Düsseldorf. Erstmals seit fünf Jahren hat das Land NRW wieder in allen Schulen den Unterrichtsausfall gemessen. Das Ergebnis ist besorgniserregend.
Das Problem Unterrichtsausfall hat sich in den Schulen in NRW weiter verschärft. Erstmals seit der Pandemie hat das Land wieder den Ausfall systematisch gemessen. Ergebnis: Im ersten Schulhalbjahr 2023/24 fielen 4,7 Prozent der Unterrichtsstunden „ersatzlos aus“, teilte das NRW-Schulministerium am Montag mit. Bei der letzten offiziellen Erhebung im ersten Halbjahr 2018/19 lag der Unterrichts-Komplettausfall noch bei 3,3 Prozent.
Während vor fünf Jahren noch 83 Prozent des Unterrichts gemäß Stundenplan angeboten werden konnte, waren es zuletzt nur noch 78.3 Prozent. Außerdem gibt es heute mehr Vertretungsunterricht als früher. Das NRW-Schulministerium hält dagegen, dass im ersten Halbjahr 2023/24 pro Klasse und Woche im Schnitt mehr Unterricht habe angeboten werden können als 2018/19.
NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) sagte dazu, sie scheue nicht davor zurück, die Probleme „klar zu benennen“. Der Arbeitsauftrag ans Land, mehr Personal für die Schulen zu gewinnen, damit mehr Unterricht erteilt werden könne, bleibe.
Unterrichtsausfall in NRW: SPD spricht von „absolutem Desaster“
Die Schulexpertin der SPD-Landtagsfraktion, Dilek Engin, sprach von einem „absoluten Desaster“. Was Eltern schulpflichtiger Kinder tagtäglich erführen, werde durch diese neue Statistik nun schwarz auf weiß belegt. „Der Unterrichtsausfall in NRW ist verheerend hoch. Damit ist Schulministerin Feller an ihrem eigenen Ziel gescheitert, den Unterrichtsausfall so gering wie möglich zu halten. Anspruch und Wirklichkeit klaffen in NRW weit auseinander“, so Engin weiter.
Das Thema Unterrichtsausfall ist seit vielen Jahren in NRW politisch umstritten. Die frühere rot-grüne Landesregierung hatte sich geweigert, die ausgefallenen Stunden flächendeckend und systematisch zu zählen. Die schwarz-gelbe NRW-Regierung hielt ihr Wahlkampfversprechen und führte die Erhebung des Unterrichtsausfalls im ersten Halbjahr 2018/19 ein. Pandemiebedingt wurde die Erhebung im 2. Halbjahr ausgesetzt und erst jetzt wieder an allen öffentlichen Schulen durchgeführt.
Unterrichtsausfall: Schulministerin Dorothee Feller (CDU) erklärt ihn mit zwei „Sondereffekten“
Das NRW-Schulministerium führt den zunehmenden Unterrichtsausfall vor allem auf zwei „Sondereffekte“ zurück: Zum einen habe den Schulen im ersten Halbjahr 2023/24 ein zusätzlicher pädagogischer Tag zur Verfügung gestanden. Dies habe die Ausfall-Statistik mit bis zu einem Prozent verschlechtert. Zweitens habe es im vergangenen Herbst in NRW ungewöhnlich viele Atemwegsinfektionen gegeben. Der Krankenstand unter Lehrkräften habe sich dadurch erhöht, so die Landesregierung.
„Erschreckend hoch“ nennt die NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ayla Çelik, die neue Statistik zum Unterrichtsausfall. „Von der Landesregierung erwarte ich nun eine klare Strategie dagegen. Denn jede Stunde, die ausfällt, ist eine zu viel, weil es um die Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen geht. Politisch kann man nicht auf der einen Seite den Kompetenzrückgang der Schülerinnen und Schüler beklagen und auf der anderen Seite den Unterrichtsausfall hinnehmen.“
Çelik rät dazu, den Blick nicht nur auf die knapp fünf Prozent des Unterrichts zu richten, der ersatzlos ausfalle. „Insgesamt konnten nur drei von vier Unterrichtsstunden gemäß Stundenplan erteilt werden. Bei beispielsweise 32 Unterrichtsstunden pro Woche bedeutet diese Zahl, dass knapp acht Stunden im Schnitt pro Woche ausfallen. Das ist zu viel!“ Die Schulen müssten genügend Lehrkräfte haben. 100 Prozent Stellenbesetzung reichten nicht aus, um den Unterrichtsausfall in den Griff zu kriegen. Die GEW fordert „mindestens 110 Prozent“.