Düsseldorf. 13 Jahre nach dem Start der Sekundarschule in NRW sinkt die Nachfrage deutlich. Warum viele Familien die Gesamtschule bevorzugen.
Als jüngste Schulform in NRW geraten die Sekundarschulen immer stärker unter Existenzdruck. Die Anmeldezahlen sinken kontinuierlich, immer mehr Schulen werden geschlossen oder in Gesamtschulen umgewandelt. Im Jahr 2011 gegründet, sollen sie eigentlich ein „attraktives, umfassendes und wohnortnahes Schulangebot gewährleisten“, so das Schulministerium. Die in der Regel als Ganztagsschulen betriebenen Sekundarschulen umfassen die Jahrgänge 5 bis 10. Sie bieten keine eigene Oberstufe an, können aber durch eine Kooperation etwa mit einem Gymnasium auf das Abitur vorbereiten.
Sekundarschulen: Unterschiedliche Trends im Ruhrgebiet
Doch das Angebot scheint immer weniger Eltern zu überzeugen. Kürzlich sprach sich der Schulausschuss der Stadt Bochum dafür aus, zwei Sekundarschulen zu schließen, dafür sollen ein neues Gymnasium und eine neue, inzwischen die sechste Gesamtschule eingerichtet werden. Die Stadt reagiert damit auf sinkende Anmeldezahlen. Nachdem in Bochum die Anzahl der Schülerinnen und Schüler seit Gründung der Schulform zunächst bis auf gut 1600 angestiegen war, sank sie bis zum Schuljahr 2021/2022 auf nur noch 755 ab. Die Stadt geht davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen werde.
Viele Eltern würden nicht verstehen, dass es sich bei der Sekundarschule um eine Gesamtschule ohne Oberstufe handele, und entschieden sich deshalb gegen die Schulform, meinte die Schulleiterin der betroffenen Bochumer Sekundarschule. Auch in Duisburg wurde bereits eine Sekundarschule in eine Gesamtschule umgewandelt. Die zwei verbliebenen Sekundarschulen sollen aber bestehen bleiben, teilt die Stadt mit. In Essen sei derzeit nicht geplant, eine Sekundarschule zu schließen oder umzuwandeln. „Generell beobachtet die Stadt den Trend, dass Sekundarschulen nicht gut nachgefragt werden“, heißt es auf Anfrage.
Sekundarschulen: Zahl der Schüler sinkt deutlich
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich landesweit ablesen. Nach einem anfänglichen Boom ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den Sekundarschulen in einem stetigen Sinkflug: Landesweit sank ihre Zahl an den damals insgesamt 115 Sekundarschulen in NRW vom Schuljahr 2020/21 bis 2021/22 von 58.600 auf 54.200 – ein Rückgang von 7,5 Prozent in einem Jahr.
Dabei sind die Quoten je nach Stadt recht unterschiedlich. So sanken die Zahlen laut Landesstatistikamt IT.NRW in Duisburg im selben Zeitraum um etwa zwei Prozent, in Gelsenkirchen um drei Prozent, in Essen blieben sie nahezu unverändert, während sie in Bochum um zehn Prozent schrumpften. Es ist absehbar, dass sinkende Schülerzahlen aber über kurz oder lang zu weiteren Schulschließungen führen könnten.
Sekundarschulen: Vielerorts schließen sie, es entstehen aber auch neue
Laut dem NRW-Schulministerium gibt es aktuell in NRW 112 Sekundarschulen, von denen elf privat betrieben werden. Das Ministerium nennt acht Städte, an denen Sekundarschulen zuletzt geschlossen wurden beziehungsweise vor der Schließung stehen: Dinslaken, Geldern, Monheim, Neuss, Wermelskirchen, Castrop-Rauxel, Münster und Velen. In Dinslaken, Geldern und Neuss seien stattdessen Gesamtschulen gegründet worden. Allerdings seien in Bielefeld erst kürzlich zwei neue Sekundarschulen dazu gekommen.
Eine Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf sagte auf Nachfrage, dass drei von den aktuell 15 Sekundarschulen im Bezirk auslaufen würden: in Monheim, Dinslaken und in Solingen. In Solingen dauere es noch etwas länger mit der Schließung. Dort sei gerade zum letzten Mal ein fünfter Jahrgang aufgenommen worden.
Das Schulministerium sieht diese Schulform trotz der sinkenden Anmeldezahlen derzeit nicht als Auslaufmodell. „Es gibt in NRW viele gut laufende und von den Eltern gewünschte und getragene Sekundarschulen. Es gibt aber auch Sekundarschulen, die vor Ort in direkter Konkurrenz zu Realschulen oder Gesamtschulen stehen und es schwerer haben, weil zum Beispiel die nächstgelegene Gesamtschule mit einer eigenen Oberstufe ein attraktives Angebot macht“, heißt es dort.
Sekundarschulen: Gewerkschaft GEW erinnert an die fehlende Oberstufe
Die Bildungsgewerkschaft GEW in NRW sieht durchaus einen Bedarf für die Sekundarschule, vor allem im ländlichen Raum. „Die Sekundarschule ist eine Schule für alle, es findet keine Selektion statt“, betont Ayla Celik, Vorsitzende der GEW in NRW. „Nachteile sind dort zu sehen, wo sie in Konkurrenz zum gegliederten Schulsystem steht.“ Auch die fehlende Oberstufe sei ein Manko. „Viele Eltern wünschen sich für ihr Kind eine Schule, die perspektivisch auch die Oberstufe bei sich verortet“, so Celik.
In Ballungsräumen mit einem großen Schulangebot vor Ort hätten die Sekundarschulen einen schweren Stand. Daher versuchten die Städte, sie in Gesamtschulen umzuwandeln, wenn absehbar genügend Schüler für eine Oberstufe vorhanden sind. „Die Akzeptanz der Elternschaft ist aufgrund der kurzen Geschichte der Sekundarschule noch nicht überall gegeben“, räumt Celik ein. Mit anderen Worten: Die Eltern stimmen mit den Füßen ab.
Was die Sekundarschule ausmacht
An Sekundarschulen werden die Schülerinnen und Schüler sowohl auf eine berufliche Ausbildung als auch auf die Hochschulreife vorbereitet. Der Unterricht ist laut Schulministerium „im besonderen Maße der individuellen Förderung verpflichtet“. In der Doppeljahrgangsstufe 5 und 6 wird das gemeinsame Lernen der Grundschule fortgeführt.
Ab der Klasse 7 gibt es unterschiedliche Zweige und Organisationsformen. Die Sekundarschule verfügt über keine eigene Oberstufe, bietet aber über eine verbindliche Zusammenarbeit mit der Oberstufe von Gymnasium, Gesamtschule oder Berufskolleg eine Schullaufbahn bis zum Abitur.
Die Sekundarschule ist im Regelfall mindestens dreizügig und als Ganztagsschule angelegt.