Berlin. Die Nato probt mit einem riesigen Manöver den Ernstfall gegen Russland – das ist gerade fürs Baltikum wichtig, sagt Experte Masala.

Er zählt zu den bekanntesten Militärexperten in Deutschland: Carlo Masala. Der 55-Jährige lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um die beiden Konflikte in der und in Nahost.

Herr Masala, ab Februar führt die Nato das größte Manöver seit Ende des Kalten Krieges durch. Die Allianz spielt ganz offen einen Angriff von Russland und Belarus gegen ein Nato-Mitglied durch. Wie bewerten Sie die Übung?

Carlo Masala: „Steadfast Defender 2024“ ist nicht der Erwartung eines bevorstehenden Angriffs geschuldet. Streitkräfte machen Manöver, Streitkräfte haben Szenarien. Und eines ist klar: Die Hauptbedrohung für die Nato-Staaten ist Russland. Auch die Russen haben in den vergangenen Jahren immer wieder Manöver durchgeführt, sogar mit Nuklearkomponenten, in denen sie die Verteidigung ihres Territoriums vor einem Nato-Angriff geübt haben.

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    Die baltischen Staaten sorgen sich schon lange vor einem Angriff durch Russland. Hat sich an dieser Gefahreneinschätzung etwas geändert?

    Die Gefahr ist nach wie vor aktuell. Denken Sie nur an die Kreml-Reaktion auf die verschärften Bedingungen für russische Staatsbürger in Lettland. Dass Russland dort angreifen könnte, ist für die baltischen Staaten ein sehr realistisches Szenario – je nachdem, wie der Ukraine-Krieg ausgehen wird.

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    Halten Sie es denn für denkbar, dass Russland sich nach einem Sieg in der Ukraine zeitnah auf den nächsten bewaffneten Konflikt einlassen könnte?

    Die potenzielle Möglichkeit ist da. Nämlich dann, wenn Russland den Eindruck hat, dass die Nato das Territorium der baltischen Staaten nicht um jeden Preis verteidigen würde. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Angriffs Russlands auf diese Länder.

    Wäre Russland nach Ihrer Einschätzung nach einem Ende des Ukraine-Krieges militärisch überhaupt in der Lage, das Baltikum anzugreifen beziehungsweise einen Konflikt mit der Nato zu bestehen?

    Nein, einen umfassenden konventionellen Konflikt sicherlich nicht. Russland braucht Zeit, um sich zu regenerieren und seine Landstreitkräfte zu regenerieren und um Waffen zu produzieren. Der Punkt ist aber: Ein Angriff auf die baltischen Staaten würde aller Wahrscheinlichkeit nach ganz anders ablaufen als der Krieg in der Ukraine. Die baltischen Staaten sind flächenmäßig kleiner. Es würde voraussichtlich weniger Ressourcen verschlingen. Außerdem glaube ich, dass so ein Angriff von einem massiven Raketenbeschuss gegen andere europäische Städte begleitet wäre, mit dem Ziel, deren Gesellschaften dazu zu bringen, Druck auf die Regierungen auszuüben, damit diese nicht die baltischen Staaten aktiv mit verteidigen. Und in dieser ganzen Gemengelage ist das durchaus ein realistisches Szenario.

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