Straelen. Am Niederrhein werden gerade Millionen Primeln produziert. Ganz vorn ist dabei ein Betrieb aus Straelen. Ein Besuch bei den „Frühlingsmachern“.

„Frühling lässt sein blaues Band, wieder flattern durch die Lüfte.“ Besser als mit den berühmten Zeilen des Lyrikers Eduard Mörike aus dem 19. Jahrhundert lässt sich die winterliche Sehnsucht nach der erwachenden Natur, nach Licht, Wärme und Farben wohl kaum ausdrücken. Dabei ist der Frühling schon längst da – allerdings nur unter Glas. Im größten zusammenhängenden Gartenbaugebiet Europas, dem Niederrhein, geht es in den riesigen Gewächshäusern schon bunt zu, denn bald beginnt in Parks, auf Beeten und Balkonen die Pflanzzeit für Primeln. Wir haben uns im Gartenbaubetrieb Hommes in Straelen umgesehen, den Michael Hommes (39) in dritter Generation leitet.

Gut 1,8 Millionen Primeln, die hier, nicht weit von der niederländischen Grenze, ab Januar heranwachsen, liefert Hommes pro Jahr über den Großhandel an Discounter, Bau- und Gartenmärkte in Europa. Man muss deshalb nicht lange suchen, bis man beim Rundgang durch die schier endlosen Flächen unter Glas neben all dem Grün auch gelbe, rote, blaue und violette Schattierungen entdeckt. Es sind die ersten Frühlingsboten, die – perfekt getaktet – im Januar, Februar und abschließend im März an die Kunden gehen.

Auch interessant

Pflanzen, eintopfen, verpacken: Im Straelener Gartenbaubetrieb Hommes gibt es immer etwas zu tun.
Pflanzen, eintopfen, verpacken: Im Straelener Gartenbaubetrieb Hommes gibt es immer etwas zu tun. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Gesteuert wird ihr Wachstum vorwiegend über die Temperatur, die immer ein paar Grad über der Außentemperatur liegt. Im Moment zeigt das Thermometer in den Gewächshäusern, die mit fünf Hektar etwas so groß wie zehn Fußballfelder sind, ein Grad an – genau richtig für die winterharten Primeln. Unabhängig davon benötigt Chef Michael Hommes ein gutes Gespür für den Ausgleich zwischen Angebot, Nachfrage und Kaufkraft: „Wir arbeiten mit einem lebendigen Produkt. Blumen sind nicht immer fertig, wenn der Markt sie verlangt, zum Beispiel beim Ansturm auf die Pflanzenmärkte an sonnigen Tagen. Das Gleiche passiert auch umgekehrt. Wenn das Wetter nicht passt, dann haben wir ein Überangebot.“

Auch interessant

Moderne Technik und exakte Planung

Mit besagten fünf Hektar unter Glas und Folie und sechs Hektar Freiland, die von 20 Mitarbeitern und fünf Saisonkräften bewirtschaftet werden, zählt Hommes zu den bedeutenden Akteuren der Gartenbauregion Niederrhein mit insgesamt etwa 200 Betrieben. Hinzu kommen bekannte Lebensmittelproduzenten wie Kühne, Bonduelle oder Bofrost, die ebenfalls hier angesiedelt sind. Von bäuerlicher Idylle, für die die Region einst bekannt war, ist da zwangsläufig nicht mehr so viel zu spüren. Agrobusiness heißt das Zauberwort, sprich Erzeugung und Vermarktung von Blumen und Gemüse nach betriebswirtschaftlichen Kriterien. Moderne Technik, exakte Planung und Logistik, natürlich computergestützt, sind längst Standard. Das hat sich weit herumgesprochen. So absolvieren derzeit drei Gartenbau-Azubis ihre Ausbildung bei Hommes. Unter ihnen ein künftiger Gartenbauer aus dem Raum Hamburg, der einmal den elterlichen Betrieb übernehmen soll. Er hat sich bewusst zu diesem Schritt entschlossen, weil die Unternehmen vom Niederrhein als richtungsweisend im modernen Gartenbau gelten, was auch auf die Ausbildung zutrifft. Gemeinsam mit zwei anderen Betrieben der Region bietet Hommes eine gemeinsame Ausbildung an, bei der die jungen Frauen und Männer in drei Jahren in drei Firmen ihren Beruf erlernen.

Auch interessant

Wie viele andere Gartenbauer (Hommes: „Wir arbeiten hier oft mehr miteinander als gegeneinander“) setzt der Unternehmer die Familientradition fort. Die begann vor fast 70 Jahren, als der Großvater zunächst Rosen und Nelken züchtete, eher Vater Matthias in den 90er-Jahren von Schnitt- auf Topfblumen umstellte. Heute verlassen pro Jahr mehrere Millionen Pflanzen in recycelbaren Töpfchen den Betrieb. Die Samen und Stecklinge dafür stammen zumeist aus Zentralafrika und Südamerika.

Auch interessant

Mit Heidekraut endet das Pflanzenjahr

Trotz aller Technisierung liebt Michael Hommes den Gang durch die weitläufigen Anlagen und den von den Jahreszeiten bestimmten Ablauf der Pflanzungen: „Jeder Tag ist aufs Neue spannend.“ Nach den Primeln folgen Dahlien, Begonien und Tagetes, Chrysanthemen oder Lavendel im Sommer. Callunen Heidekraut beendet im Herbst das Pflanzenjahr. Im November und Dezember herrscht weitgehend Ruhe. Dann ist es Zeit für Urlaub und den Abbau der Überstunden, die während der Saison aufliefen.

Zum Schluss die Bitte um einen Tipp, wie man möglichst lange Freude an der Primel haben kann: „Bei sehr starkem Frost sollte man sie schon hineinholen oder sie in eine windgeschützte Ecke auf Balkon oder Terrasse stellen. Denn Pflanzen erfrieren meistens nicht, sondern sie vertrocknen.“ Und natürlich die obligatorische Frage: „Welche Blumen mögen Sie besonders gern?“ Michael Hommes überlegt nicht lange: „Es sind zwei. Die Calluna, weil danach für einige Zeit Ruhe herrscht. Und die Primel, weil mit ihnen endlich das neue Jahr startet.“

Auch interessant

Dies ist ein Artikel der Digitalen Sonntagszeitung, Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen. Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.