parteivorstands bereits im Januar Ziel eines Cyberangriffs geworden seien. Möglich sei das durch eine zum Zeitpunkt des Angriffs noch unbekannte Sicherheitslücke beim Softwarekonzern Microsoft geworden, hieß es damals aus der SPD. „Es ist nicht auszuschließen, dass es zu einem Abfluss von Daten aus vereinzelten E-Mail-Postfächern kam“, teilte eine SPD-Sprecherin mit.
Baerbock: Das wird nicht ohne Konsequenzen bleiben
Laut Baerbock sind die Ermittlungen der Bundesregierung unter Federführung des Auswärtigen Amts dazu nun abgeschlossen. „Wir können diesen Angriff vom letzten Jahr heute eindeutig der Gruppe APT28 zuordnen, die vom russischen Geheimdienst GRU gesteuert wird“, sagte die Grünen-Politikerin. „Das ist völlig inakzeptabel und wird nicht ohne Konsequenzen bleiben.“
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Das Vorgehen ist kein Einzelfall: Die Nato hat praktisch zur gleichen Zeit „bösartige Aktivitäten“ Russlands in ihren Mitgliedsstaaten verurteilt. Es sei „tief besorgt“ über die „hybriden Angriffe“ Moskaus, die eine „Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten darstellen“, erklärte das westliche Militärbündnis in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung. Bei den russischen Aktivitäten handelt es sich demnach um Desinformationskampagnen, Sabotage- und Gewaltakte sowie Cyberangriffe.
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Feindliche Aktivitäten Russlands häufen sich
Die Vorfälle seien „Teil einer sich intensivierenden Kampagne von Aktivitäten“ Russlands, hieß es in der Erklärung weiter. Wegen „feindlicher Staatsaktivitäten“ habe es zuletzt in Tschechien, Estland, Deutschland, Lettland, Litauen, Polen und Großbritannien Ermittlungen gegeben. Teilweise sei auch Anklage erhoben worden.
Weiter hieß es, die Nato-Partner würden bei der Abschreckung und Abwehr dieser hybriden Angriffe zusammenarbeiten und unvermindert an der Unterstützung der Ukraine festhalten.
Großbritannien hatte Russland zuletzt vorgeworfen, einen Brandanschlag auf seinem Staatsgebiet „orchestriert“ zu haben. Das britische Außenministerium bestellte deswegen Ende April den russischen Botschafter in London ein. Zuvor war ein 20-jähriger Brite mit mutmaßlichen Verbindungen zur russischen Söldnergruppe Wagner angeklagt worden, der den Brandanschlag in London auf Unternehmen mit Verbindungen zur Ukraine verübt haben soll. Ungeklärt sind noch die Zusammenhänge bei der Ermordung zweier ukrainischer Soldaten, die in Bayern von einem Russen erstochen wurden.
Auch Aktivitäten der AfD unter Verdacht
Im Nato-Mitgliedsland Tschechien hatten die Behörden im März über die Enttarnung eines von Moskau finanzierten Propaganda-Netzwerks um die Internetseite „Voice of Europe“ mit Sitz in Prag informiert, das Europaabgeordnete für pro-russische Veröffentlichungen bezahlt haben soll. Auf der Seite waren unter anderem der AfD-Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah und der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron aufgetreten.
Ebenfalls Ende März hatte die polnische Spionageabwehr von einem Einsatz gegen ein russisches Spionagenetzwerk berichtet, das gegen EU-Institutionen agiert haben soll. Die mögliche Einflussnahme Moskaus auf die Europawahlen im Juni war auch Thema beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs Mitte April. (ftg/dpa)
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