Berlin. Bargeldlos zu bezahlen, das war in der Pandemie erwünscht. Haben sich die Deutschen an Kartenzahlung, ApplePay und Co. gewöhnt?
Wer auf dem Markt einkauft, davor das Parkticket am Automaten bezahlt oder sich am Bahnhof eine Fahrkarte zieht, dem wird beim Zücken des Portemonnaies der kurze Gedanke in den Kopf schießen: Habe ich denn überhaupt genug Bargeld dabei? Und falls ja, dann auch gleich die passenden Münzen?
Hierzulande muss der Notgroschen noch oft in der Tasche liegen. Denn während viele Bereiche des öffentlichen Lebens eigentlich bargeldlos bezahlt werden können, halten sich vereinzelt noch immer die letzten Bargeldbastionen. „Es gibt natürlich immer noch so ein paar Kleingelddomänen“, bestätigt Ingo Limburg, Vorsitzender der Initiative Deutscher Zahlungssysteme. Andersherum gebe es fast keine Branche, die keine Kartenzahlung anbietet.
Deutschland galt lange als Bargeldparadies: Während die Menschen in Skandinavien und Großbritannien für Einkäufe lediglich eine Plastikkarte mitführen mussten, befanden sich in deutschen Hosentaschen immer noch Münzen und Scheine. Doch der Zeitgeist scheint sich zu wandeln: „Corona war der große Gamechanger“, sagt Alexander Kriwoluzky, Bargeldexperte vom Deutschen Institut für Weltwirtschaft (DIW). Die Branchen hätten sich nach dem gerichtet, was die Verbraucher wollen. Aus Gründen der Privatsphäre sei das hierzulande lange Zeit das Bargeld gewesen. Gegenüber der Kartenzahlung waren die Deutschen eher skeptisch. „Doch mit der Corona-Pandemie war die Nachfrage auf einmal da, und das hat zu diesem Umdenken geführt“, so der Ökonom.
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Geld: So oft wird inzwischen mit der Karte gezahlt
Das zeigt sich auch in den Zahlen: „Laut der letzten Zahlungsverhaltensstudie der Bundesbank, die im Jahr 2021 erhoben wurde, werden etwa sechs von zehn der alltäglichen Zahlungen mit Bargeld getätigt“, sagt Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, dieser Redaktion. Deutschland liege damit relativ nah am Durchschnitt.
„Von einer bargeldlosen Gesellschaft sind wir aber noch weit entfernt“, so Balz. Allerdings verweist auch er auf einen kurzzeitigen Schub der Corona-Pandemie, der auch in Daten einer Studie des EHI Retail Institute zu erkennen ist. Im letzten Jahr wurde hierzulande fast 60 Prozent mit Karte gezahlt – mit deutlichem Vorsprung vor dem Bargeld mit 37,5 Prozent.
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Es kommt auf die Branche an, welches Zahlungsmittel möglich ist
Allmählich scheint sich also der bargeldlose Trend auch in Deutschland zu etablieren. Allerdings bestehen zwischen den Branchen noch deutliche Unterschiede: Laut der Studie wurden Bargeldzahlungen in Textil- und Sportfachgeschäften, City-Kauf- und Warenhäusern, Schuhgeschäften und Bau- und Gartenmärkten längst von der Kartenzahlung abgelöst.
Dahingegen gebe es in Teilen der Gastronomie, bei Automatenzahlungen in der Parkraumwirtschaft oder im ÖPNV noch Lücken, sagt Limburg: „Auch Bäckereien, kleine Fachhändler, Metzgereien oder Schreibwarenladen tun sich immer noch ein Stück weit schwer mit der Kartenzahlung.“
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Debitkartentransaktion kostet die Händler zwischen 0,19 und 0,31 Prozent
Dass gerade kleine Händler mit der Einführung bargeldloser Transaktionen haderten, liegt nicht zuletzt auch an den darauf erhobenen Gebühren. „In Deutschland sind die Kosten dafür einfach wesentlich geringer geworden“, sagt DIW-Experte Kriwoluzky. „Die Zettel ‚Kartenzahlung ab 10 Euro‘ sind fast alle weg“, bestätigt auch Limburg. Demnach bieten spezialisierte Netzbetreiber auch Geräte und Abrechnungsmodelle für Kunden an, die wie Bäcker oder die Parkraumbewirtschaftung jeweils nur kleine Transaktionen umsetzen.
Der Verbandschef verweist auf eine EU-Regulierung, die so genannte Interchange-Fee-Regulation, nach der die Gebühr für eine Debitkartenzahlung, also zum Beispiel mit girocard, höchstens 0,2 Prozent betragen darf. Bei einer Kreditkartenzahlung liege der Satz bei 0,3 Prozent. „Laut einer aktuellen Studie des CFIN Research Center for Financial Services der Steinbeis-Hochschule liegt die Spanne einer Debitkartentransaktion mit der girocard zwischen 0,19 und 0,31 Prozent. Kreditkarten rufen zwischen 0,72 und 1,39 Prozent des Zahlbetrags auf.“ Warum diese Entgelte teilweise über der von der EU festgelegten Grenze liegen, habe damit zu tun, dass es zum Teil noch weitere, nicht gedeckelte Zusatzgebühren gibt. „So etwas hat die girocard eben nicht.“, so Limburg.
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Bargeld ist auch Anreiz für Steuerhinterziehung
„Die großen Händler können natürlich besser mit ihren Dienstleistern verhandeln“, sagt Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE). Der Experte für Zahlungsverkehr verweist aber auf eine Schwachstelle des Barzahlens. Denn was für Händler im ersten Moment günstig erscheint, ist auf den zweiten Blick kostspielig: „Jeder Händler muss eben einen Weg finden, das Bargeld zur Bank zu bringen, auf seinem Konto gutzuschreiben und Wechselgeld zu besorgen – diese Kosten fallen auch in die Gesamtrechnung.“ Mit der reinen Entgegennahme und dem Rausgeben von Wechselgeld sei es demnach nicht getan.
Neben den Präferenzen der Kunden und den Kosten für Händler dürfte ein weiterer Grund für die lange Bargelddominanz die Anonymität sein. Denn lassen sich digitale Transaktionen identifizieren, bleibt der Verbleib von Bargeld im Zweifel ungewiss. „Bargeldzahlungen ermöglichen auch immer Steuerhinterziehungen“, sagt DIW-Ökonom Kriwoluzky. „Das wird in vielen Branchen nicht das Wichtigste sein, aber in manchen Geschäften, Bars oder Restaurants vielleicht schon.“ Auch Geldwäsche sei ein Motiv.
Die Bargeldliebe einiger Deutscher stößt allerdings auf ein Hindernis: Denn mit dem Trend zum Kartenzahlen geht auch die Zahl der Bankautomaten zurück. Wer also auf den Notgroschen zurückgreifen muss, sucht mitunter länger nach einer Möglichkeit zum Geldabheben. Eine Alternative sind oft Lebensmitteldiscounter, bei denen beim Bezahlen auch Geld abgehoben werden kann. Handelsexperte Binnebößel warnt jedoch, dass dieser Geldkreislauf nicht geschlossen ist. Das Geld könnte in den Supermarktkassen also knapp werden, wenn neben der Kartenzahlung auch noch Scheine entnommen werden, die nicht zurückfließen. „Der Handel ist hier Opfer des eigenen Erfolges. Das kann nicht lange gutgehen.“
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