Berlin. Der Kompromiss der Koalitionsspitzen hat nicht lange gehalten. Das war abzusehen – denn ein Dreigestirn ist nicht Gesetzgeber im Land.
Das haben sich die Spitzen der Berliner Ampelkoalition bestimmt ganz anders vorgestellt. Wochenlang verhandelten Kanzler Olaf Scholz (SPD), sein Vize Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hinter verschlossenen Türen über den Bundeshaushalt2024, nachdem das Verfassungsgericht im November die gesamte Finanzplanung des Regierungsbündnisses über den Haufen geworfen hatte. Als das Trio am vergangenen Mittwoch endlich eine Einigung präsentieren konnte, war die Erleichterung groß. „Vertrauensvoll“ und „sehr konstruktiv“ seien die Gespräche gewesen, sagte der Kanzler ehedem.
Es klang so, als wolle die Koalition die Krise nutzen, um zum wiederholten Male einen Neustart zu versuchen. Nicht einmal eine Woche ist das her. Und schon brennt es wieder lichterloh. Nach und nach dämmert allen Betroffenen, dass die angekündigten Einsparungen hier und da schmerzhaft sein werden.
Die ersten Elemente des Spar-Haushalts stehen bereits zur Disposition: Die Bauernschaft ist in Rage, weil die Subventionen für Agrardiesel und die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge wegfallen sollen. Ein Protest-Korso mit 1700 Traktoren rollte am Montag durch Berlin. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der sich den Demonstranten stellte, wurde auf offener Bühne ausgebuht. Und die FDP, die eine beträchtliche Erfahrung darin besitzt, Partikularinteressen zu bedienen, kündigte bereits ein Veto gegen Kürzungen bei den Bauern an.
Ampel-Koalition: Viele Verbraucher zahlen kräftig drauf
Wenn es schlecht läuft für die Ampel, dann wird sie über Weihnachten und bis zum Beginn des neuen Jahres wieder im Zentrum einer großen Neid- und Gerechtigkeitsdebatte stehen. Denn es sind ja nicht nur die Bauern, die draufzahlen sollen. Käufer von Elektroautos bekommen fortan keine Zuschüsse mehr. Inlandsflüge werden teurer, Tanken und Heizen sowieso. Das versprochene Klimageld lässt weiter auf sich warten. Da ist jede Menge Wut-Potenzial.
Richtig ist allerdings auch: Eine Haushaltskonsolidierung gibt es nicht zum Nulltarif. Wer sparen muss, kann es nicht allen recht machen. Dass ausgerechnet die Freien Demokraten, die ansonsten bei jeder Gelegenheit ausgiebig von der Notwendigkeit des „Priorisierens“ und der Schädlichkeit von Subventionen sprechen, nun als erste unter dem Druck der Bauern einknicken, entbehrt allerdings nicht einer gewissen Ironie.
Ampel: Nicht die Regierung bestimmt über den Haushalt, sondern der Bundestag
Politisch fällt der Ampel jetzt auf die Füße, dass die Eckpunkte für den überarbeiteten Haushalt 2024 in kleinster Runde entstanden sind. Scholz, Habeck, Lindner haben die Dinge weitgehend unter sich ausgemacht und die anderen Minister sowie die Koalitionsfraktionen vor vollendete Tatsachen gestellt. Angesichts der begrenzten Zeit dürfte das die einzige Methode gewesen sein, die es erlaubte, in diesem Jahr überhaupt noch zu einem Ergebnis zu kommen.
Den handelnden Personen musste aber klar sein, dass sie beträchtliche Risiken birgt. Denn nicht die Regierung ist der Haushaltsgesetzgeber in diesem Land. Ein im Hinterzimmer tagendes Dreigestirn ist es erst recht nicht. Über das Budget befindet einzig und allein der Deutsche Bundestag. Und der kann an den Plänen des Kanzlers und seiner beiden wichtigsten Minister so lange herumkneten und sie so weit modifizieren, wie er es für richtig hält.
Vor wenigen Monaten hatte die Ampel das Kunststück fertiggebracht, das Ende der politischen Sommerpause mit einem Streit über die Kindergrundsicherung und Steuervorteile für Unternehmen zu begehen. Jetzt sieht es so aus, als stehe auch die Weihnachtsruhe auf dem Spiel. Eines muss man der Koalition lassen: Langweilig wird es mit ihr nie.
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