Berlin. Militant, rechtsextrem, sehr gut vernetzt: Die “Hammerskins“ gelten als hochgefährlich. Was über die Neonazi-Gruppe bekannt ist.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die rechtsextreme Gruppe "Hammerskins Deutschland" inklusive der regionalen sogenannten Chapter und der Teilorganisation "Crew 38" verboten. Gründe gab es dafür reichlich. In Deutschland selbst war die Gruppe zwar recht klein – dafür aber sehr aktiv.
Wer sind die Hammerskins?
Die "Hammerskins Deutschland" sind ein Ableger der 1986 in den USA gegründeten "Hammerskins Nation" (HSN). Die Hammerskins gelten als gut organisiert und sind weltweit mit "Divisionen" vertreten, etwa in Kanada, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz. In Deutschland werden die elf regionalen Gruppen als "Chapter" bezeichnet.
Die Mitglieder der "Hammerskins" verstehen sich als Elite der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Die Journalistin und Szenekennerin Andrea Röpke betrachtet die Gruppe als "militanten Geheimbund". Die begriffliche Nähe zu kriminellen Rockerclubs wie den Hell's Angels oder den Bandidos, die sich ebenfalls in "Chaptern" organisieren, ist nach Meinung von Experten nicht zufällig. Ähnlich wie bei den Rockern gelten bei den "Hammerskins" eine strenge Hierarchie und etliche interne Regeln.
"Hammerskins": Das ist ihre Ideologie
Kernelement ihres Gedankenguts ist das Propagieren einer an die NS-Ideologie angelehnten Rassenlehre, heißt es beim Innenministerium. Die "Hammerskins" orientieren sich an Krieger- und Männlichkeitsbildern, die den Wikingern und den Nationalsozialisten entlehnt sind. Eine wesentliche Rolle spielt das Bekenntnis zu den sogenannten "14words" des amerikanischen Terroristen David Lane.
Dieser Leitspruch der rechtsradikalen Szene lautet "Wir müssen die Existenz unserer Rasse und die Zukunft für die weißen Kinder sichern." Das Logo der Gruppe zeigt zwei gekreuzte Hämmer auf einem Zahnrad, in den Farben Schwarz, Weiß und Rot. Mutmaßlicher Europachef der "Hammerskins" war der deutsche Neonazi Malte Redeker aus Ludwigshafen.
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In welchen Bereichen war die Gruppe aktiv?
Viele Rechtsrock-Konzerte mit international bekannten Szenebands gingen auf das Konto der "Hammerskins". Bei Mitgliedertreffen aus verschiedenen Ländern, sogenannten "Hammerfesten", hat sich die Szene weiter vernetzt. A propos Konto: Die Erlöse aus den Konzertverkäufen flossen zum Teil an politische Gefangene in Haft oder an "die Hinterbliebenen unsere verstorbenen Brüder und Schwestern", wie die Journalisten Andrea Röpke und Andreas Speit in ihrem Buch "Blut und Ehre" schreiben. Auch Waffenschmuggel und Schießtrainings sollen immer wieder vorgekommen sein.
Dass die Mitglieder gewaltbereit sind, zeigte sich in den USA spätestens 2012: Damals erschoss der amerikanische "Hammerskin" und Rechtsrock-Sänger Michael Wade Page sechs Menschen in einem Sikh-Tempel im US-Bundesstaat Wisconsin. Zuvor war Page mit verschiedenen Bands auch in Deutschland aufgetreten – ein weiterer Beleg für die Vernetzung der Szene.
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"Hammerskins": Wie viele Mitglieder hatte die Gruppe?
In Deutschland umfasste die Gruppierung etwa 130 Mitglieder und rund 60 Sympathisanten, wie aus einer Analyse des Bundeskriminalamtes hervorgeht. Anwärter auf eine Mitgliedschaft wurden "Prospects" genannt, ins Netzwerk Aufgenommene nannten sich "Members", schreiben Speit und Röpke. Besonders aktiv waren laut der BKA-Analyse die Chapter im Südwesten Deutschlands, in Sachsen, Bremen und Bayern.
Wann ist die Gruppe öffentlich stärker aufgetreten?
Nach dem Verbot des neonazistischen Netzwerks "Blood & Honour" (B&H) in Deutschland im Jahr 2000 bemühten sich die Hammerskins zunehmend um dessen alte Geschäftsfelder wie Konzertorganisation. Fast wäre der Gruppe hier ein Strich durch die Rechnung gemacht worden, denn zeitweilig hatte das Bundesinnenministerium nach dem B&H-Verbot erwogen, auch die "Hammerskins" zu verbieten. Dazu kam es letztlich nicht: Rund zehn Jahre lang beobachteten die Behörden die Gruppe nur noch lose. In den Jahresberichten der Landesämter für Verfassungsschutz tauchten sie höchstens unter ferner liefen auf.
So konnten sie gegen wenig Widerstand über die Jahre in Deutschland verschiedene Immobilien kaufen – darunter das sogenannte "Thinghaus" im mecklenburgischen Grevesmühlen, das zehn Jahre lang als Szenetreffpunkt fungierte, und eine ehemalige Bäckerei in Anklam.
