Berlin. Während des G7-Vorsitzes will die Rechtspopulistin ihr Land international wieder ins Zentrum rücken. Doch eine Achillesferse bleibt.
Privatstrand, Pasta und mediterrane Landschaft – die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden demokratischen Industrienationen erwartet im Juni „la dolce vita“ im süditalienischen Apulien. Denn Italien hat Anfang Januar turnusgemäß den Vorsitz der G7-Gruppe übernommen, und Regierungschefin Giorgia Meloni lädt Scholz, Macron, Biden und Co. dorthin ein, wo sie seit Jahren ihren Sommerurlaub verbringt: in das „Borgo Egnazia“, ein 5-Sterne-Luxusresort mit Meerblick und Gourmetrestaurants, vier Swimmingpools und mehreren Tennisplätzen, alles umsäumt von Olivenhainen.
Das Resort richtete 2012 unter anderem die Hochzeit von US-Popstar Justin Timberlake und Schauspielerin Jessica Biel aus – für mehr als sechs Millionen US-Dollar. Was für US-Promis die erste Wahl war, soll auch den Staats- und Regierungschefs der G7 taugen. Apulien sei eine Region, sagt Meloni, die Sinnbild sei für ein Ziel, das die italienische G7-Präsidentschaft verfolge. „Apulien hat aufgrund seiner geografischen Position eine besondere symbolische Bedeutung.“ Es habe schon „häufig die Funktion einer Brücke zwischen Okzident und Orient wahrgenommen“.
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Dieses Symbol für den Dialog zwischen zwei unterschiedlichen Erdteilen wählt Meloni sicherlich nicht zufällig. Denn Italien will mit dem G7-Vorsitz einen eigenen Akzent setzen: Meloni plant, Afrika stärker ins Zentrum zu rücken. Hier habe es in der Vergangenheit „einige bedauerliche Versäumnisse“ gegeben, so die Italienerin. Die beschlossene EU-Asylreform hält sie für „besser als die vorherigen Regeln“, aber nicht für ausreichend.
Experte: „Meloni konnte sich als verlässlicher Partner etablieren“
„Wir werden das Problem niemals lösen, wenn wir nur darüber nachdenken, wie wir mit Migranten umgehen, wenn sie in Europa ankommen.“ Anfang Januar forderte Meloni erneut mehr Abkommen mit afrikanischen Staaten, um die Massenflucht nach Europa zu verhindern. Mit Nordafrika strebt Italien schon länger eine Energiepartnerschaft an, um etwa vor Ort in großen Mengen grünen Wasserstoff zu produzieren und per Pipeline nach Europa zu bringen. Beim Thema Migration steht Meloni in Italien unter Druck. Seit sie die Regierungsgeschäfte übernommen hat, ist die Zahl der ankommenden Migranten stark gestiegen.
Im vergangenen Jahr haben nach offiziellen Zahlen mehr als 155.750 Migranten auf dem Seeweg Italien erreicht. Im Vorjahreszeitraum waren es rund 103.850. Meloni hatte im Wahlkampf stets für eine harte Linie bei der Einwanderung geworben. Sie drohte beispielsweise mit einer Seeblockade, um Flüchtlingsboote aufzuhalten. Nach der Wahl Melonis zu Italiens Regierungschefin war auch deshalb EU-weit die Sorge vor einem Rechtsruck gewachsen. Doch Meloni zeigte sich – zumindest was die Außenpolitik betrifft – in ihrem ersten Regierungsjahr gemäßigt.
„In den ersten fünfzehn Monaten ihrer Regierungszeit konnte sich Giorgia Meloni bei den wichtigsten Verbündeten Italiens, allen voran den USA, als verlässlicher Partner etablieren“, erklärt der Politologe Leo Goretti. Als einen Grund dafür sieht der Experte, dass Meloni die Unterstützung Italiens für die Ukraine bekräftigte. Im Frühjahr vergangenen Jahres reiste die Regierungschefin persönlich nach Kiew und Butscha. Sie unterstützt Waffenlieferungen an Kiew und Sanktionen gegen Russland und steht fest zur Nato. „Auch gegenüber den europäischen Institutionen nahm Meloni eine pragmatische und insgesamt konstruktive Haltung ein“, so Goretti.
Melonis Botschaft: Mit ihr kann man auf Augenhöhe sprechen
Goretti glaubt, dass die Innenpolitik Melonis größte Herausforderung sein wird. „Die eigentliche Aufgabe für Meloni wird darin bestehen, Vorstöße von Verbündeten in der Regierungskoalition in Identitätsfragen zu vermeiden, insbesondere im Hinblick auf die Europawahlen.“ Denn der Europawahlkampf hat längst begonnen, doch alle drei Parteien aus Italiens Regierungsbündnis sitzen in unterschiedlichen Fraktionen im Europaparlament. Melonis „Fratelli d’Italia“ sind nicht in der rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie, die von der italienischen Lega angeführt wird und zu der auch die AfD gehört. Zwischen dieser und ihren Fratelli d‘Italia gebe es „unüberbrückbare Differenzen“, beispielsweise bei den Beziehungen zu Russland.
Meloni macht den Rechtspopulismus salonfähig und ihre Botschaft nach außen ist klar: Mit der Rechten Italiens – anders als beispielsweise mit der AfD – kann man auf Augenhöhe sprechen. So sieht es auch Politologe Goretti. „Für Italien stellt der G7-Vorsitz eine grundlegende Gelegenheit dar, wieder eine führende Rolle auf internationaler Ebene zu spielen und die Aufmerksamkeit auf eine Reihe von Themen zu lenken, die für das Land von größter Bedeutung sind“, sagt Leo Goretti.
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Neben Migration und Unterstützung für die Ukraine will Meloni Bekämpfung von Menschenhandel fokussieren und auf die weltweite Energiesicherheit, auf Klimapolitik sowie den Umgang mit künstlicher Intelligenz setzen – Themen, mit denen Meloni nicht nur international, sondern auch im eigenen Land punkten kann. Denn in Umfragen bleiben die Fratelli d‘Italia bislang zwar stärkste Kraft, und kommen auf 29 Prozent der Stimmen. Aber Melonis persönliche Beliebtheitswerte sind zuletzt gesunken: Im Vergleich zum Dezember 2022 sank ihre Popularität von 58 auf nun 44 Prozent.
Laut dem Politikwissenschaftler Goretti ist es bemerkenswert, wie Meloni sich international bereits Glaubwürdigkeit verschafft hat. „Auf persönlicher Ebene wird der G7-Gipfel diese Wahrnehmung wahrscheinlich noch verstärken“, sagt er. Dabei werden ihr sicherlich schöne Bilder vor traumhafter Kulisse helfen – und die soll das Luxusressort in Apulien mit einer gehörigen Portion Dolce Vita liefern.