Berlin. Zahlreiche Russen warten am Mittag in einer Schlange vor der russischen Botschaft, um ihr Kreuz zu machen. Und trauen ihren Augen kaum.
Die Witwe des Kreml-Gegners Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, ist am Sonntag überraschend in Berlin aufgetaucht, um in der Russischen Botschaft wählen zu gehen. Sie stand mit ihrer Sprecherin Kira Jarmysch inmitten der Warteschlange, viele Russinnen und Russen applaudierten Nawalnaja und schenkten ihr Blumen. Auf die Frage, ob sie ihre Stimme ungültig machen wird, sagte Nawalnaja zunächst dieser Redaktion: „Das ist geheim“. Gegen 18.12 Uhr verließ sie das Botschaftsgebäude, das sie entgegen Warnungen betreten hatte und verkündete: „Ich habe den Namen Nawalny auf den Wahlzettel geschrieben“.
Zahlreiche Putin-Gegner hatten geplant, bei der Abstimmung auf ihren Stimmzetteln zwei Kreuze zu machen. Es ist ihre einzige Möglichkeit, ihren Protest gegen Wladimir Putin mitzuteilen. Denn eine Wahl haben die Russen nicht. Neben Putin stehen drei Gegenkandidaten auf dem Stimmzettel, die allesamt als kremltreu gelten. Der letzte Oppositionspolitiker und Kriegsgegner, Boris Nadeschdin, wurde wegen angeblich falscher Unterschriften kurz vor der Wahl ausgeschlossen.
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Wahl in Russland: Putin will sich mit Rekordergebnis in fünfte Amtszeit wählen lassen
In Deutschland können an diesem Sonntag rund 260.000 Russinnen und Russen an der Präsidentschaftswahl teilnehmen. Aufgrund der Russland-Sanktionen haben allerdings lediglich zwei Wahllokale geöffnet: das russische Generalkonsulat in Bonn und die russische Botschaft in Berlin. Sie sind noch bis 20 Uhr geöffnet. In Russland läuft die Wahl bereits seit Freitag. Der Kreml erwartet eine Wahlbeteiligung zwischen 70 und 80 Prozent.
Der amtierende Präsident Putin will sich mit einem Rekordergebnis in seine fünfte Amtszeit wählen lassen. Obwohl der Ausgang der Wahl bereits feststeht, ist das Ergebnis nicht unerheblich. Für Autokraten seien die Wahlen wichtig, um ihre Unterstützung durch die Öffentlichkeit zu beweisen, erklärt die Politikwissenschaftlerin, Silvia von Steinsdorff, von der Humboldt Universität in Berlin.
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Nawalny-Team hatte zu stiller Protestaktion aufgerufen
Gegen Mittag standen Russinnen und Russen in einer langen Schlange an der russischen Botschaft an. Einige von ihnen trugen die gelb-blauen Farben der ukrainischen Flagge, andere hatten Transparente oder Plakate dabei, auf denen etwa „Putin ist ein Mörder“ zu lesen war. Die Polizei sprach am Nachmittag von rund 2000 Menschen, die ihre Stimme abgeben wollten. Nawalnaja reihte sich zu einem Zeitpunkt in die Warteschlange, der kein Zufall war.
Das Nawalny-Team hatte alle Wahlberechtigten dazu aufgerufen, an der Aktion „Mittag gegen Putin“ teilzunehmen – ein stiller Protest von Oppositionellen, Putin-Gegnern und Unterstützern des in einem sibirischen Straflager gestorbenen Nawalny. Am Sonntag um 12 Uhr sollten sie vor den Wahllokalen erscheinen, damit an der Menschenmenge abgelesen werden kann, wie viele Russinnen und Russen den Kreml und den Angriffskrieg in der Ukraine tatsächlich ablehnen.
Neben Nawalnaja reihte sich auch der im Exil in Großbritannien lebende Unternehmer und Kremlkritiker Michail Chodorkowski in den Protest ein. Aufnahmen von ihm sind auf der Plattform X (früher Twitter) geteilt worden – sowie ein Bild, das ihn im Gespräch mit der Witwe Nawalnys zeigte.
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