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Dass sie gefährlich sind, hätte man schon früher feststellen können. 2003 hatte ein französischer "Hammerskin" einen kleinen Skandal in Deutschland verursacht, wie Speit und Röpke schreiben: Der Neonazi Didier Magnien gehörte einer terroristischen Gruppe an, die Bombenanschläge mit mindestens einem Toten und etlichen Verletzten verübt hatte. Die bayerische Neonazi-Szene nahm Magnien Ende der Neunzigerjahre mit offenen Armen auf, freundete sich mit dem späteren NPD-Chef Holger Apfel an. Der Skandal beläuft sich allerdings darauf, dass Magnien in all der Zeit als Spitzel für den bayerischen Verfassungsschutz arbeitete.
Ein Ereignis löste für die Sicherheitsbehörden dann doch die Wende aus: Im Jahr 2012 organisierten örtliche Mitglieder aus dem Chapter "Westmark" (Region Saarland / Pfalz, die Bezeichnung ist angelehnt an den nationalsozialistischen "Gau Westmark", eine NS-Verwaltungseinheit, Anm. Red.). ein riesiges Konzert. Rund 2000 einschlägige Gäste kamen, die Größe und die Aktivität der "Hammerskins" war nicht mehr zu übersehen, wie Röpke und Speit betonen. Das Konzert fand im lothringischen Toul statt. Frankreich gilt schon lange als Rückzugsort des deutschen Führungszirkels um Malte Redeker.
Welche Delikte gehen auf das Konto der "Hammerskins"?
Etliche Mitglieder haben Vorstrafen wegen Körperverletzung oder unerlaubten Waffenbesitzes. Bei Konzertveranstaltungen würden auch Nicht-Mitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut konfrontiert, ideologisiert und radikalisiert, hält das Bundesinnenministerium fest. Die Gruppierung vertreibe rechtsextremistische und antisemitische Musik, organisiere rechtsextremistische Konzerte und verkaufe rechtsextremistische Merchandise-Artikel.
Auch auf Mallorca sind die "Hammerskins" schon aufgefallen: 2017 sollen Europachef Malte Redeker und andere Mitglieder in El Arenal in einer Kneipe eine Reichskriegsflagge gezeigt haben, wie mehrere Medien damals berichteten. Urlauber klagten zudem über rechtsradikale Lieder, die die Männer am Pool einer Hotelanlage gehört hätten. "Sie haben uns Angst eingejagt", sagte ein Berliner mit türkischen Wurzeln der "Mallorca-Zeitung" – er habe sich letztlich dazu entschlossen, wegen der Neonazis das Hotel zu wechseln.
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Wofür steht "Crew 38"?
"Crew 38" ist ein internes Netzwerk von Unterstützern. Die "38" steht für den dritten und achten Buchstaben im Alphabet, also C und H – die Abkürzung soll "Crossed Hammers" bedeuten, eine Referenz auf das Logo der "Hammerskins". Mitglieder, die Ärger mit den Strafverfolgungsbehörden haben, können auf Hilfe durch das Netzwerk setzen.
Welche Folgen dürfte das Verbot der Neonazi-Gruppierung haben?
Das Verbot der "Hammerskins" sei ein harter Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus, sagte Faeser: "Mit diesem Verbot beenden wir in Deutschland das menschenverachtende Treiben einer international agierenden Neonazi-Vereinigung."
Der Einschätzung Faesers schließt sich der Berliner Rechtsextremismusforscher Hajo Funke an. "Die 'Hammerskins' sind eine der härtesten Neonazi-Organisationen in den USA und Deutschland", sagte Funke unserer Redaktion. Früher sei die Führungsriege jahrelang von V-Leuten durchsetzt gewesen, Verfassungsschützer hätten auf diese Weise versucht, die Gruppen zu kontrollieren. "Das ist jetzt anders. Insofern ist das Verbot ein gutes Zeichen."
Funke kritisiert allerdings: "Dass das nicht zehn Jahre früher gemacht wurde, ist nicht zu verstehen. Das ist eine Schwäche, denn das war alles bekannt."
Je nachdem, wie stark das Verbot nun umgesetzt werde, sei es tatsächlich ein großer Schlag gegen die Szene. "Die Waffen sind weg, die Neonazis können sofort belangt werden, wenn sie sich treffen oder Druck auf ihr nicht rechtsextremes Umfeld ausüben", sagte Funke. Strafbare Äußerungen auf Demonstrationen und Drohungen müssten sofort geahndet werden, Geheimtreffen und Musikfestivals könnten im Vorfeld verhindert werden, sagte der Forscher. Der Schlüssel dazu: "Man muss den Wirkungskreis mithilfe aktiver Polizeiarbeit weiter stark beobachten und signalisieren: Wir haben euch gestern gesehen, wir werden euch morgen sehen. So kann man die Neonazi-Strukturen wirklich lahmlegen." (mit Material von dpa)