Berlin. Regelungen für Bildungsurlaub sind in den Bundesländern unterschiedlich. Wie man Fallstricke umschifft und den Arbeitgeber überzeugt.

Stressbewältigung auf Sylt, Spanisch lernen in Valencia oder ein Achtsamkeit-Retreat in Frankreich? Was so klingt wie eine einwöchige Auszeit, um dem alltäglichen Arbeitsstress zu entfliehen, sind tatsächlich Seminarangebote für Bildungsurlaub. Doch die Möglichkeit, sich bezahlt vom Arbeitgeber weiterzubilden, nutzen nach wie vor nur sehr wenige Deutsche. Das sollte sich ändern, fordern Gewerkschaften. Wie man Bildungsurlaub einreicht und wie es gelingt, den Anspruch beim Arbeitgeber geltend zu machen.

Was ist Bildungsurlaub?

Deutschlandweit haben Arbeitnehmer Anspruch auf fünf bis zehn Tage bezahlten zusätzlichen Urlaub im Jahr, um an als Bildungsurlaub anerkannten Weiterbildungen teilzunehmen. Dieser Anspruch ist gesetzlich verankert und gilt in allen Bundesländern außer Bayern und Sachsen. Im Zeitraum der Weiterbildung zahlt der Arbeitgeber das Gehalt weiter, Seminargebühren und eventuelle Reisekosten tragen die Beschäftigten selbst. Arbeitnehmer können frei entscheiden, welche Seminare sie besuchen wollen. Beamte sind in einigen Bundesländern von dem Anspruch auf Bildungsurlaub ausgenommen.

Nicht zwangsläufig müssen die Weiterbildungen etwas mit der eigenen beruflichen Tätigkeit zu tun haben. Angeboten werden auch Seminare, die der körperlichen und mentalen Gesundheit dienen. „Leistung funktioniert nicht ohne Leistungsfähigkeit. In dem Punkt sind die gesetzlichen Regelungen in Deutschland super fortschrittlich“, sagt Lara Körber (36), die mit ihrer Firma „Bildungsurlauber.de“ Seminarangebote sammelt und Zugänge zu Bildungsurlaub vereinfachen will.

Hunderte unterschiedliche Kursangebote hat die Plattform kuratiert. Die angebotenen Seminare sind jeweils als Bildungsurlaub zertifiziert. Zuständig für Überprüfung des didaktischen Konzepts sind die jeweiligen Bundesländer.

Welche gesetzlichen Unterschiede gibt es zwischen den Bundesländern?

Außer in Bayern und Sachsen gibt es für Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub im Jahr beziehungsweise auf zehn Tage innerhalb von zwei Jahren. Unterschiede zwischen den Ländern bestehen vor allem in der Frage, wie Beschäftigte den jährlichen Anspruch auf fünf Tage zu einem längeren Bildungsurlaub auf zehn Tage zusammenfassen können. In Berlin etwa kann der Anspruch nicht übertragen werden. Dafür kann im Vorgriff auf die Bildungszeit im folgenden Kalenderjahr eine Zusammenlegung des Anspruchs auf zehn Arbeitstage erfolgen. Das heißt, der Anspruch 2024 lässt sich als Berliner Arbeitnehmer auf 2023 ziehen, sodass für Arbeitnehmer in der Hauptstadt zehn Tage Bildungsurlaub am Stück möglich sind.

In Nordrhein-Westfalen müssen Arbeitnehmer noch in diesem Jahr eine Erklärung abgeben, dass sie für das darauffolgende Jahr ihren Anspruch zusammenfassen möchten, ebenso in Hessen. In Mecklenburg-Vorpommern gilt der Anspruch auf zehn Tage Bildungszeit nur mit Beginn eines ungeraden Kalenderjahres (also etwa ab 2023 oder 2025). Beginnt ein Arbeitsverhältnis in einem geraden Jahr, beläuft sich der Anspruch nur auf fünf Tage. Über die individuellen Regeln sollten sich Arbeitnehmer in ihrem jeweiligen Bundesland selbst informieren.

Wie sollte man als Arbeitnehmer vorgehen, wenn man Bildungsurlaub machen will?

Bildungsurlaubs-Expertin Lara Körber empfiehlt Beschäftigten, zunächst das Gespräch mit Vorgesetzten zu suchen, um abzusprechen, wann der beste Zeitraum für ein etwaiges Seminar sein könnte. Über Bildungsurlaubskataloge sollte man sich danach ein Angebot suchen, dann die Antragsunterlagen entsprechend vorbereiten und an die Personalabteilung senden. Je nach Bundesland haben die Personaler dann zwei bis sechs Wochen Zeit, um über den Antrag zu entscheiden. Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber den Bildungsurlaub nicht ablehnen kann. Falls wichtige betriebliche Gründe dagegen sprechen – etwa eine Projektfrist oder bereits genehmigte Urlaube anderer Mitarbeiter der Abteilung –, darf der Arbeitgeber den Zeitraum für den Bildungsurlaub allerdings verschieben.

