München. Die Söder-Regierung macht Ernst: Seit Dienstag ist geschlechtersensible Sprache in bayerischen Behörden verboten. Das hat Konsequenzen.
Der Landesvater hat Wort gehalten. Im Dezember letzten Jahres hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der sonst in Bierzelten gerne über vermeintliche Verbotsparteien herzieht, erstmals angekündigt, in Bayern gegen Gender-Sprache vorgehen zu wollen – jetzt ist es so weit. Das Bundesland hat seinen Schulen, Universitäten und der Verwaltung ausdrücklich verboten, geschlechtersensible Sprache zu verwenden.
Dafür hat das Kabinett am Dienstag die Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) geändert. Eigentlich war die Verwendung von Sonderzeichen wie Binnen-I oder Gender-Gap den Behörden im Freistaat schon zuvor untersagt – die AGO bestimmte, für den Schriftverkehr seien die Amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung anzuwenden – die Regelung sei nun aber nochmals „klarstellend ergänzt“ worden, wie es heißt.
Bayern fürchtet um seine Liberalitas
Mittels jener klarstellenden Ergänzung hat die Landesregierung damit nun Gendersternchen, Doppelpunkt und andere Ideen, eine inklusive (Schrift-)Sprache zu schaffen, aus der Kommunikation mit seinen Bürgerinnen und Bürgern verbannt.
Der Verständlichkeit halber und weil man in Bayern offenbar fürchtet, die Mehrheit der Bevölkerung werde vom Diskurs ausgeschlossen, wenn einige Menschen einschließend schreiben. In bestimmten gesellschaftlichen Milieus gebe es viele missionarische Nutzer bei der Verwendung der Sprache, was nicht mit einer offenen Gesellschaft vereinbar sei, sagte Staatskanzleichef Florian Hermann (CSU). Welche Milieus damit gemeint sind, sagte Hermann nicht.
„Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein“, sagte Herrmann. Es gehe mit dem Verbot aber auch darum, die „Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offenzuhalten“. Eine ideologisch geprägte Sprache etwa beim Gendern habe dagegen eine exkludierende Wirkung.
Es bestehe die Gefahr, dass Personen, die gendergerechte Sprache verwendeten, als menschenfreundlich und diejenigen, die es nicht tun, als solche angesehen würden, „die auf der dunklen Seite“ stehen. Es solle kein moralischer Druck entstehen, „nur wenn ich etwas so sage, sage ich es richtig“.
Die Gefahr scheint Bayern gebannt zu haben. Die oft bemühte „liberalitas bavariae“, ein besonders bayerisches Verständnis von Toleranz und Weltoffenheit, bleibt bewahrt.
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Regeln sollen lange gelten
Für sein Verbot beruft sich Bayern auf die Empfehlung des Rates für deutsche Rechtschreibung, der zuletzt Mitte Dezember 2023 von Gender-Sonderzeichen abgeraten hatte und dabei betonte, es handle sich dabei um Eingriffe in Wortbildung, Grammatik und Schreibweise, die Text unverständlich machen könnten.
In der gleichen Erklärung hatte der Rat eingangs klargestellt, man sei nach wie vor der Auffassung, dass „allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll“. Dies sei gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht über Eingriffe in die Rechtschreibung zu lösen sei. Allerdings, auch das hatte der Rechtschreibrat erklärt, werde man die Entwicklung weiter beobachten: „Geschlechtergerechte Schreibung ist aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Schreibentwicklung noch im Fluss.“
Dem sind sie in München zuvor gekommen: Die Regelung gelte „unabhängig von etwaigen künftigen Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen“, teilte die Staatskanzlei weiter mit. Immerhin, ganz abkapseln von möglichen Weiterentwicklungen der deutschen Sprache will man sich auch in Bayern nicht. Staatskanzleichef Hermann sagte, man werde sehen, ob es in fünf oder zehn Jahren eine andere Regelung brauche.
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Lehrer müssen sich an Regeln halten
Was bedeutet die Sprach-Regel nun für Bayerns Schulen? Auf Nachfrage erklärte Herrmann, das Verbot sei als Standard festgeschrieben, es gebe überdies auch ohne Sonderzeichen Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu sprechen. „Klar ist, dass Lehrkräfte sich daran halten müssen“, betonte Herrmann. Im gesamten dienstlichen Schriftverkehr, also auch bei Schreiben an Eltern, der kompletten internen Kommunikation und im Unterricht. Das sei eine klare und konsequente Linie, „die wir mit Augenmaß verfolgen“.
Besonders wichtig sei es der Staatsregierung, dass niemand benachteiligt werde, wenn er oder sie auf geschlechtersensible Sprache verzichte. Ob das jemals in der Breite der Fall war, ist umstritten. Vereinzelt ist von Hochschulabsolventen die Klage zu vernehmen, sie hätten schlechtere Noten bekommen, weil sie nicht genderten; in der Masse aber wissen die bayerischen Universitäten nichts von solchen Vorgaben.
An Schulen wäre eine Abwertung schwer vorstellbar, denn dort galt ja immer schon die amtliche Rechtschreibung als Standard – sollte jemand wegen deren Verwendung, etwa im Diktat oder Aufsatz, schlechter benotet werden, wäre das verwaltungsrechtlich angreifbar. Über solcherlei Klagen ist indessen nichts bekannt, was den Schluss nahelegt, dass noch kein Schüler in Bayern eine schlechtere Note bekommen hat, weil gendern nicht seins war.
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Schülerinnen und Schüler dürfen weiter gendern
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es Bayerns Schülerinnen und Schülern weiterhin erlaubt sein soll, Gender-Sprache im Unterricht zu verwenden, Fehler für Binnen-I und Gender-Gap soll es nicht geben. Davon geht auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband aus, der sich in einer Stellungnahme erleichtert zeigte, die Verbote seien nicht noch weitreichender als zunächst befürchtet.
Man habe sich mehr Freiheiten für die Schulen gewünscht, aber: „Vor allem bleiben die Schulen frei im mündlichen Sprachgebrauch und – noch deutlich wichtiger – auch die Schülerinnen und Schüler müssen nicht um ihre Noten fürchten, wenn sie neugierig sind, Fragen stellen und sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemühen.“ Wenn Kinder nach der Bedeutung und Möglichkeit von Sprache fragten, sei dies ein Anlass, um über das Thema ins Gespräch zu kommen.
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Auch künftig seien die Lehrkräfte nicht verpflichtet, das Gendern von Texten mit Sonderzeichen als Fehler zu werten, heißt es in der Stellungnahme des Verbands. Dieser sagte zudem klar: „Sprache soll nicht verletzen und soll alle Menschen einbinden und sichtbar machen. Deshalb müssen wir lernen, Sprache auch geschlechtersensibel zu nutzen.“