Berlin. Der DAVA-Partei wird vorgeworfen, die Interessen des türkischen Präsidenten Erdogan in Deutschland zu vertreten. Das sind ihre Ziele.
Es ist nicht die erste Parteigründung seit Jahresbeginn. Die frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat ihr Bündnis bereits ins Leben gerufen, der Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen traf im Januar mit seiner rechtskonservativen Werteunion ebenfalls die Vorbereitungen dafür. Nun macht ein weiteres Projekt Schlagzeilen: die „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ (DAVA). Kritiker sehen in der Partei einen Deutschland-Ableger der türkischen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
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Rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben in Deutschland, etwa die Hälfte davon ist hierzulande wahlberechtigt. Das ist die Zielgruppe der neuen Partei. „Unsere Mission ist es, als starke Stimme für diejenigen aufzutreten, denen Mitbestimmung bislang weitgehend verwehrt blieb und die politisch nicht vertreten werden“, erklärte der DAVA-Vorsitzende Teyfik Özcan auf Facebook. Özcan selbst war nach eigenen Angaben bis vor Kurzem 30 Jahre Mitglied der SPD. Nun hat er Großes vor: Bei der Europawahl im Juni soll DAVA ins Europaparlament einziehen.
Erdogan-Ableger? Das sind die Kandidaten der DAVA-Partei
Dafür hat die neue Partei bereits drei Kandidaten aufgestellt: den Rechtsanwalt Fatih Zingal, den Arzt Ali Ihsan Ünlü sowie Mustafa Yoldas, ebenfalls ein Medizinier. Alle drei sollen Berichten zufolge Anhänger von Erdogan sein. Zingal, auch er früheres SPD-Mitglied, stammt aus Solingen und trat in der Vergangenheit als Sprecher der Union Internationaler Demokraten auf. Die Organisation gilt als Lobbyverband der AKP in Deutschland und wird im Verfassungsschutzbericht erwähnt.
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Ünlü soll Funktionär des größten deutschen Islamverbands Ditib sein, der rund 900 Moscheen in Deutschland betreibt. Der Verband soll unter direktem Einfluss der türkischen Regierung stehen. Der Hamburger Yoldas stand einmal dem Spendenverein „Internationale Humanitäre Hilfsorganisation“ vor, den das Bundesinnenministerium 2010 verboten hat. Begründung: Die Organisation habe die radikalislamische Hamas im Gazastreifen unterstützt.
Cem Özdemir: Erdogan-Ableger „das Letzte, was wir brauchen“
Die deutsche Politik ist aufgrund dieser Hintergründe alarmiert. „Ein Erdogan-Ableger, der hier zu Wahlen antritt, ist das Letzte, was wir brauchen“, schrieb Cem Özdemir, grüner Landwirtschaftsminister türkischer Herkunft, auf dem Portal X, ehemals Twitter.
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„Eine solche Partei wird ausschließlich im Sinne ihrer türkischen Mutterpartei agieren und das passt nicht in die deutsche Parteienlandschaft“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), dieser Redaktion. „Schon der Name erinnert nicht ohne Zufall an den islamischen Begriff, der für eine Missionierung von Nichtmuslimen steht. Das spricht Bände.“
Innenminister: Sicherheitsbehörden sollen „sehr wachsames Auge“ auf DAVA werfen
Der Begriff Da’wa bezeichne wörtlich die „Einladung“ zum Islam und werde oft mit Missionierung in Verbindung gebracht, erläutert die Konrad-Adenauer-Stiftung auf ihrer Internetseite in einem „Kleinen Lexikon des Islamismus“. Innerhalb vieler islamistischer Strömungen sei „Da’wa“ ein zentraler Wesensbestandteil der Ideologie.
Gerät die neue Partei direkt ins Visier der Sicherheitsbehörden? Für DAVA gelten die gleichen Gesetze wie für jede andere Partei, betonte Stübgen. „Aufgrund des besonderen Hintergrundes halte ich es aber für notwendig, dass die Sicherheitsbehörden von Anfang an ein sehr wachsames Auge auf die Aktivitäten und Positionierungen dieser Formation werfen.“
DAVA-Chef Özcan: Sind kein „verlängerter Arm für ausländische Regierungen“
DAVA-Chef Özcan weist den Vorwurf zurück, seine Partei sei ein „verlängerter Arm für ausländische Regierungen“, und erklärt: „Wir als politische Vereinigung DAVA erhalten weder logistische noch finanzielle Unterstützung aus dem Ausland.“ Als zentrales Anliegen nennt er, „dass die Menschen mit ausländischen Wurzeln ihre Rechte in vollem Umfang zugesprochen bekommen“. Sie erlebten oft Diskriminierung, etwa bei der Wohnungssuche, bei Bewerbungen oder Behördengängen.
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Der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, der Grünen-Abgeordnete Max Lucks, sieht andere Motive hinter der Parteigründung: „Die AKP versucht sich eine direkte Lobby im Europäischen Parlament zu schaffen und das mit ehemaligen Vorsitzenden antisemitischer und islamistischer Organisationen“, sagte Lucks dieser Redaktion. „Was hier entsteht, ist nichts anderes als eine türkische Version der AfD.“
Keine Sperrklausel bei der Europawahl
Besonders heikel: Für die Europawahl gilt in Deutschland keine Sperrklausel, auch Kleinparteien können auf einen Sitz im EU-Parlament hoffen. „Bei der Europawahl gibt es die Möglichkeit eines Achtungserfolgs, wenn man diejenigen migrantischen Milieus, die sich von deutschen Parteien nicht repräsentiert fühlen, bewegen könnte, zur Wahl zu gehen“, sagte Yunus Ulusoy, Migrations-Experte am Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen, dieser Redaktion. Bei der vergangenen Europawahl hätten lediglich knapp 190.000 Stimmen für ein Mandat gereicht.
Die Unterstützung für Erdogan unter den Menschen mit türkischen Wurzeln gilt als groß. Bei der Stichwahl um das türkische Präsidentenamt im vergangenen Mai gaben zwei Drittel der türkischstämmigen Wähler in Deutschland dem autoritären Machthaber ihre Stimme. Die größte Herausforderung für den AKP-Ableger dürfte nach Einschätzung von Experte Ulusoy aber sein, die Klientel der konservativ-religiösen Migranten für die Europawahl zu mobilisieren.