Was, wenn der Arbeitgeber den Bildungsurlaub doch verweigert?

Verweigert der Arbeitgeber die Bildungszeit mit Begründung innerhalb der Frist, bleibt grundsätzlich nur der Weg zu den Arbeitsgerichten, sagt der Arbeitsrechtler Jörg Tepper von der Berliner Kanzlei Chevalier Rechtsanwälte. Weil die rechtlichen Mühlen stets langsam mahlen, sei die Durchsetzung des Anspruchs mithilfe eines Eilverfahrens ratsam. Als genehmigt gilt der Bildungsurlaub übrigens auch, wenn der Arbeitgeber die Bildungszeit ohne Begründung verweigert oder nicht innerhalb der vorgegebenen Frist antwortet. Mitarbeiter wiederum sollten den Antrag auf Freistellung für Bildungsurlaub so früh wie möglich stellen, so Tepper. Je nach landesgesetzlicher Regelung sollte ein solches Schreiben spätestens acht, sechs oder vier Wochen vor dem Beginn der Veranstaltung bei der Personalabteilung eingegangen sein.

Muss der Bildungsurlaub immer etwas mit der eigenen beruflichen Tätigkeit zu tun haben?

Auch dabei unterscheiden sich die Bundesländer. In Berlin und Nordrhein-Westfalen müssen die Bildungsinhalte zumindest zu einem „mittelbar wirkenden Vorteil des Arbeitgebers verwendet werden können“. Das heißt, wer Italienisch lernen will, aber sonst kein Italienisch im eigenen Job braucht, muss auf die freiwillige Zustimmung der eigenen Firma hoffen. Andere Bundesländer haben weniger starre Regelungen, dort können Beschäftigte frei aus dem akkreditieren Angebot wählen.

Ist es auch möglich, Bildungsurlaub im Ausland zu machen?

Das ist möglich – und tatsächlich gibt es auch zahlreiche Angebote, zum Beispiel für Studienreisen in den arabischen Raum oder Sprachenlernen auf Malta und Yoga-Kurse auf Gran Canaria. Nur in Nordrhein-Westfalen darf der Bildungsurlaub nicht weiter als 500 Kilometer von der Landesgrenze entfernt stattfinden.

Wer zahlt den Bildungsurlaub?

Die Kosten trägt der Arbeitnehmer. Zum Teil gibt es landesseitig Förderprogramme, die zum Beispiel für Beschäftigte bis zu einer festgelegten Einkommensgrenze greifen. Die Ausgaben für den Bildungsurlaub können aber in der Steuererklärung als Werbungskosten angegeben werden.

Wie viele Arbeitnehmer machen Bildungsurlaub?

Vergleichsweise wenige. Einer Erhebung des ifo-Instituts zufolge nehmen durchschnittlich nur 3,5 Prozent der Beschäftigten die Möglichkeit wahr.

Was fordern die Gewerkschaften?

Als „sehr kompliziert“ bewertet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die unterschiedlichen Regelungen zu Bildungsurlaub in den Bundesländern. Zudem wüssten viele Arbeitnehmer überhaupt nichts von ihrem Anspruch. „Die Bundesländer sollten ihre Bildungsfreistellungsgesetze unbürokratischer und einfacher gestalten. Dazu gehört auch mehr Einheitlichkeit dabei, welche Angebote als Bildungsurlaub zählen, welche Ansprüche bestehen und welche Fristen einzuhalten sind“, so die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack gegenüber dieser Redaktion.

Was sagt die Politik?

Auch die FDP findet, dass Bildungsurlaub noch bekannter werden sollte. Lebenslanges Lernen sei „ein Win-Win für Unternehmen und Beschäftigte“, sagt Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion. Die Linke fordert, dass der Anspruch auf Bildungsurlaub in allen Bundesländern verankert wird. Zusätzlich bräuchte es einen leichteren Zugang.

„Dafür ist einerseits notwendig, dass Beschäftigte schnell und niedrigschwellig Zugang zu Informationen über Freistellungsansprüche und das Antragsprozedere erhalten. Zum anderen müssen Beschäftigte aber auch vor allem die Sicherheit haben, dass die Realisierung ihrer Rechtsansprüche nicht zu Nachteilen im Betrieb führt“, erklärt Susanne Ferschl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken. Nötig sei auch das Ende sachgrundloser Befristungen. „Denn klar ist: Wer einen Arbeitsvertrag auf Probe hat, macht von diesem Recht vermutlich keinen Gebrauch, um dem Chef nicht negativ aufzufallen“, so Ferschl.