Washington. Zum dritten Mal reist Scholz nach Washington, um den US-Präsidenten zu treffen. Doch fragt man die Amerikaner, bleibt er unsichtbar.
Immer nur kurz da. Und dann schon wieder weg. Wenn Olaf Scholz nach Washington kommt, dann nie mit Muße. Sprich: zum Staatsbankett mit Fanfaren, großen Reden und Damen-Programm. Seit Amtsantritt Ende 2021 hat der Sozialdemokrat das Weiße Haus zweimal besucht, immer im Februar oder März. Immer war das Programm eng darauf fokussiert, möglichst viel Zeit mit Joe Biden zu verbringen. Und hinterher möglichst wenig Auskunft zu geben. Begegnungen mit US-Medien, die den deutschen Ex-Finanzminister hätten anfassbarer machen können, blieben rar. Das wirkt sich aus.
Vor seiner dritten Visite bei US-Präsident Joe Biden an diesem Freitag – das hat eine Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstitut Pew bereits vor einiger Zeit ermittelt – haben 35 Prozent der Amerikaner noch nie von Scholz gehört. Zum Vergleich: Bei Wladimir Putin, um den es wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am Freitagnachmittag im Oval Office maßgeblich gehen wird, lag der Unbekanntheitsfaktor bei drei Prozent. Xi Jinping (China) kennen 13 Prozent nicht. Vom Franzosen Macron haben 24 Prozent der Amerikaner keinen Schimmer.
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Von den Zahlen, sagen lang gediente Experten der deutsch-amerikanischen Beziehungen in Washington, müsse man sich nicht beeindrucken lassen. „Die deutsche Politik und damit auch der Bundeskanzler werden in den USA abseits der Hauptstadt weit weniger intensiv verfolgt als umgekehrt.“ Daran hat der bald ins dritte Jahr gehende Krieg in der Ukraine nicht substanziell viel geändert. Im Präsidentschaftswahlkampf in New Hampshire wurde diese Zeitung von etwas rauflustigen Republikanern darauf hingewiesen, dass Angela „Mörkel” sich auf einiges gefasst machen dürfe, „wenn Donald Trump im November zurückkommt“.
Olaf Scholz, der „unsichtbaren Kanzler“
Dass sich in Deutschland die Zeiten geändert haben, sogar eine „Zeitenwende“ verkündet wurde, die eng mit dem Namen Scholz verbunden ist, hat sich nicht überall herumgesprochen. Anders in Washington. Vor Scholz‘ Antrittsbesuch im Februar 2022 schrieb die „New York Times“ vom „unsichtbaren Kanzler“. Und Deutschland hatte in der aufziehenden Krise um die zunächst den Ruf, ein unsicherer Kantonist zu sein. Senator Richard Blumenthal, demokratisches Urgestein, sagte pikiert, Berlin sei „missing in action“ – also untergetaucht.
Um die Dinge geradezurücken, ging Olaf Scholz damals auf den Talkshow-Hocker von Jake Tapper bei CNN und beteuerte: „Die transatlantische Partnerschaft ist der Schlüssel für den Frieden in Europa. Putin muss das verstehen. Er wird es nicht schaffen, die Europäische Union zu spalten oder die Nato zu spalten.“ Zuvor gab es auf Einladung der damaligen deutschen Botschafterin Emily Haber einen Kennenlern-Abend in ihrer Residenz an der Foxhall Road, wo Spitzen-Politiker wie Chuck Schumer (Demokraten) und Mitch McConnell (Republikaner) bei gutem Essen die Gelegenheit erhielten, den „Neuen“ unter die Lupe zu nehmen.
Auch diesmal kommt Scholz direkt nach der Ankunft in Washington am Donnerstagabend mit diversen Politikern zusammen. Um mit dem 50-Milliarden-Euro-Beschluss der Europäischen Union für Kiew im Rücken dafür zu werben, dass die im Kongress von den Republikanern blockierte 60-Milliarden-Dollar-Hilfe für die Ukraine doch noch fließen kann. Dass Deutschland kein solider Verbündeter ist, glaubt hier kaum jemand mehr. Wie der Kanzler die „Zeitenwende“ eingeläutet und 100 Milliarden Euro extra für die Bundeswehr etatisiert hat, so sagte ein Abgeordneter aus Maryland dieser Zeitung, „das war ganz großes Kino“. Es sei darum kein Wunder, dass das „Time Magazine“ den Kanzler 2023 auf die Liste der 100 wichtigsten Persönlichkeiten weltweit gesetzt hat.
USA begeistert: Scholz sorgte für „ganz großes Kino”
Die Vorzeichen haben sich binnen zwei Jahren geändert. Scholz sucht permanent den Schulterschluss zu Biden. Er bewundert den alten weisen Mann im Weißen Haus, schätzt bei dem 81-Jährigen das Wissen und die Fähigkeit zur Analyse. Im Kanzleramt wird stets das „starke Vertrauensverhältnis“ zwischen den beiden betont. Verabredet für das Treffen am Freitag haben sie sich wie alte Freunde. Beim letzten Telefonat seien beide der Meinung gewesen: „Wir müssten uns auch mal wieder sehen, nicht nur am Rande von Gipfeln“, wird im Kanzleramt erzählt.
Biden sagte demnach zu seinem Duz-Freund Olaf: „Es würde mich freuen, wenn Du es schaffen würdest vorbeizukommen. Woraufhin der Kanzler geantwortet habe: Ich schau mal, ich fände es auch gut.“ Was unkompliziert klingt, ist mit viel Vorarbeit hinter den Kulissen verbunden. Scholz nimmt für den Kurzbesuch in Washington eine aufwendige Anreise in Kauf. Da die größeren Regierungsmaschinen anderweitig verplant sind, muss Scholz für die 6700 Kilometer lange Strecke in einen kleineren Airbus A321 steigen und einen Tank-Stopp in der isländischen Hauptstadt Reykjavik einlegen.
Für den Termin im Oval Office ist außerdem nach deutschen Angaben nur eine „knappe Stunde vorgesehen“, danach gehe es „relativ zügig“ zurück zum Flughafen. Eine Pressekonferenz im Anschluss soll es nicht geben. Das wäre von der Zeit mit Biden abgegangen, signalisierte das Weiße Haus. Daher habe Scholz entschieden, „so viel Nettozeit wie möglich mit dem Präsidenten zu haben“. Dazu muss man wissen, was Scholz 2022 nach seinem ersten Vier-Augen-Kontakt mit dem Präsidenten beinahe euphorisch sagte: „Das war das beeindruckendste Gespräch, das ich je hatte.”
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