Berlin. Im Krieg müssen Russlands Soldaten angesichts hoher Verluste kreativ werden. Schlachten Putins Truppen verzweifelt Kühlschränke aus?

Der Krieg in der Ukraine läuft definitiv nicht so, wie es sich Russlands Machthaber Wladimir Putin wohl einst ausgemalt hat. Statt eines schnellen Durchmarschs gibt es kaum Fortschritte. Seit inzwischen fast zwei Jahren kämpfen seine Soldaten gegen die Ukrainer, die ihr Land, ihr Volk und ihre Freiheit energisch verteidigen. Doch auch der erhoffte Befreiungsschlag der Ukraine bleibt bisher aus. Der Angriffs- ist zum Stellungskrieg verkommen.

In diesem sieht sich Russland mit enormen Verlusten konfrontiert. Tragisch sind besonders die menschlichen, mehr als 300.000 Mann in Putins Heer sollen inzwischen getötet oder verwundet worden sein. Vor enorme Herausforderungen stellt die Verbliebenen – und neu Rekrutierten – jedoch zunehmend die Tatsache, dass militärisches Gerät fehlt. So berichtet „Forbes“, dass von den fast 3000 Panzern, mit denen Russland 2022 in die einmarschiert ist, über 2600 an der Front beschädigt, von ukrainischen Soldatinnen und Soldaten erbeutet oder zerstört wurden.

Die russische Kriegsmaschinerie läuft dennoch weiter, im Land und von internationalen Partnern wird weiter für das Militär produziert. Doch dafür und vor allem für die Reparatur beschädigten Geräts an der Front fehlen zunehmend die Ersatzteile.

Russland nutzt Kühlschränke und Waschmaschinen als Ersatzteillager für Panzer

Diese Entwicklung zeichnete sich bereits früh ab. Und auch, wie Russland darauf reagiert: Schon wenige Monate nach dem Überfall auf die Ukraine gab es erste Meldungen, das russische Militär würde Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen ausschlachten, um mit den Teilen die eigenen Panzer und Raketen zu reparieren.

Im Fokus stehen dabei wohl besonders bestimmte Elemente. So erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im September 2022: „Das russische Militär nimmt Chips aus Geschirrspülern und Kühlschränken, um militärisches Gerät zu reparieren, weil ihnen die Halbleiter ausgegangen sind.“

Fehlende Halbleiter – nicht nur in Russland ein Problem

Fehlende Halbleiter sind auch in anderen Ländern ein Problem. Doch während Deutschland auf deren Import – vielfach aus Taiwan – setzt und die eigene Chipproduktion durch den Bau neuer Fabriken kräftig ankurbelt, sind in Russland kreativere Lösungen gefragt. Denn der Zugang zu dem Material, aus dem Mikrochips gefertigt werden, ist für das Land von Wladimir Putin durch internationale Sanktionen deutlich erschwert.

Für viele Staaten, unter anderem die Länder der EU, ist klar, dass solche kriegswichtigen Güter nicht an ein Land geliefert werden, das mit einem Angriff auf einen demokratischen Nachbarn gegen das Völkerrecht verstößt. Es müssen also kreativere Lösungen als der schlichte Import her. Und die finden sich in den russischen Haushalten.

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Dort, in vielen Geräten verbaut, schlummern unzählige Chips. Und diese für Kriegsgeräte zu verwenden, ist möglich. „Es ist durchaus vorstellbar, dass Halbleiterbauelemente aus Haushaltsgeräten ausgebaut werden und in Militärfahrzeuge eingebaut werden“, schreibt etwa Max Christian Lemme, Professor am Lehrstuhl für Elektronische Bauelemente der RWTH Aachen, bei Correctiv.

Trotz Sanktionen: So gelangen westliche Geräte nach Russland

Doch nicht nur Kühlschränke von russischen Familien werden für den Krieg genutzt – auch Importe aus Ländern, die eigentlich keine Halbleiter an Russland liefern wollen. Der Weg führt die Geräte über Drittstaaten, lange waren Armenien oder Kasachstan wichtige Umschlagplätze, unter anderem von der EU nach Russland.

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Verhindern lässt sich das nur schwer, schließlich müsste dafür nicht nur der Handel mit Russland, sondern auch mit diversen anderen Staaten unterbunden werden. Und so flickt Putins Trümmertruppe ihre Panzer und Raketen weiter mit Ersatzteilen aus Kühlschränken und Waschmaschinen.