Washington. Der Ex-Präsident wird im Wahlkampf als Messias präsentiert. Das soll evangelikale Wähler im Bundesstaat Iowa bei der Stange halten.
Lincoln, Roosevelt, Reagan - viele amerikanische Präsidenten wandten sich in öffentlichen Auftritten an Gott, baten voller Pathos um Segen und Weisheit, nahmen Anleihen in der Bibel und beschrieben Amerika als auserwählte Nation, die eine göttliche Mission zu erfüllen habe. Donald Trump ist der erste, der diese Rhetorik auf den Kopf stellt. Er lässt sich als himmlisches Geschenk zur Rettung Amerikas inszenieren; aus wahlkampf-taktischen Gründen.
In einem knapp dreiminütigen Video, das in sozialen Medien mittlerweile an die 20 Millionen Zuschauer gefunden hat, skizzierte eine Trump-nahe Internet-Troll-Schmiede (Dilley 300 Meme Team) den 77-Jährigen als von Gott auserkoren. „Am 14. Juni 1946 (Geburtstag des Ex-Präsidenten – d. Red.) schaute Gott auf sein geplantes Paradies herab und sagte: Ich brauche einen Verwalter. Also gab Gott uns Trump.“ Trump selber adelte das Propaganda-Werk, indem er es digital verbreiten ließ. Experten sprachen im TV-Sender CNN von einer „Form von Gotteslästerung”, bei dem einem „die Kinnlade herunterfällt”. Was nach Satire klinge, sei der bewusste Versuch, religiös grundierte Stimmungen im Wahlvolk zu verstärken.
Das hat mit den am Montag (15. Januar) beginnenden parteiinternen Vorwahlen für die republikanische Präsidentschaftskandidatur zu tun. Im bäuerlich-religiösen Bundesstaat Iowa leben viele der rund zwölf Millionen evangelikalen Christen in den USA. Weil dort einflussreiche evangelikale Meinungsführer wie Bob Vander Plaats wie auch Gouverneurin Kim Reynolds Trump die Gefolgschaft verweigern und für die Wahl von Florida-Gouverneur Ron DeSantis werben, soll die erzkonservative Gemeinde auf Kurs gehalten werden. Zur Erinnerung: 2020 hatte Trump im Wahlkampf noch Vize-Präsident Mike Pence an seiner Seite. Der tief gläubige evangelikale Christ hat sich inzwischen von seinem früheren Boss abgewandt.
Trump als Ein-Mann-Retter mit übermenschlichen Kräften
In dem Video wird Trump als Ein-Mann-Retter mit übermenschlichen Kräften dargestellt, der „die Marxisten bekämpft“, Medien bloßstellt, „deren Zungen so scharf sind wie die einer Schlange“ und den „tiefen, korrupten Staat“ niederringt; alles, um Amerika groß und mächtig werden zu lassen.
Die mit Künstlicher Intelligenz und Geschichtsklitterung arbeitenden Macher des Videos, die offiziell an keine Wahlkampf-Organisation Trumps angedockt sind, bombardieren die Zuschauer mit Formulierungen wie „Gott sandte Trump“ oder „Gott machte Trump“.
Der zum dritten Mal verheiratete Politiker wird auch als „Hirte der Menschheit“ bezeichnet. Dabei wird das Gebot „Du sollst nicht lügen“ ohne mit der Wimper zu zucken geschreddert. Trump arbeite über 100 Stunden die Woche und gehe sonntags in die Kirche, heißt es da. Nichts davon, bezeugen Vertraute aus der Zeit seiner Präsidentschaft von 2017 bis 2021, stimme. Vor allem in puncto Arbeitsmoral, Trump verbrachte Stunden vor dem Fernseher und verabscheute Aktenstudium, befänden sich die Video-Macher „in einem Parallel-Universum“, schreiben US-Medien.
Von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit des Videos ist die Wiedererkennbarkeit der Stimme. Sie ist dem berühmten Radio-Moderator Paul Harvey entliehen, der früher in ländlichen Regionen Amerikas täglich über 20 Millionen Zuhörer mit erzkonservativen Botschaften erreichte. Was ihm hier posthum von Trump in den Mund geschummelt wird, ist in Diktion und Wortwahl nahezu identisch mit einer über 45 Jahre alten Rede Harveys. In „So God Made a Farmer“ (Also schuf Gott einen Bauern) feierte der Talk-Radio-Star das bäuerliche Amerika samt seiner Werte und Gottesfürchtigkeit.
Trump bietet Wählern an: „Ich bin eure Vergeltung“
Tim Alberta wundert der Schachzug Trumps mit Gott nicht. Der bekannte Journalist hat gerade ein Buch über die Rolle der immer extremer werdenden Evangelikalen geschrieben. Der Sohn eines evangelikalen Predigers hat am eigenen Leib erfahren müssen, was es heißt, wenn sich die christliche Rechte radikalisiert.
Beim Begräbnis seines Vaters 2019 wurde er von Trump-Fans wegen seiner kritischen Berichterstattung attackiert. Alberta sieht die Evangelikalen auf Abwegen. „Weil sie mehr Zeit damit verbringen, Fox News zu schauen als die Bibel zu lesen. Dort steht überall ‚Fürchte Dich nicht`.“ Trump aber arbeite fortgesetzt mit dem Instrument der Angst, um Wähler auf seine Seite zu ziehen. Er biete sich ihnen sogar als Rache-Engel gegen den Staat an. Trump sagte bei einer Wahlkampfveranstaltung: „Ich bin Eure Vergeltung.“ Warum diese Strategie verfängt, erklärt der Reporter vom Magazin „The Atlantic“ so: „Wenn Du glaubst, dass die Barbaren am Tor stehen, dann denkst Du vielleicht, dass wir einen Barbaren brauchen, um uns zu schützen. Das ist Donald Trump. Das ist das Verhältnis zwischen Evangelikalen und Donald Trump.“
Albertas Befürchtungen gehen noch weiter: Er sieht eine zunehmende Verquickung von missionarischem Eifer, politischer Agitation und Verschwörungstheorien, die in Gewalt münden könne. So glaubt die sogenannte „Jesus-Bewegung“ fest daran, dass nicht Joe Biden, sondern Donald Trump „der wahre Präsident der Vereinigten Staaten ist“. Begründung: Er sei von Gott ausgewählt worden, um das Christentum zu retten und der Säkularisierung der USA Einhalt zu gebieten.
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