Berlin. In Zeiten von Hackerangriffen und hybrider Kriegsführung wird eine Einheit immer wichtiger. Wird sie sogar Heer und Co. gleichgestellt?
Sie sind die Augen und Ohren der Bundeswehr, gleichzeitig dienen sie als Schutzschirm: die Cyberspezialisten der Truppe. Sie schützen die Computersysteme der Bundeswehr im Inland und auf Auslandseinsätzen. Sie wehren Angriffe mit elektronischen Waffen ab, liefern den deutschen Soldatinnen und Soldaten ebenso wie befreundeten Armeen Daten und Informationen über ihr Einsatzgebiet. Der Bereich Cyber- und Informationsraum (CIR) der Bundeswehr könnte nun eine deutliche Aufwertung erfahren.
Die Bundeswehr fasst ihre Experten seit 2017 im Organisationsbereich CIR zusammen, 16.000 Beschäftigte arbeiten dort inzwischen. So wie das Heer für den Einsatz auf Land, die Luftwaffe für die Bereiche Luft und Weltraum zuständig sei, sei die CIR-Truppe „ganzheitlich für die Dimension Cyber- und Informationsraum verantwortlich“, wird der Auftrag auf den Internetseiten der Bundeswehr beschrieben. In Zeiten von Digitalisierung, Hackerangriffen und hybrider Kriegsführung wächst die Bedeutung der Cybertruppe für die Bundeswehr.
Oberster Bundeswehrsoldat warnt: „Müssen Raketenabwehr aufbauen – das ist ohne Alternative“
„Vom elektronischen Kampf über operative Kommunikation bis hin zu Geoinformationen und Wetterkunde“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei einem Besuch seiner Cybereinheit im vergangenen Jahr, verfügten die Experten über eine „enorme Bandbreite mit wichtigen Fähigkeiten, die die Truppe in allen Bereichen braucht“. Ausdrücklich verwies der Minister auf Beobachtungen aus dem Krieg in der Ukraine.
Vom elektronischen Kampf über Geoinformationen bis Wetterkunde
Der Krieg in der Ukraine gilt bei Militärstrategen als jüngstes Beispiel dafür, welche Bedeutung der Cyberkrieg bekommen hat. Zwar stehen sich die ukrainischen Truppen und die russischen Angreifer nahe der Front in einem Kampf mit Panzern und Haubitzen gegenüber, der an den Ersten Weltkrieg erinnert. Es findet jedoch auch eine hochmoderne Schlacht mit Drohnen und elektromagnetischen Waffen statt, in der IT-Spezialisten eine wichtige Rolle spielen. Es geht um zentimetergenaue Aufklärung. Darum feindliche Funkfrequenzen zu infiltrieren oder verschlüsselte Kommunikation zu knacken.
„Eine digitale Kriegstüchtigkeit ist auf dem modernen Gefechtsfeld von zentraler Bedeutung“, stellte der oberste Soldat der Bundeswehr, Generalinspekteur Carsten Breuer, unlängst fest. An diesem Donnerstag will Pistorius Pläne für eine Reform der Bundeswehr präsentieren. Er stützt sich dabei auf die Vorschläge einer Arbeitsgruppe aus seinem Ministerium. In deren Papier wird Pistorius empfohlen, den CIR-Bereich zur vierten Teilstreitkraft neben den traditionellen Gattungen Heer, Luftwaffe und Marine aufzuwerten.
Wird die Cybertruppe Heer, Luftwaffe, Marine gleichgestellt?
Der Reform liegt das Ziel zugrunde, die Bundeswehr vor dem Hintergrund des Konflikts mit Russland „kriegstüchtig“ zu machen. Pistorius und seine Berater gehen davon aus, dass der russische Machthaber Wladimir Putin in fünf Jahren so weit aufgerüstet haben könnte, dass er sich stark genug fühlt, einen Angriff auf die Nato zu wagen. Der Fokus der Truppe soll deswegen wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet werden.
Das bezieht sich aber nicht nur auf den klassischen Angriff mit beispielsweise Raketen, sondern auch auf Attacken im Verborgenen, gegen kritische Infrastruktur und IT-Systeme. Verteidigung bedeute, sich jederzeit wehren zu können – auch gegen hybride Bedrohungen, heißt es in dem Reformpapier. Die alltägliche Anbindung an die „globale und vernetzte Welt und unsere Versorgungsinfrastruktur sind anfällig gegenüber Bedrohungen und Schädigungen, ob in See, zu Land, in der Luft, im Weltall oder im Cyber- und Informationsraum“, warnen die Verfasser.
Elektronische Kriegsführung: „Sensibel und geheim“ – Russland dominiert unsichtbare Front
Die Union hält es für höchste Zeit, dass die von Pistorius angekündigte Reform angegangen wird. „Über zwei Jahre nach dem Beginn des Großangriffs Russlands auf die Ukraine ist eine grundlegende Anpassung der Strukturen der Bundeswehr an die neue Bedrohungslage überfällig“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul (CDU), dieser Redaktion.
Pistorius müsse tiefgreifende Maßnahmen angehen, „um aus der Friedensarmee Bundeswehr“ eine umfassend einsatzfähige Armee für die Landes- und Bündnisverteidigung zu machen. „Dabei muss es Ziel sein, dass alles auf den hochintensiven Einsatz konzentriert wird und dafür auch alte Zöpfe abgeschnitten werden müssen“, sagte Wadephul.
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