Berlin. Wer Job-Angebote ablehnt, soll künftig bis zu zwei Monate lang überhaupt kein Geld erhalten. Begründet wird das auch mit Sparzwängen.
Die Bundesregierung will den Druck auf Bürgergeld-Bezieher, die Arbeitsangebote ablehnen, deutlich erhöhen. Sie sollen künftig bis zu zwei Monate lang überhaupt kein Geld bekommen. Das Jobcenter würde in diesen Fällen nur noch die Miete zahlen. Das geht aus einem Gesetzentwurf aus dem Hause von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hervor, der unserer Redaktion vorliegt.
Bislang können die Ämter die Bürgergeld-Zahlungen bei sogenannten „Totalverweigerern“ um bis zu 30 Prozent kürzen. Der Regelbedarf beim Bürgergeld beträgt für eine alleinstehende Person bislang 502 Euro pro Monat. Zum Jahreswechsel soll er auf 563 Euro steigen – ein Plus um gut zwölf Prozent.
Minister Heil will die neuen Sanktionsregeln in die Gesetzgebung zum Bundeshaushalt 2024 einarbeiten. Die Abstimmung innerhalb der Regierung läuft bereits, sie soll binnen weniger Tage abgeschlossen sein. Die Ampel muss nach dem jüngsten Urteil des Verfassungsgerichts zur Haushaltspolitik mit deutlich weniger Geld auskommen als bislang geplant.
Ampel: Urteil des Verfassungsgerichts macht Verschärfung möglich
Durch die Möglichkeit, die Zahlung von Bürgergeld künftig vorübergehend einstellen zu können, wird der Bund nach Berechnung des Heil-Ministeriums rund 150 Millionen Euro pro Jahr einsparen können. Durch den ohnehin geplanten Wegfall des sogenannten Bürgergeldbonus – eines Zuschlags in Höhe von 75 Euro pro Monat für Jobsuchende in Weiterbildung – sollen weitere Ausgaben in Höhe von 100 Millionen Euro entfallen.
Minister Heil äußerte sich gegenüber der „Bild“-Zeitung zu den geplanten Änderungen. Er sagte: „Deutschland ist das Land der Tüchtigen. Jeden Tag sehe ich Menschen, die sich abrackern, um die Gesellschaft zusammenzuhalten.“ Wen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder ein Schicksalsschlag träfen, der könne sich auf den Sozialstaat verlassen. Wer aber nicht mitziehe und sich allen Angeboten verweigere, der müsse mit härteren Konsequenzen rechnen. „Die Sanktionsmöglichkeiten gegen Totalverweigerer werden wir daher verschärfen.“
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Im Gesetzentwurf des Heil-Ministeriums wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2019 den vollständigen Wegfall von Leistungen in bestimmten Fallkonstellationen als möglich erachtet habe. „Diese Möglichkeit wird mit dieser Regelung nunmehr gesetzlich ausgestaltet“, heißt es in den Erläuterungen des Ministeriums. Zugleich wird betont, dass in der Praxis nur „einige wenige“ Bezieher von Bürgergeld zumutbare Arbeitsaufnahmen beharrlich verweigern. Derzeit gibt es rund vier Millionen erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger. Bei nicht einmal einem Prozent davon werden Sanktionen wegen fehlender Mitwirkung verhängt.
Koalition: Arbeitsminister kommt Bürgergeld-Kritikern entgegen
Mit den Änderungen kommt Minister Heil auch Kritikern aus der Union und der FDP entgegen, die verstärkte Einsparungen beim Bürgergeld und mehr Druck auf dessen Bezieher verlangen. Der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Stracke (CSU), sagte unserer Redaktion: „Wir warnen als CDU/CSU seit langem davor, dass zu lasche Bürgergeld-Sanktionen zu weniger Vermittlung in Arbeit führen. Offenbar kehrt nun auch im Bundesarbeitsministerium langsam der Realitätssinn zurück.“
Stracke ergänzte: „Wer sich aus Bequemlichkeit jedem Job-Angebot verweigert, darf nicht darauf zählen, dass ihn die Solidargemeinschaft dabei auch noch finanziell unterstützt. Solidarität ist eben keine Einbahnstraße.“
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte unserer Redaktion: „Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2019 zu Sanktionen geurteilt und strenge Vorgaben für die Kürzung des Existenzminimums gemacht. Artikel Eins unseres Grundgesetzes garantiert allen Menschen in Deutschland ein Leben in Würde. Anhand dieser Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden wir jeden Vorschlag zur Reform prüfen und messen.“