Berlin. Trotz Protesten vieler Wirte ist die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent gestiegen. Wer jetzt wo mehr zahlen muss.
- 2024 ist da und damit gehört die auf sieben Prozent gesenkte Mehrwertsteuer in der Gastronomie der Vergangenheit an
- Wirtinnen und Wirte hatten vor diesem Schritt gewarnt und betont, die Kosten an die Gäste weitergeben zu müssen
- Was jetzt teurer wird – und wie man weiter sparen kann
Lange hatten die Gastronomen im Land gehofft, die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz vermeiden zu können. Doch daraus wurde nichts, die knappe Kasse des Finanzministers machte ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Damit können sie ihre Speisen nicht mehr mit geringerer Mehrwertsteuer anbieten. Einst zu Corona-Zeiten auf sieben Prozent gesenkt, wurde der Steuersatz zum 1. Januar wieder auf die „normalen“ 19 Prozent erhöht. Mehrfach hatte die Branche Alarm geschlagen, warnte vor einer vermeintlichen Steuererhöhung. Dennoch hatte die Ampelkoalition schließlich die Wiedereinführung des regulären Satzes beschlossen. Damit kommen nicht nur auf Restaurantbesucher höhere Kosten zu, sondern auch auf Familien.
„In unserem Fall betrifft es das gesamte Schulcatering“, sagt Keyan Forouhideh. Er ist Geschäftsführer eines Cateringbetriebs in Schleswig-Hollstein und Hamburg und fürchtet die höhere Steuerlast. „Da wir in den Schulen immer eine Dienstleistung erbringen, werden wir mit der Gastronomie gleichgesetzt“, so der 59-Jährige, der auch den Verband Deutscher Schul- und Kita-Caterer vertritt. Damit verweist er auf ein entscheidendes Kriterium, das die Höhe der Mehrwertsteuer bestimmt.
Gastro-Mehrwertsteuer: Entscheidend ist, ob eine Dienstleistung angeboten wird
„Hintergrund ist, dass man Lebensmittel aus sozialen Gründen ermäßigt besteuern will“, sagt Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die reduzierte Mehrwertsteuer greife nicht mehr, wenn beim Verkauf von Essen auch Dienstleistungen erbracht werden. „Bei Currywurstbuden oder Backstuben ist das Hauptkriterium, ob Sitzplätze angeboten werden“, so Bach zu der Frage einer genauen Abgrenzung. „Bei Stehtischen gilt Lebensmittelverkauf mit sieben Prozent. Bei Sitzgelegenheiten muss grundsätzlich 19 Prozent berechnet werden, es sei denn, die Kunden sagen ‚Zum Mitnehmen‘.“
Ein anderer Grenzfall zwischen Verkauf und Dienstleistung sind Lieferdienste. Obwohl sie mit Zubereitung und Lieferung einer Mahlzeit schon erhebliche Dienstleistungen erbringen, fallen auch weiterhin unter den Steuersatz von sieben Prozent.
Gaststättenverband bezeichnet Unterscheidung als ungerecht
Trotz dieser Unschärfen befürwortet der Wirtschaftsexperte die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer: „Arme Menschen gehen nur selten essen, da ihnen das Geld fehlt.“ Restaurants seien also keine Orte, an denen mit niedriger Mehrwertsteuer ein sozialer Ausgleich geschaffen werden könne. „Und Gaststätten breit zu begünstigen, ist nach der Pandemie nicht mehr sinnvoll. Um den Erhalt der Dorf- oder Kiezkneipe sollen sich die Gemeinden kümmern.“
Eine Analyse, die der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) nicht teilt. Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges prangerte gegenüber unserer Redaktion die Unterscheidung von Restaurants, Cafés, Schulen und Kitas auf der einen und Lieferdiensten und Supermärkten auf der anderen Seite an: „Das ist weder nachhaltig noch gerecht.“ Caterer für Kitas, Schulen, Betriebskantinen, Krankenhäuser und Pflegeheime benötigten dringend Planungssicherheit. Sie fordert eine einheitliche Besteuerung von sieben Prozent.
Ohne diese befürchtet der Dehoga eine Pleitewelle, der zahlreiche Restaurants im Land zum Opfer fallen könnten. Dem widerspricht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „Die Erhöhung ist teilweise ungerecht, wir hätten uns auch gewünscht, dass es noch ein Jahr mit dem niedrigeren Mehrwertsteuersatz weitergeht“, sagte Sebastian Riesner von der NGG Berlin-Brandenburg der Deutschen Presse-Agentur. „Aber dass Betriebe reihenweise schließen werden, sehen wir nicht“,
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Schulcaterer muss Kosten eins zu eins weitergeben
Neben Restaurants sind Einrichtungen betroffen, an denen vor Ort gekocht oder ausgeschenkt wird. So auch die Schulen, die Caterer Keyan Forouhideh versorgt. Im alten Jahr kostete ein Mittagessen 4,80 bis 5,50 Euro, was sich allerdings je nach Zuschüssen des Bundeslandes unterscheide. „Es gibt Bundesländer, die quersubventionieren“, so der Caterer.
In Schleswig-Holstein und Hamburg allerdings müsse er mit den Elternhäusern direkt abrechnen: „Wir merken jetzt schon, dass die ersten Elternhäuser nicht mehr in der Lage sind, das Essen zu bestellen“, beklagt Forouhideh, der bundesweit kostenfreies Schulessen fordert. Mit der Mehrwertsteueranhebung allerdings werde sich die Situation noch weiter verschärfen: „Die zwölf Prozent müssen wir eins zu eins weitergeben – das dürfte unstrittig sein.“
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Einkommensschwache Familien sind besonders betroffen
Kritiker der Besteuerung mit 19 Prozent, wie Dehoga-Geschäftsführerin Hartges, stellen für den Bildungsbereich die soziale Frage: „Es ist so wichtig, dass das Essen in der Kita und Schule gesund und finanzierbar bleibt, damit Kinder auch hier lernen können, was gute Ernährung bedeutet – unabhängig vom sozialen und finanziellen Background.“ Ihrer Ansicht nach steht eine Rückkehr zur normalen Besteuerung „im krassen Widerspruch zu den Zielen der Ernährungsstrategie der Bundesregierung“.
Die Ernährungsstrategie soll „besondere Verbrauchergruppen wie Kinder, Einkommensschwache sowie Menschen mit Einwanderungsgeschichte gezielt in den Fokus nehmen“, wie es vom Landwirtschaftsministerium heißt. Dem Vorwurf, mit der Rückkehr zu 19 Prozent dieses Vorhaben auszuhebeln, begegnet das zuständige Finanzministerium jedoch mit dem Hinweis auf geltende Ausnahmen.
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Nicht alle Schulen, Kitas und Mensen droht Steuer
Denn Betroffene dürften im Bildungsbereich nur dann steigende Kosten erwarten, wenn die Einrichtung von Caterern versorgt wird. Kitas, Mensen, Schulen und Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, seien demgegenüber umsatzsteuerfrei, wie es auf Anfrage aus dem Finanzministerium heißt.
Neben Schulen und Kitas, die sich nicht von externen Dienstleistern verpflegen lassen, darf also noch eine weitere Gruppe auf weiterhin niedrige Essenspreise hoffen: „Die Verpflegung von Studierenden in der Mensa ist in der Regel umsatzsteuerbefreit, somit werden sich die Mensapreise für Studierende aufgrund eines zukünftig erhöhten Umsatzsteuersatzes nicht weiter verändern“, heißt es vom Studierendenwerk.