Madrid. Das Gratisticket für den Nahverkehr bringt neuen Fahrgastrekord auf Mallorca. Kann das Konzept ein Vorbild für den Rest Europas sein?

„Was nichts kostet, ist nichts wert“, behauptet ein altes Sprichwort. Doch Spanien beweist gerade mit einem Null-Euro-Ticket, dass ein kostenloser Nahverkehr sich sehr wohl großer Wertschätzung erfreut. Seit die spanische Regierung in Madrid auf den Balearischen und den Kanarischen Inseln den Gratis-Fahrschein einführte, nutzen dort so viele Fahrgäste wie noch nie Bahnen und Busse. Diese Nahverkehrspolitik sei „ein Schlüsselelement bei der Erreichung der Klimaziele und der Reduzierung der Luftverschmutzung“, erklärt Spaniens Verkehrsministerium.

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Nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr verlängerte die Regierung in Madrid dieses Freifahrt-Experiment auf Mallorca, Teneriffa und den umliegenden kleineren Inseln um ein weiteres Jahr. Mehr als 120 Millionen Euro lässt sich die Mitte-links-Regierung des Sozialdemokraten Pedro Sánchez den kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) 2024 auf den Balearen und den Kanaren kosten. In Europa haben sonst nur noch die Kleinstaaten Luxemburg und Malta den Gratis-ÖPNV eingeführt. Kann das Null-Euro-Ticket ein Modell für andere Länder sein?

Busse und Bahnen sind seit drei Jahren in Luxemburg kostenlos

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    Fakt ist jedenfalls, dass die Fahrgastzahlen auf den spanischen Ferieninseln im vergangenen Jahr auf Rekordhöhe stiegen. Und zwar derart, dass es zum Beispiel in den Stadtbussen von Palma de Mallorca zu Stoßzeiten schwierig war, überhaupt einen Platz zu ergattern. Über 40 Prozent mehr Busnutzer registrierte Palmas Stadtverwaltung im vergangenen Jahr. Die Kanaren, zu denen auch die bekannten Inseln Gran Canaria, Fuerteventura und Lanzarote gehören, melden ähnliche Zuwachsraten.

    Spanien: Touristen haben das Nachsehen

    Allerdings haben die Millionen Touristen, die auf diesen Inselgruppen Ferien machen, das Nachsehen. Die kostenlose ÖPNV-Nutzung gilt nur für Bewohner, die offiziell beim Einwohnermeldeamt mit Hauptwohnsitz registriert sind und entsprechend vor Ort ihre Steuern zahlen. Zehntausende Ausländer, die dort ihren Zweitwohnsitz haben, aber nicht offiziell gemeldet sind, gehen leer aus und müssen den normalen Fahrpreis bezahlen.

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    Die freie ÖPNV-Fahrt ist bei der Bevölkerung so beliebt, dass auch die neuen konservativen und Machthaber, die in den letzten Regionalwahlen auf den Inseln ans Ruder kamen, keinen Kurswechsel einleiten wollten. Sie baten Spaniens Premier Sánchez, die Finanzierung des kostenlosen Nahverkehrs auf den Inseln beizubehalten. Spaniens konservative Volkspartei hatte im Frühjahr 2024 die Sozialdemokraten auf den Balearen und den Kanaren in die Opposition geschickt und seitdem beim Klima- und Umweltschutz gebremst.

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    Auf dem spanischen Festland hat es die nationale Regierung ebenfalls erfolgreich geschafft, mit einer großzügigen Subventionspolitik den Nahverkehr anzuschieben. Etwa mit Gratis-Abos für Pendler, welche die Nahverkehrszüge oder die staatlichen Überlandbusse benutzen. Zudem mit einer üppigen Subventionierung der Bus-, Untergrund- und Straßenbahntarife im städtischen ÖPNV, wodurch die Abos für Vielfahrer um rund 50 Prozent gesunken sind.

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    Insgesamt machte Regierungschef Sánchez für 2024 1,5 Milliarden Euro für den kostenlosen oder subventionierten Nahverkehr im ganzen Land locker. Sánchez kann sich durch die neusten landesweiten Fahrgastzahlen, die das nationale Statistikamt gerade veröffentlichte, bestätigt fühlen. Die Nutzerzahlen für Bahn, Bus und Nahverkehrszüge stiegen im Jahr 2023 in ganz Spanien um mehr als 18 Prozent.

    So sieht der ICE3Neo aus

    Helles Eichenfurnier und warmes Licht sollen die Züge wohnlicher machen.
    Helles Eichenfurnier und warmes Licht sollen die Züge wohnlicher machen. © Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services | Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services
    Das neue Design soll für Reisende ab Dezember 2023 im ICE3Neo zu erleben sein.
    Das neue Design soll für Reisende ab Dezember 2023 im ICE3Neo zu erleben sein. © Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services | Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services
    In der zweiten Klasse gibt es künftig für jeden Sitz eine Steckdose, bislang war es eine Steckdose pro Doppelsitz.
    In der zweiten Klasse gibt es künftig für jeden Sitz eine Steckdose, bislang war es eine Steckdose pro Doppelsitz. © Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services
    Auch das Bordrestaurant bekommt einen neuen Look. Während die Sitze in der zweiten Klasse in dunkelblau und in der ersten Klasse grau gehalten sind, wird im Bordrestaurant
    Auch das Bordrestaurant bekommt einen neuen Look. Während die Sitze in der zweiten Klasse in dunkelblau und in der ersten Klasse grau gehalten sind, wird im Bordrestaurant "Burgundy", also ein Weinrot, verwendet. © Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services
    Zwischen Doppelsitzen gibt es keine Lücke mehr, sondern stattdessen eine durchgehende Rückwand. An den Tischen ist eine ausklappbare Tablet-Halterung befestigt.
    Zwischen Doppelsitzen gibt es keine Lücke mehr, sondern stattdessen eine durchgehende Rückwand. An den Tischen ist eine ausklappbare Tablet-Halterung befestigt. © Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services
    Die Deutsche Bahn setzt auf einen Mix an Materialien.
    Die Deutsche Bahn setzt auf einen Mix an Materialien. © Jörg Krauthöfer / Funke Foto Services
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    Auch wenn noch keine verlässlichen Studien darüber vorliegen, ob dies im Gegenzug eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und der Abgasbelastung in den Städten brachte. Der Umwelt geschadet hat die größere Nutzung des ÖPNV sicherlich nicht. Im Madrider Verkehrsministerium sieht man das Land auf dem richtigen Weg „zu einer gesünderen und nachhaltigeren Mobilität“.

    Spaniens Millionenstädte Madrid und Barcelona, die wegen der hohen Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxid (NO2) am Pranger standen, melden derweil, dass erstmals die europäischen NO2-Grenzwerte wieder eingehalten werden. Der Ausbau von Verkehrsumweltzonen, die wachsende Verbreitung von Elektro- und Hybridautos und auch die stärkere Nutzung des umweltfreundlichen Nahverkehrs scheinen also doch Früchte zu tragen.