Berlin. Am Donnerstag soll der Bundeshaushalt stehen. Eine entscheidende Rolle spielt ein 37-Jähriger, dessen Namen nur die wenigsten kennen.

Dennis Rohde, 37 Jahre aus Oldenburg, soll die bisher größte Krise der Ampel-Regierung von Kanzler Olaf Scholz zu einem guten Ende bringen. Als oberster Haushaltspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion führt Rohde die finalen Verhandlungen über den Staatsetat für dieses Jahr. Die sogenannte Bereinigungssitzung, die abschließende Runde des Haushaltsausschusses, findet an diesem Donnerstag statt. Dennis Rohde ist damit in diesen Tagen der wichtigste Mann in der SPD.

Nur wenige haben so einen genauen Überblick über den mehr als 400 Milliarden Euro großen Bundeshaushalt wie die haushaltspolitischen Sprecher. Der Haushaltsausschuss lege die Grundlage für das gesamte Regierungshandeln, sagt Rohde, der sich zwischen zwei Gesprächsrunden Zeit für ein Treffen in seinem Büro genommen hat. „Denn ohne Geld kann nicht regiert werden.“ Die Verhandlungen vergleicht Rohde mit einem Marathon: „Und ein Marathon tut auf den letzten zehn Kilometern am meisten weh.“

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Haushalt 2024: Die SPD hätte die Schuldenbremse ausgesetzt

Die Haushaltsverhandlungen sind schon in normalen Jahren ein riesiges Unterfangen. Dieses Mal ging dem Ganzen eine Koalitionskrise voraus. In die Endphase der Gespräche über den Etat für 2024 platzte im November das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Die Richter erklärten mehrere schuldenfinanzierte Sondertöpfe für verfassungswidrig. Die Regierung musste daraufhin ihren Haushalt neu planen – und 17 Milliarden Euro sparen. Der finale Beschluss des Haushaltsausschusses wurde kurzfristig verschoben. Damit lag vieles auf Eis: In der Runde wird konkret entschieden, für welche Projekte Geld da ist.

Ginge es nach Dennis Rohde und der SPD, hätte die Koalition erneut die Schuldenbremse gelockert. „Alle Voraussetzungen für die erneute Aussetzung der Schuldenbremse liegen vor“, sagt er. „Wir haben einen Krieg in Europa, der uns als Staat auch in den nächsten Jahren viel Geld kosten wird.“ Finanzminister Christian Linder (FDP) war jedoch strikt dagegen, die Schuldenbremse auszusetzen. „Im Laufe des Jahres werden wir in der Koalition erneut über die Frage diskutieren müssen“, ist sich Rohde sicher.

Scholz, Lindner und Habeck einigen sich kurz vor Weihnachten

Nachdem Scholz, Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sich kurz vor Weihnachten auf Kürzungen geeinigt hatten, musste der Haushalt 2024 noch einmal überarbeitet werden. Seitdem hatte Rohde kaum Ruhe, tagtäglich, auch am Wochenende und manchmal bis in die Nacht war er mit dem Haushalt beschäftigt. Die Regierung erarbeitet den Etat, aber das letzte Wort hat der Bundestag.

Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner geben ein Pressestatement zur Einigung für den Bundeshaushalt 2024.
Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner geben ein Pressestatement zur Einigung für den Bundeshaushalt 2024. © DPA Images | Michael Kappeler

Es geht um viele Milliarden Euro und hunderte Seiten Dokumente. Rohde sitzt allerdings nicht zwischen Stapeln von Aktenordnern, sein Schreibtisch ist aufgeräumt, er arbeitet ausschließlich digital. Sein Team erfasst die Änderungen, in langen Tabellen werden die Posten hin- und hergeschoben. Das Rechnen übernehmen die Computer. Rohdes Rolle ist eine andere: Er sondiert Lösungen, schmiedet Kompromisse.

Anders als in der Ampel: Zwischen den Chefhaushältern knirscht es nicht

Bis zum Beginn der Bereinigungssitzung am Donnerstag um 10 Uhr in Raum 2400 des Paul-Löbe-Hauses steht Rohde in ständigem Kontakt mit seinen Ampel-Kollegen Otto Fricke (FDP) und Sven-Christian Kindler (Grüne). Sie beraten, wofür es mehr Geld geben kann – und wo im Gegenzug gespart werden muss. Dann fragten sie sich gegenseitig: „Wo steht ihr? Könnt ihr euch das vorstellen?“, berichtet Rohde. „Wir sind nicht die Chefrechner, wir sind Verhandler.“ Ganz untypisch für die Ampel: Die drei Experten arbeiten geräuschlos zusammen.

Die Haushaltsexperten der Ampel-Fraktionen: Otto Fricke (FDP, links), Sven-Christian Kindler (Grüne, zweiter von links) und Dennis Rohde.
Die Haushaltsexperten der Ampel-Fraktionen: Otto Fricke (FDP, links), Sven-Christian Kindler (Grüne, zweiter von links) und Dennis Rohde. © picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Der in Oldenburg geborene Rohde ist seit 2013 Bundestagsabgeordneter. Das Amt des obersten Haushaltspolitikers seiner Fraktion übernahm der studierte Jurist 2020, nachdem der bisherige SPD-Chefhaushälter Johannes Kahrs den Posten im Streit um seine Karriereoptionen hingeworfen hatte. Seitdem spielt der in der breiteren Öffentlichkeit wenig bekannte Rohde eine entscheidende Rolle.

Olaf Scholz: Den Kanzler ruft Rohde an, wenn es heikel wird

„Ich lerne nicht den Haushalt auswendig“, erzählt der Sozialdemokrat. „Wenn der Haushalt eines Ministeriums aus 100 Seiten besteht, sind 95 Seiten unstrittig. Die restlichen fünf Seiten muss ich genau kennen und wissen, was daran politisch brisant ist.“ Dann stellt er Fragen an die Regierung, redet mit den Fachpolitikern. Geht es an heikle Punkte, hält er Rücksprache mit SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, meldet sich im Finanzministerium oder dem Kanzleramt. „Dort rufe ich dann Wolfgang Schmidt an, gelegentlich spreche ich auch mit Olaf Scholz selbst.“

Nicht gut zu sprechen ist Rohde auf die Rolle der Union in der Haushaltskrise. „CDU und CSU sagen zwar die ganze Zeit der Bevölkerung, dass die Ampel alles kaputtspart, gleichzeitig wollen sie viel mehr sparen“, kritisiert der SPD-Politiker. Dazu komme von der Union aber kein einziger Vorschlag. „Sie fordern, fordern und fordern, sagen der Bevölkerung aber nicht, wie sie es machen würden.“

Die finale Bereinigungssitzung ist legendär: Alle Minister erscheinen, meist dauert es einen Tag und eine Nacht, bis der Etat beschlossen wird. Dieses Mal erwartet Rohde jedoch, dass es schneller geht. Große Teile des Haushalts waren schließlich bereits verhandelt. Außer Habeck sollen nur Innenministerin Nancy Faeser, Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD), Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) persönlich erscheinen, die anderen Ressortchefs schicken ihre Staatssekretäre. Am Donnerstagabend, hofft Rohde, könnte der Haushalt 2024 endlich stehen.