Washington. Ex-US-Botschafter Grenell läuft sich für einen Posten im Kabinett Trump warm – mit fragwürdigen Methoden und einer üblen Agenda.
„Mein Gott, waren wir froh, als er endlich weg war.“ Dieser Satz stammt von deutschen Diplomaten und Politikern. Er war gemünzt auf Richard Grenell, der bis Sommer 2020 mit seinem konfrontativ-schulmeisterlichen Stil als US-Botschafter in Berlin die transatlantischen Beziehungen maßlos strapaziert hatte. Das Intermezzo könnte, auf viel höherer Ebene, seine Fortsetzung finden – und zwar dann, wenn Donald Trump eine zweite Amtszeit antreten sollte.
Gewinnt der republikanische Ex-Präsident der USA die Wahl im November gegen Joe Biden, gehört der offen schwul lebende Grenell in Washingtoner Polit-Zirkeln zu den ersten Anwärtern auf den Posten des „secretary of state“.
Kritiker des Trump treu ergebenen Republikaners werfen Grenell vor, sich ohne jedes Mandat als Mischung aus Schatten-Außenminister und Wirtschaftsförderer (zum eigenen Nutzen) zu betätigen und dabei die Politik der Biden-Regierung zu untergraben. Trump nennt den 57-Jährigen dagegen mit paternalistischem Unterton „meinen Botschafter“.
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Als solcher setzt Grenell den (nach Berlin) für ihn konstruierten Posten des „Sonderbeauftragten für Friedensverhandlungen zwischen dem Kosovo und Serbien“ mit bemerkenswerten Mitteln fort. Gemeinsam mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der sich von Saudi-Arabien mit zwei Milliarden Dollar für Investments ausstatten ließ, und Albaniens Präsident Edi Rama bastelt Grenell an ökologisch umstrittenen Luxus-Tourismus-Projekten auf der Adria-Insel Sazan und nahe der Küstenstadt Vlora.
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Immobilien-Projekt in Serbien? Grenell ist Kushner behilflich
Auch für ein riesiges Immobilien-Projekt Kushners in Belgrad hat Grenell seine exzellenten Kontakte zu Serbiens Präsident und Putin-Freund Aleksandar Vucic spielen lassen. Dort, wo Ende der 1990er Jahre das ehemalige Hauptquartier der jugoslawischen Armee von Nato-Kampffliegern zerschossen wurde, soll aus Ruinen ein Komplex aus Hotel, Luxus-Wohnungen und Museum entstehen. Realisierungsaussichten? Unklar, denn es gibt auch Widerstände.
Grenell, der betont, er sei ein Privatmann, hat mit der nach verquickten politischen und wirtschaftlichen Interessen aussehenden Optik kein Problem: „Niemand sollte sich jemals dafür entschuldigen, Geld verdienen zu wollen”, sagt er. Mit dem Balkan vertraute Diplomaten in Washington sind über die politischen Implikationen allerdings besorgt.
„Als Trumps Balkan-Emmissär war Grenell dabei, als Albaniens Rama, Serbiens Vucic und der damalige kosovarische Präsident Hashim Thaçi den Plan ausheckten, das Kosovo quasi unter sich aufzuteilen“, sagt ein ehemaliger Diplomat dieser Zeitung. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel habe das Vorhaben vereitelt. Kehrt Trump im Januar ins Weiße Haus zurück, werde es wahrscheinlich einen neuen Anlauf für das „fragwürdige Projekt geben”, fürchtet er. Grenell lässt die Kritik kalt.
Richard Grenell: Amerika braucht „Hurensöhne“ als Diplomaten
Im Vorgriff einer möglichen Nominierung zum Chef-Außenpolitiker, die in einem demokratisch beherrschten Senat alles andere als ein Kinderspiel werden würde, hat der Harvard-Absolvent sein Rollenverständnis formuliert. Kurzfassung: Amerika brauche „Hurensöhne” als Diplomaten, die klare Kante zeigten. Antony Blinken, der amtierende Außenminister, der gerade unermüdlich Pendel-Diplomatie in Sachen Gaza betreibt, fällt für Grenell in die Kategorie Weichei.
Überhaupt lässt er kein gutes Haar an der Art und Weise, wie Joe Biden geopolitische Krisen managt. Seine These: Unter Trump hätte es weder den Angriffs Russlands auf die Ukraine noch den Hamas-Terror gegen Israel gegeben. Belege? Indizien? Keine. Es reicht die bloße Behauptung.
So geht Grenell auch in seiner Parade-Disziplin vor, die ihm einst vom britischen „Guardian” das Etikett „Online-Pest” einbrachte: Er liebt es, Linke, Demokraten und die Biden-Regierung in sozialen Medien zu triggern und mit Halbwahrheiten oder Desinformation Stimmung zu machen.
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Hier ist Grenell, vorzugsweise auf X (ehedem Twitter), fast täglich hyperaktiv und gibt, ähnlich wie X-Boss Elon Musk, ungefragt zu allem und jedem Diskurs seinen Senf hinzu. Beispiel: „Donald Trump hat den Iran in die Pleite getrieben. Joe Biden hat dem Iran-Regime Hunderte Milliarden Dollar an Sanktionserleichterungen, Krediten und Mitteln gegeben”, schreibt der aus Grand Rapids in Michigan stammende Konservative, „der Iran greift Israel nun mit Joe Bidens Geld an.“
Unter Grenell stünde wohl „transaktionaler Nutzen“ im Fokus
Im seit über zwei Jahren andauernden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine moniert Grenell lautstark das Fehlen eines „Friedensplans”, sagt aber nicht, wie so ein Konstrukt aussehen könnte. Grenell hat die Medien im Visier. Journalisten, die fundierte Kritik an Trump und den Republikanern üben, werden abgekanzelt oder als Auftragsschreiber für die Demokraten tituliert.
Zu den wichtigsten Fürsprechern Grenells gehört Ex-Präsidenten-Sohn Donald Trump Jr. Beide verbindet die Lust an Polemik und Angriff. Seine Aggressivität wurde Grenell 2012 zum Verhängnis, als er kurzzeitig Sprecher der Präsidentschaftskampagne von Mitt Romney war und durch hässliche Beiträge in sozialen Medien auffiel. Mit Grenell an der Spitze des „state departement”, so fürchten ehemalige Diplomaten, würde sich Amerikas Rolle in der Welt „vollständig ändern”.
Nicht mehr demokratische Werte stünden dann im Vordergrund, sondern „transaktionaler Nutzen – nach dem Motto: eine Hand wäscht die andere”.
Was ehemalige Mitarbeiter des Außenministeriums besonders beunruhigt: Grenell, vor über zehn Jahren an Krebs erkrankt und vollständig genesen, war nach seinem Scheitern in Berlin kurzzeitig Trumps oberster Koordinator für sämtliche US-Geheimdienste.
Er verfügt damit über sensibles Herrschaftswissen in nahezu allen geopolitischen Konflikten. Dass er dies als Druckmittel voraussichtlich ganz im Sinne der Agenda Trumps einsetzen würde, käme er ins Amt, „stellt die größte Gefahr seit langem dar”.