Berlin. Jian G., ein AfD-Mitarbeiter, soll das Europaparlament im Auftrag der Chinesen ausspioniert haben. Wer ist der Mann? Und was wusste er?
Es ist 8.03 Uhr an diesem Mittwochmorgen, als die Nachricht wie ein Paukenschlag eintrifft. Die Nachrichtenagentur dpa meldet: „Haftbefehl gegen AfD-Mitarbeiter wegen China-Spionageverdacht“. Es sind nur fünf Worte, doch sie bergen Sprengpotenzial. Denn sie belegen, dass es nicht um eine politische Lappalie geht. Nicht um einen kleinen Skandal, der von manchen als größer und von anderen als kleiner eingeschätzt wird. Sondern dass die Bundesanwaltschaft Jian G. als mutmaßlichen Spion festgenommen hat. Sie wirft ihm „Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall“ vor. Es wird ernst für Jian G.
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Der 43-Jährige war als Brüsseler Assistent des AfD-Europapolitikers Maximilian Krah nah am politischen Betrieb. Er hatte sein Büro neben Krah, wie die „Zeit“ berichtet. Tür an Tür mit dem Spitzenkandidaten der Rechtspopulisten für die Europawahl. Die Frage ist, was Jian G. dort, im fünften Stock eines Hauses des Europaparlaments, alles mitbekommen hat. Was er wusste, mit wem er sprach. Und wie eng seine Verbindungen nach China waren.
Ein Mann, der beide Welten kennt: China und Europa
Auf Fotos von Jian G. sieht man einen Mann mit einer eckigen Brille und kurz geschnittenen Haaren. Seine offizielle Meldeadresse liegt im Dresdner Stadtteil Plauen. Ein Neubaublock, seine Wohnung ist im sechsten Stock, Blick auf eine Straßenbahnhaltestelle, schreibt die „Zeit“. Abgetaucht, verschwunden im Irgendwo einer mittelgroßen deutschen Stadt. War das sein Rückzugsort für seine Agententätigkeit für China?
Jian G. ist gebürtiger Chinese, hat jedoch seit zehn Jahren den deutschen Pass. Einer, der sowohl Asien als auch Europa kennt. Im September 2019 zog der AfD-Politiker Krah ins Europaparlament ein und stellte dabei Jian G. ein, kurz waren die beiden nach China gereist. Spätestens seit diesem Zeitpunkt, glauben deutsche Sicherheitsbehörden nach Medienberichten, habe G. für die chinesischen Behörden gearbeitet.
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Es gibt ein Foto von Krah und Jian G., noch aus dem März 2018. Krah hat es auf Facebook gepostet – es zeigt, wie die beiden in einem Restaurant zusammensitzen. Das Licht ist dunkel, eine einsame Kerze flackert. „Welche Chancen bringt die Neue Seidenstraße? Jian bringt mich auf den neuesten Stand“, schreibt Krah dazu. Die beiden wirken vertraut, Jian G. gilt als enger Mitarbeiter. Manche sagen: Er war Krahs rechte Hand.
Zu Gast beim Dalai Lama – als Tarnung für Jian G.?
Zu besseren Abstimmung wurde Jian G. in Chatgruppen eingeladen, er sprach mit vielen Mitarbeitern, war bei offiziellen Terminen dabei, er bekam viel mit. In den Medien wird er als ruhiger, stiller Mann beschrieben. Als einer, der wenig sagt, aber alles hört. Wenn man sich mit G. beschäftigt, fällt ein vermeintlicher Widerspruch auf: Ausgerechnet G. gab sich als Sympathisant der chinesischen Opposition aus.
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Es gibt ein Foto, über das T-Online als Erstes berichtete. Darauf zu sehen ist G., wie er mit weiteren chinesischen Oppositionellen zu Gast beim Dalai Lama ist, der selbst in Indien im Exil lebt. Ein weiteres Bild zeigt Jian G. mit chinesischen Dissidenten in Berlin. 2021 verkündete sogar die exiloppositionelle Republikanische Partei Chinas, dass G. nun ihr Generalsekretär sei.
Je mehr Jian G. wusste, desto gefährlicher für Krah
Alles nur Tarnung von G., um in Europa keinen Verdacht zu schöpfen? „Die Arme der chinesischen Regierung sind lang“, sagt Tienchi Martin-Liao, die frühere Präsidentin des unabhängigen chinesischen PEN-Zentrums, „Zeit Online“. Ihr hatte G. sogar ein edles Teeservice geschickt – dabei sei sie misstrauisch geworden, sagt sie. Zu diesem Zeitpunkt meldete G. möglicherweise schon alles, was er von seinen Kontakten wusste, nach China. Ein Tischservice sollte dabei wohl Türen öffnen.
Auffällig ist, dass G. weiterhin nach China reisen durfte. Das wird Kritikern des Regimes sonst verwehrt. G. wurde jedoch nicht behelligt. Und Krah? Der gibt sich beschwichtigend. Zunächst sagte er, Jian G. habe nichts Brisantes gewusst, also alles in bester Ordnung. Es war der Versuch, ein politisches Feuer auszutreten, dessen Flammen immer höher schlagen. Denn: Je mehr Jian G. wusste, desto gefährlicher für Krah. Am Mittwoch folgt dann die Meldung: Krah trennt sich von Jian G.
Und er selbst wird wohl AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl bleiben. Zumindest vorerst.