Kiew. Es klingt witzig, aber das Ganze hat einen ernsten Hintergrund: Katzen sind aus ukrainischen Schützengräben nicht mehr wegzudenken.
Der Personalwechsel an der Spitze des Militärs hat zuletzt viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Generaloberst Oleksandr Syrskyj, das Mastermind hinter der erfolgreichen Verteidigung von Kiew und Initiator der blitzschnellen Gegenoffensive in Charkiw im Herbst 2022, hat den beliebten Walerij Saluschnyj ersetzt. Der neue Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist jedoch nicht der einzige berühmte Syrskyj.
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So gibt es einen Kater mit dem gleichen Namen, der vom ukrainischen Wort für Käse stammt. Dieser Kater ist zusammen mit einer Einheit in der Nähe der Front unterwegs. In den letzten Monaten ist er zu einer derartigen Internet-Sensation geworden, dass selbst die dem Präsidentenbüro nahestehenden Telegram-Kanäle darauf reagierten: „Der Kommandeur Syrskyj und der Kater Syrskyj müssen sich unbedingt eines Tages treffen.“ Dazu ist es allerdings noch nicht gekommen.
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Syrskyj ist zwar der bekannteste ukrainische Armee-Kater, doch es gibt noch mehr Internet-Stars: etwa Schajbyk, dessen Name eine Anspielung auf einen Hockey-Puck ist. Auf TikTok findet man zahlreiche Videos, die Katzen im Einsatz für die ukrainischen Streitkräfte zeigen. Eines davon macht neben allem Humor deutlich, wie ernst der Anlass ist: Zu sehen ist ein Soldat, der eine Maus in seinen Händen hält und diese mehreren Katzen präsentiert. Er erklärt ihnen, dass sie die Mäuse auffressen sollen.
Ukraine-Krieg: Katzen sind unermesslich wichtig für die Soldaten an der Front
Denn seit Spätherbst erleben die ukrainischen Soldaten wetterbedingt einen katastrophalen Zulauf von Mäusen und Ratten in ihren Schützengräben. Die Nagetiere verstecken sich in Taschen und persönlichen Gegenständen der Kämpfer und fressen nicht nur Lebensmittel auf, sondern beschädigen auch wichtige Technik, darunter teure Starlink-Terminals und Kabel.
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„Es sieht im Nachhinein so aus, als hätten Russen die Technik beschossen – dabei waren es ‚nur‘ Mäuse“, scherzen die Soldaten. Die Katzen sind große Hilfe: Die Ukrainer bringen sie bewusst in Frontnähe, um die Nagetiere zu dezimieren. Dabei nutzen sie vor allem Katzen aus benachbarten Dörfern, die von ihren Besitzern auf der Flucht zurückgelassen worden sind und nun Schutz vom ständigen Beschuss, Drohnenangriffen und Minenfeldern suchen. Den Kater Syrskyj hat zum Beispiel der Offizier Roman Synyzyn während eines Kampfeinsatzes in einem Dorf an der Front entdeckt. Dort mussten seine Soldaten einen Monat lang in einem verlassenen, von Mäusen befallenen wohnen.
„Wenn dieses verängstigte kleine Wesen auf der Suche nach Schutz zu Ihnen kommt, wie kann man dann Nein sagen? Wir sind stark, deswegen schützen wir schwächere Kreaturen, die sich in der gleichen schrecklichen Situation befinden“, sagt der Kriegsmediziner Oleksandr Jabtschenko der ukrainischen „Focus“-Zeitschrift. „Und diese Situation ist nur deswegen entstanden, weil die Russen unser Land betraten.“ Wenn die Katzen den Soldaten noch praktisch helfen könnten, sei das von einer noch größeren Bedeutung.
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Aber auch der psychologische Effekt der Katzen auf die Ukrainer ist im Krieg nicht zu unterschätzen. Denn die Soldaten bauen eine Beziehung zu den Tieren auf. So nehmen einige die Tiere sogar während des Fronturlaubs mit nach Hause. Andere lassen die Katzen aber aus praktischen Gründen in den Schützengräben zurück und übergeben sie manchmal sogar im Zuge der Rotation an andere Einheiten. Die Katzen sind an der Front wichtiger als man es auf den ersten Blick hätte ahnen können.