Rom. Es sind gespenstische Szenen: Hunderte Menschen haben in Italien den Arm zu einem verbotenen neofaschistischen Gruß hochgereckt.
Hunderte Neofaschisten, uniformiert in ihren Schwarzhemden, die Arme zum „saluto romano“, dem faschistischen Gruß, gereckt: Die Versammlung im römischen Vorstadt-Viertel Tuscolano sorgt für helle Empörung in Italien. Die Menschen fanden sich am Sonntag am Jahrestag der sogenannten Acca-Larentia-Morde zusammen. In der Via Acca Larentia hatten Linksterroristen am 7. Januar 1978 zwei junge Neofaschisten erschossen, ein dritter starb später. Seitdem finden jährlich Gedenkfeiern vor dem ehemaligen Sitz des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI), einer von Faschisten und Mussolini-Getreuen gegründete Bewegung, statt.
Wenige Stunden zuvor wurde am gleichen Ort eine offizielle Gedenkveranstaltung mit dem Präsidenten der Region Latium, Francesco Rocca, abgehalten, der der ultrarechten Regierungspartei „Fratelli d´Italia“ (Brüder Italiens) um Premierministerin Giorgia Meloni angehört.
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Auf Videos ist zu sehen, wie großteils schwarz gekleidete Menschen auf den Ruf „Für alle gefallenen Kameraden“ mit dem Zuruf „Presente!“ (zu deutsch: anwesend) antworten und dabei den rechten Arm zum Faschisten-Gruß in die Höhe strecken. Obwohl der „saluto romano“ in Italien verboten ist, wird er bei Zusammenkünften von Neofaschisten immer wieder ausgeübt. Oppositionspolitiker in Rom kritisierten, dass sich hunderte Neofaschisten vor Augen der Polizei in Rom versammelt hätten. Dabei sei Verherrlichung des Faschismus von der italienischen Verfassung ausdrücklich verboten.
„Können die Institutionen all dies ignorieren? Die Antwort lautet: Nein, das können sie nicht. So steht es in unserer Verfassung“, betonte Oppositionschefin Elly Schlein. Die Sozialdemokratin kündigte einen offiziellen Antrag im Parlament an, damit die Regierung um Meloni über den Vorfall berichte. Die Versammlung der Neofaschisten erinnere an jene des Jahres 1924, nachdem der faschistische Diktator Benito Mussolini die Macht in Rom ergriffen hatte. Sie forderte Italiens Rechtsregierung zu Maßnahmen gegen solche Vorfälle auf. Meloni regiert seit Oktober 2022 mit einer Rechtsallianz. Ihre „Brüder Italiens“ sind eine Nachfolgepartei des MSI.
Meloni: Rechtsextreme Wurzeln, doch versucht sich proeuropäisch zu profilieren
Carlo Calenda, Chef der oppositionellen Zentrumspartei „Azione“, sprach von einer „inakzeptablen Schande“ für Italien. „Die Regierung muss sofort eingreifen. Rom darf nicht zur Geisel neofaschistischer Aktivisten werden. Alle Institutionen sind aufgerufen, Stellung zu beziehen: Verherrlichung des Faschismus ist ein Verbrechen“, argumentierte die sozialdemokratische Abgeordnete Michela Di Biase.
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Die Bilder der Veranstaltung versetzen Premierministerin Meloni in Verlegenheit. Seit ihrem Amtsantritt bemüht sich die 46-jährige Regierungschefin, sich als proeuropäische Staatsfrau zu profilieren, obwohl ihre politische Wurzeln in der rechtsextremen Szene zu finden sind. Mit 15 Jahren trat die gebürtige Römerin der Jugendbewegung des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) bei. Später sammelte sie politische Erfahrung bei der Nachfolgepartei Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini, einem langjährigen Verbündeten Silvio Berlusconis. 2008 wurde sie in der Regierung Berlusconi im Alter von 31 Jahren Jugend- und Sportministerin und damit zur jüngsten Ministerin in der Geschichte Italiens.
Seit 2014 steht Meloni an der Spitze der 2013 gegründeten „Brüder Italiens“. Der Parteiname stammt aus der Anfangsstrophe der italienischen Nationalhymne „Fratelli d‘Italia“ und unterstreicht die patriotische Ausrichtung der Partei. Zu Melonis Sympathisanten zählen immer noch viele Nostalgiker des faschistischen Diktators Benito Mussolini.