Berlin/San Francisco. Das wochenlange Ringen um den Haushalt 2024 ist beendet, der Etat ist festgezurrt – mit einigen Korrekturen in letzter Minute.
Eigentlich, sagte SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde am Freitag, hatte er gedacht, dass er und seine Kollegen Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) schneller wieder vor den Kameras sitzen würden. Die drei Haushaltspolitiker der Ampel-Fraktionen waren im Dezember schon einmal in der Bundespressekonferenz, um die Ergebnisse der Haushaltsberatungen im Bundestag zu präsentieren. Doch schon da zeichnete sich ab, dass diese Entscheidungen vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts noch nicht final sein würden. Und tatsächlich dauerte es dann mehr als zwei Monate, bis die drei wieder eine Einigung verkünden konnten.
Nach der neuen Bereinigungssitzung am Donnerstag ist jetzt klar: Der Bundeshaushalt für das Jahr 2024 steht. Am Donnerstagabend hat der Haushaltsausschuss des Bundestags einen Etat mit Ausgaben von insgesamt 476,8 Milliarden Euro und neuen Krediten in Höhe von rund 39 Milliarden beschlossen. Damit ist ein wochenlanges Gezerre um die Ausgaben der Regierung beendet – und die Schuldenbremse wird eingehalten.
Zwar müssen nun noch Bundestag und Bundesrat über den Etat abstimmen, die wichtigste Etappe auf dem Weg dahin – die Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss – ist aber genommen, die drängendsten Fragen sind geklärt.
Ampel spricht von „ausgewogenem Haushalt“
Erleichterung und etwas Stolz sind aus den Ampel-Parteien zu vernehmen: „Als Koalitions-Fraktionen stellen wir trotz unterschiedlicher Blickwinkel, vor dem Hintergrund multipler Krisen und trotz einer schwierigen Ausgangssituation dieser parlamentarischen Beratungen nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil einen ausgewogenen Haushalt auf“, erklärten die Haushälter Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) nach der Sitzung. „Schmerzhafte Einschnitte“ habe es trotzdem gegeben, sagte Kindler am Freitag.
Klare Schwerpunkte lägen auf sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlichen Anreizen, Investitionen in Klimaschutz, einer Stärkung der Demokratie und auf internationalem Zusammenhalt. Gleichzeitig würden Subventionen abgebaut.
Korrigiert worden seien Pläne der Bundesregierung im Klima- und Transformationsfonds (KTF), hieß es weiter: „Unter anderem für das Programm zur energetischen Sanierung kommunaler Einrichtungen und das Programm zur Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel stellen wir zusätzliche Mittel zur Verfügung.“
Darüber hinaus hätten „durch Umschichtungen etwa die Stärkung der Deutschen Bahn, die Entwicklung neuer Batterietechnologie und das Aktionsprogramm ‚Natürlicher Klimaschutz‘ im Haushalt“ abgesichert werden können. Die Ergebnisse der Ausschussberatungen wollen die Fraktionen am Freitag in mehreren Pressekonferenzen erläutern.
Haushalt 2024: Was die Koalition beschlossen hat
Die beschlossenen Kürzungen und Sparentscheidungen sind schmerzhaft, umstritten
: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich auf teurere Flüge und höhere Preise beim Tanken und Heizen einstellen.
- Die Ticketsteuer für Passagierflüge soll steigen
- Der CO2-Preis auf Heizöl, Gas und Sprit ebenfalls
- Die Landwirtschaft wird mit einer schrittweisen Abschaffung von Agrardieselsubventionen leben müssen
Letzterer Punkt sorgte für viel Wut bei den Landwirten, die ihren Protest auf die Straße trugen. Dennoch: „Die Ampel-Koalition steht zu diesem Kompromiss“, sagte Grünen-Haushälter Kindler. Eigentlich war geplant, die Subvention auf Agrardiesel sofort abzuschaffen – und dazu die Kfz-Steuerbefreiung für Landmaschinen.
Die Landwirte dürften entsprechend weiter unzufrieden sein mit den Berliner Beschlüssen: Bauernpräsident Joachim Rukwied hatte bereits am Montag mit weiteren Protesten gedroht, sollte die Ampel ihre Kürzungen im Agrarsektor nicht zurücknehmen.
Kürzungen gibt es aber auch in anderen Bereichen:
- Zusammengestrichen werden Mittel für Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe
- Für Klimaschutzprojekte gibt es weniger Geld
- Auch bei den Sozialversicherungen wurde der Rotstift angesetzt
Welche letzten Änderungen es gegeben hat
So weit, so bekannt. Doch der Ausschuss hatte am Donnerstagabend auch noch einige Last-Minute-Änderungen am Haushaltsentwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) durchgeführt. Dazu kamen:
- Ein geplanter Zuschuss (1,5 Milliarden Euro) zum Bundeshaushalt aus den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit entfällt
- Die geplanten Verschärfungen der Sanktionen beim Bürgergeld werden auf zwei Jahre befristet
- Die Bundesregierung will in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro in klimafreundlichen Neubau investieren
Bei dem entfallenen Zuschuss handelt es sich um einen Kredit, den der Bund der Bundesagentur für Arbeit gewährt hatte, und bei dem er nun auf die Rückzahlung verzichtet. Er wurde in einen nicht rückzahlbaren Zuschuss umgewandelt.
Die Sanktionen beim Bürgergeld betreffen vor allem sogenannte Jobverweigerer, eine geringe Zahl an Menschen, die sich hartnäckig der Vermittlung in Arbeit widersetzen. Ihnen sollen für zwei Monate die Bezüge komplett gestrichen werden können. Lediglich die Wohnkosten sollen weiter übernommen werden.
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Aussetzung der Schuldenbremse vorerst vom Tisch
Aus den Überschüssen des Etats 2023 sollen auch Hilfen über 2,7 Milliarden für Opfer der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal finanziert werden. Zunächst hatte sich die Koalition die Option offengehalten, für diese Gelder erneut eine Notlage zu erklären und die Schuldenbremse auszusetzen. Das sei nun nicht nötig, hieß es.
Doch ganz sicher ist noch nicht, dass die Schuldenbremse nach mehreren Jahren mit Ausnahmen 2024 wieder eingehalten wird. SPD, Grüne und FDP haben vereinbart: Sollte später im Jahr mehr Geld zur Unterstützung der Ukraine nötig werden – zum Beispiel, weil US-Hilfen ausfallen – könnte man doch zusätzliche Kredite genehmigen.
Bundeshaushalt: Weiter Kritik an Kürzungen
Die Organisation One und andere Verbände kritisierten, die Entwicklungszusammenarbeit solle im Vergleich zu 2023 insgesamt um knapp zwei Milliarden Euro gestutzt werden. Der Europa-Direktor von One, Stephan Exo-Kreischer, bezeichnete dies als „fatale Trendwende“.
Er bemängelte, dass die Abgeordneten in der Bereinigungssitzung kaum versucht hätten, sich den geplanten Kürzungen entgegenzustellen. Verkehrsverbände kritisieren geplante Kürzungen von Mitteln für den Schienengüterverkehr sowie für den Radverkehr.